Wo einst Napoleon nächtigteGut Kirchenhof in Köln-Müngersdorf steht zum Verkauf

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Müngersdorf – Es thront hoch über dem Alten Militärring, dezent zurückgesetzt von der Straße, zeigt sich hier allerdings auch von seiner majestätischen Seite: Von der Hauptverkehrsstraße in Müngersdorf erblickt man das Herrenhaus des altehrwürdigen Guts Kirchenhof. Weiß getüncht, zwei Stockwerke hoch, mit grünen Fensterläden geschmückte Fassaden, wirkt das 1774 erbaute Herrenhaus angesichts seiner besonderen Geschichte nahezu bescheiden. Es ist Teil eines Vierkanthofs, zu dem noch eine sattelgedeckte Scheune, ein Wirtschaftsgebäude und eine Remise gehören.

Ein großes Holztor an der Wendelinstraße 48 führt zu der Hofanlage. Auch gekrönte Häupter haben es bereits durchschritten, darunter im Jahr 1813 der Kaiser der Franzosen, Napoleon Bonaparte, der im Gut Kirchenhof nächtigte.

Ein Kaiser auf der Flucht

Nach der verlorenen Vielvölkerschlacht bei Leipzig, wo die französischen Truppen gegen die Russen, Preußen, Österreicher und die Schweden gekämpft hatten, war er auf der Flucht zurück nach Paris. Seine damalige Schlafstätte, ein großes Empire-Bett, erinnert noch im Wohnhaus des Hofes an seinen Besuch.

Heute steht die ehemalige Kaiserherberge zum Verkauf. Bei Immobilien-Scout wird die „historische Vierkanthofanlage im Herzen von Köln“ angeboten: 24 Zimmer, mit 872 Quadratmetern Wohn- sowie 496 Quadratmetern weiterer Nutzfläche und einem 3000 Quadratmeter großen Grundstück für 5,4 Millionen Euro. Nachdem dem Tod  der Eigentümerin, entschloss sich ihr Sohn zum Verkauf der Anlage. 300 Jahre lang befand sie sich im Familienbesitz. Die Eigentümer hatten diesen letztendlich Napoleon zu verdanken hat, der die Säkularisierung im französisch besetzten Rheinland durchsetzte.

Der Bürgerverein Müngersdorf kennt die Geschichte der jahrhundertealten Hofanlage genau: „Der Kirchenhoff zu Mundestorp, wie er früher genannt wurde, zählt zu den ältesten erhaltenen Höfen des Kölner Raumes“, berichtet er auf seiner Homepage. Ursprünglich befand er sich in kirchlichem Eigentum, nämlich der Stiftsherren von St. Aposteln. In Urkunden wird er erstmals im 12. Jahrhundert erwähnt. Dort findet sich auch der Eintrag, dass er im Jahre 1261 in den Besitz der Zisterzienser Abtei Altenberg überging.

Im Jahr 1331 beschloss die Kölner Kurie dann, ihn zu verpachten und überließ ihn dem Kölner Bürger namens Richwinis sowie dem minderjährigen Sohn seines Bruders zu einem Pachtzins von einigen Kölner Dinaren und zwei Hühnern.

Auch Wilhelm II. beherbergt

In den folgenden Jahrhunderten wechselten die Pächterfamilien auf dem Hof. Im Jahr 1600 wird erstmals ein Vorfahre der heutigen Eigentümer des Kirchenhofes, ein gewisser Peitter Peffgen, „Offermann zu Mundestorp“, urkundlich erwähnt. Die folgenden Generationen seiner Familie übernahmen die Pacht. Im Jahre 1803 konnte Heinrich Paeffgen schließlich bei der Verstaatlichung geistlichen Besitzes den Pachtvertrag mit der Abtei Altenberg lösen und Eigentümer des Kirchenhofes werden. Seitdem ist der Empfang von Gästen Tradition auf dem Hof.

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Den kaiserlichen Besucher umsorgten die damaligen Hofbesitzer Theodor und Helena Paeffgen der Erzählung nach sehr gut. Mit seinen preußischen Verfolgern gingen sie deutlich ruppiger um: Als sie ebenfalls vorbeikamen und frech und zudringlich wurden, riss die resolute Hausherrin der Legende nach eine glühend heiße Pfanne vom Herd und schlug sie den Soldaten um die Ohren. Nach Auskunft des Immobilienmaklers übernachtete nicht nur der Kaiser der Franzosen, sondern auch Kaiser Wilhelm II. mit großem Gefolge in Müngersdorf. So mancher Karnevalsprinz machte es sich mit seiner Garde im Kirchhof ebenfalls gemütlich. Neben den glamourösen Besuchen erlebte der Hof viele Generationenwechsel. Kinder wuchsen heran übernahmen den Hof, verstarben, vererbten ihn. Während des Zweiten Weltkrieges blieb er nahezu unversehrt.

Bis 2017 „Jan’s Restaurant“

Lediglich die Scheune wurde durch eine Brandbombe zerstört. Während des letzten Kriegsjahres war der Hof nicht bewohnt und wurde geplündert. Zwischenzeitlich diente er zehn amerikanischen Soldaten als Unterkunft.

Der letzte weibliche Spross der Eigentümerfamilie, Barbara Schwingeler-Nolden, restaurierte ihn schließlich mit viel Engagement – und verhalf dem Anwesen zu einer weiteren glanzvollen Zeit: In den 70er-Jahren beschloss sie, einen Teil des Gutshofes, den ehemaligen Kutschertrakt, umzubauen und für Gastronomie zu öffnen. So wurde aus der ehemaligen Remise ein Lokal gleichen Namens. Im Jahr 2003 übernahm Koch Jan Nolte das Restaurant und die dazugehörige lauschige Terrasse und erkochte sich in „Jan’s Restaurant“ einen Ruf, der weit über die Viertelsgrenzen hinausging. Nachdem die Eigentümerin verstarb, schloss Nolte vor zwei Jahren seinen Gastronomiebetrieb.

Nun warten die Müngersdorfer gespannt darauf, wer der künftige Besitzer wird und wie derjenige die Zukunft der historischen Hofanlage gestalten wird.

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