Grünzug WestWie man ein Paradies erschafft

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Weiden/Junkersdorf – Der Grünzug West wurde einst geplant, um die Lebensqualität in Weiden und Junkersdorf zu erhöhen. Ein breites Landschaftsband zwischen der Autobahn A4 und den Wohngebieten von Lindenthal bis hinauf nach Weiden soll auf 85 Hektar die Menschen vor Lärm und Abgasen schützen, darüber hinaus Raum für die Naherholung bieten. Doch in den Augen vieler Bürger könnte der Grünzug üppiger wachsen. Einer von ihnen vertritt sogar die Ansicht, er sei nicht mehr als „eine Illusion vergangener Zeiten“. Schriftlich hat er jetzt bei der Stadt Beschwerde eingelegt. Sein Vorwurf lautet: „Mit dem Grünzug West wurde bis heute nicht einmal begonnen.“

In seiner jüngsten Sitzung beschäftigte sich der Ausschuss für Anregungen und Beschwerden mit dieser Eingabe. Der Vorsitzende Horst Thelen (Bündnis 90 / Die Grünen) schränkt den Vorwurf des Petenten ein. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte er: „Das war eine unangemessene Beschwerde. Sie entspricht so nicht den Tatsachen. Nicht alles, aber vieles ist bereits gemacht worden.“

Der Ausschuss unterstützte den Bürger dennoch in seinem Wunsch, dass die weitere Entwicklung des Grünzugs mit Nachdruck weiter vorangetrieben wird. „Das ist eine wichtige Sache, die letzten Freiräume von ökologischem Wert dort zu bewahren und für Mensch und Natur zu entwickeln“, erklärte Thelen.

Erste Pläne stammen aus den 1970er Jahren

Wie aber steht es in Wirklichkeit um den Grünzug West? Die Vorlage für den Ausschuss enthält Zahlen. Danach wurden in den vergangenen Jahren 63 Hektar des Grünzugs West bereits angelegt. Noch 22 Hektar sind für die weitere Entwicklung vorgesehen. Macht insgesamt 85 Hektar Raum für Pflanzen, Tiere und Menschen, als Rückzugs- und Lebensraum, für die Naherholung und sogar als Versuchsraum unter wissenschaftlicher Fragestellung.

Erste Pläne für den Grünzug West sind alt. Sie waren in den 1970er Jahren von der damals noch selbstständigen Gemeinde Lövenich aufgestellt worden, zu der Junkersdorf und Weiden damals gehörten. Dann kam die Eingemeindung. Erst in den 1990er Jahren griff die Stadt Köln die Idee wieder auf und plante den Grünzug als Ausgleich für die Anlage des Gewerbegebiets Marsdorf.

Seitdem ist festgelegt, wo der Grünzug verwirklicht werden soll. „Doch wurden die Pläne im Laufe der Jahre mit verschiedenen Inhalten gefüllt“, erläutert Joachim Bauer, der stellvertretende Leiter des Amtes für Landschaftspflege und Grünflächen. Während die Stadt in der Hauptsache zunächst parkähnliche Grünflächen im Auge hatte, rückten in den vergangenen Jahren ökologische Aspekte in den Vordergrund. Auch denkt man mittlerweile großräumiger. „Heute wollen wir naturnahe Räume mit Waldstücken, Wiesen und Feuchtbiotopen, die eine Verbindung aus der Stadt heraus in die Ville bewahren. Das Stichwort hierfür lautet Regio Grün. Wir arbeiten da mit unseren Nachbargemeinden Hand in Hand“, schildert Bauer. Er nennt die vier wesentlichen, zum großen Teil bereits verwirklichten Teile des ehrgeizigen Projekts:

Flächen zwischen Autobahn und Kronstädter Straße Die Teilfläche des Grünzugs West zwischen dem Autobahnkreuz West und der Kronstädter Straße grenzt direkt an die Wohnbebauung. Wiesen, Bäume und Sträucher prägen das Bild. Sie sind von Wegen durchzogen. Es gibt Bänke, einen Bolz- und einen Spielplatz.

Hier steht die Nutzung durch den Menschen im Vordergrund. Es gibt sonst keine öffentlichen Grünflächen in Weiden. Angesichts dieser Tatsache sei es „ein großes Manko, dass der 30 Hektar große Acker südlich der Potsdamer Straße nicht zur Verfügung steht, um das Projekt Grünzug West bis an die Stadtgrenze fortzuführen“, so Bauer. Diese Fläche befindet sich derzeit in Privateigentum.

Ausgleich für die Verlängerung der Stadtbahnlinie 1 Nördlich der Dürener Straße zwischen der Marsdorfer Straße und dem Salzburger Weg ist in den vergangenen Jahren ein reizvolles Miteinander von Laub- und Obstbäumen Büschen, Wiesen und Wegen mit hoher Aufenthaltsqualität entstanden. Es handelt sich um eine Ausgleichsfläche für den Ausbau der Stadtbahnlinie 1 bis Weiden. „Überhaupt entwickeln wir die Flächen des Grünzugs in dem Maße, wie Mittel aus Ausgleichsmaßnahmen für Bauvorhaben andern Orts zur Verfügung stehen. Anders ist das gar nicht finanzierbar“, so Bauer.

Extensiv bewirtschaftete Wiesen und der Frechener Bach

Zwischen der Stadtbahnlinie 7 und der Dürener Straße sind große offene Wiesenflächen angelegt worden. „Sie sind sehr reizvoll fürs Auge und von großem ökologischen Wert, weil sie zahlreichen Pflanzen- und Tierarten Raum bieten“, erklärt Bauer. Die Flächen werden extensiv bewirtschaftet, das heißt maximal zweimal pro Jahr werden sie gemäht oder von Schafen beweidet. Dort soll in Zukunft auch der Frechener Bach wieder fließen.

Der ursprünglich in Benzelrath entspringende Bach war bis ins 19. Jahrhundert hinein eine kleine, aber wichtige Lebensader. Durch den Braunkohletagebau verlor der Bach sein natürliches Quellgebiet und wurde statt dessen mit abgeleitetem Wasser aus dem Tagebau gespeist. Um 1894 wurde er dann beim Bau der Dampfstraßenbahn Frechen-Köln verrohrt und zwischen Haus Vorst und Marsdorf kanalisiert.

Inzwischen wird der Bach von der Frechener Kläranlage an der Dürener Straße gespeist. Auf Kölner Stadtgebiet soll er parallel zur Dürener Straße auf deren Südseite vom Randkanal bis zum Militärring reichen. „So entwickeln wir inmitten der Wiesen auch noch Auenstrukturen. Das bereichert die Landschaft im Auge des Spaziergängers und schafft einen weiteren Lebensraum, beispielsweise für Amphibien und Sumpfpflanzen“, so Bauer.

Waldlabor an der Bachemer Landstraße Es ist 25 Hektar groß, besteht zu 15,8 Hektar aus Wald und befindet sich an der Bachemer Landstraße zwischen der A4 und der KVB-Haltestelle Stüttgenhof. Mit finanzieller Unterstützung der Firmen Rhein-Energie und Ford sowie vieler Kölner Bürger wurde mit der Aufforstung der Fläche im Jahr 2010 begonnen. Seitdem wachsen dort ein Wandelwald, ein Klimawald und ein Energiewald heran.

Ein Wildniswald soll auch noch angepflanzt werden. Gemeinsam bilden sie ein Experimentierfeld, das neue Erkenntnisse und Informationen darüber bringen soll, wie der zukunftsfähige Wald aussehen könnte, wie er zu bewirtschaften ist und ob die Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland mit seiner Hilfe reduziert werden könnten.

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