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Kölner UniklinikIm Dauereinsatz gegen das Coronavirus

Lesezeit 5 Minuten
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Pfleger André Effinger lässt sich testen. Maria Szewzyk arbeitet normalerweise als Kinderkrankenschwester.

  • In der Uniklinik werden jeden Tag Hunderte Menschen auf eine Corona-Infektion getestet.
  • Auf dem Gelände findet sich kein Mensch ohne Atemschutzmaske. Wer kommt, wird von einem Sicherheitsmenschen mit einer Maske als Begrüßungsgeschenk empfangen.
  • Ein Besuch im Kölner Epizentrum der Krise.

Köln – Die Frau, die in diesen Wochen einen der wichtigsten Arbeitsplätze der Stadt innehat, sieht erschöpft aus. Haare und Stirn sind verschwitzt, Hals und Wangen gerötet, doch ihre Augen strahlen Entschlossenheit und Zuversicht aus; sie lacht, wenn sie von ihrem Team erzählt, von Freunden, die für sie kochen, von ihren drei Kindern, die ihr Tanz-Videos schicken, den Menschen, die an Balkonen stehen und klatschen.

Clara Lehmann, Oberärztin für Innere Medizin, leitet das Infektionsschutzzentrum der Kölner Uniklinik, in dem täglich mehrere Hundert Menschen auf das Coronavirus getestet werden. Sie sagt – und bei ihrem herzhaften Lachen, das auch die massive Maske vor dem Mund nicht verbergen kann, glaubt man es: „Es ist unglaublich anstrengend. Aber die Arbeit macht auch großen Spaß. Hier herrscht ein riesiger Zusammenhalt.“

Kein Mensch ohne Atemschutzmaske auf dem Gelände der Kölner Uniklinik

Auf einem Mäuerchen vor dem Kölner Epizentrum der Krise an der Kerpener Straße liegt ein vergessener Stofflöwe, ein junger Mann filmt sich auf dem Weg ins Gebäude und streckt Zeige- und Mittelfinger zum Victory-Zeichen aus. Er komme aus der Schweiz und habe eine Erkältung, ruft er siegesgewiss.

Auf dem Gelände findet sich kein Mensch ohne Atemschutzmaske. Wer kommt, wird von einem Sicherheitsmenschen mit einer Maske als Begrüßungsgeschenk empfangen. Vor einem Kleinlaster des Gesundheitsamts hat sich eine Schlange gebildet – Menschen, die nach ärztlicher Beratung und einem Coronatest als gefährdet eingestuft wurden und sich jetzt ihre häusliche Quarantäne-Anordnung abholen.

Nach dem Verlassen des Gebäudes sollen sich die Menschen die Hände desinfizieren. Auf einem Plakat geben die „Kliniken Köln“ angeblich den Tipp, sich so die Hände zu waschen, als habe man „Chillies geschnitten und wolle masturbieren“. Ein Fake, die Uniklinik distanziert sich von dem Plakat, nicht aber von der Botschaft. Vor dem Infektionsschutzzentrum unterhalten sich zwei Ärzte über die Menschenschlange, einige stehen zu dicht beieinander.

In spätestens zwei Tagen werden die Wartenden wissen, ob sie in die Statistik eingehen, die wie ein Schreckgespenst über dem Land liegt. In Köln hat sich die Zahl der Infizierten binnen einer Woche verzehnfacht – 679 registrierte Covid-19-Fälle gab es am Freitag, 16 Uhr, in der Stadt.

Die Zahl der Nichtregistrierten wird von Virologen auf ein Vielfaches geschätzt. Drei Patienten befinden sich aktuell auf der Intensivstation der Uniklinik, fünf auf einer normalen Station. „Von den Intensivbetten her haben wir im Moment kein Problem“, sagt Lehmann.

Im Moment, sagt sie, weil sie nicht wisse, was kommt. „Hätte man mir vor zwei Wochen gesagt, die Leute dürfen nicht mehr raus, hätte ich denjenigen für verrückt erklärt. Jetzt ist die Situation anders, und sie ändert sich täglich.“

Eine einfache Rechnung

Die Zahlen machen auf viele Menschen erst dann Eindruck, wenn wie in Bergamo Särge wegtransportiert werden. Mathematik finden die meisten langweilig. Leider ist sie gerade jetzt essenziell, um zu verstehen, was ist – und was droht, wenn wir uns weiter mit Freunden, Großeltern oder sonst wem treffen.

Die Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie rechnet vor: Wenn jeder Infizierte 2,5 weitere Personen anstecken würde, wären nach 50 Tagen in Deutschland 5.687.270 Menschen infiziert. Würden von einem Kranken zwei Menschen angesteckt, müssten am 100. Tag der Übertragungen 1.140 233 Menschen auf einer Intensivstation behandelt werden.

Da Deutschland über rund 30.000 intensivmedizinische Betten verfügt, von denen die meisten stets für andere schwerwiegend Erkrankte benötigt werden, darf jeder Erkrankte maximal einen oder 1,2 andere Menschen anstecken, um zu verhindern, dass das Gesundheitssystem kollabiert.

Am vergangenen Wochenende, sagt Clara Lehmann, gab es einen so rapiden Anstieg der Kölner Infektionszahlen, „dass wir uns große Sorgen gemacht haben. Plötzlich ist die Zahl der positiv Getesteten von zehn Prozent auf rund 30 Prozent gestiegen.“

Es zeigte sich, dass Skiurlauber aus Ischgl dafür verantwortlich waren – darunter auch Ärzte der Uniklinik, die sich sofort in Quarantäne begaben. „Zum Glück ist die Infektionszahl wieder gesunken.“ Heute sei es fast ruhig. Zwischen 9 und 14 Uhr waren gut 260 Menschen beraten und rund 90 Prozent davon auf das Virus getestet worden.

Eingang für Corona-Verdachtsfälle

In die Infektionsschutzzentren an der Uniklinik und seit Donnerstag am Krankenhaus in Holweide sollte jeder kommen, der aus einem Risikogebiet wie China, Italien, Tirol, der Region Grand Est in Frankreich, Madrid, New York, Washington kommt, Symptome wie Fieber und Husten hat oder mit Infizierten in Kontakt war.

Es gibt einen Eingang für Beschäftigte und einen für Corona-Verdachtsfälle. Drinnen gibt es schlichte Anmelde- und Besprechungszimmer sowie einen Raum, in dem die erforderlichen Abstriche gemacht werden.

Sie könne nicht sagen, wie viele Abstriche sie heute gemacht habe, sagt Maria Szewzyk, die im normalen Leben Kinderkrankenschwester ist und aussieht wie eine Darstellerin aus einem Katastrophenfilm: neben einer so genannten FFP-2-Maske ist sie mit Plexiglasschutz für die Augen, Kopfhaube und gelbem Schutzkittel ausgestattet.

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Ihren Job macht sie friedfertig und gut gelaunt. Dem Pfleger André Effinger, der in der Infektiologie der Uniklinik arbeitet, rät Szewzyk, „ruhig zu bleiben und sich nicht so anzustellen“, als der moniert, der Abstrich, bei dem ein Teststäbchen tief in den Rachen gesteckt wird, sei „ziemlich fies“. Effinger fühlt sich kerngesund, muss sich aber wie jeder, der mit Infizierten Kontakt hat, mehrmals pro Woche routinemäßig testen lassen.

Auf dem Flur flachst eine Ärztin mit einem Pfleger, der Selfie-Filmemacher aus der Schweiz hat einen Abszess am Hals, der von Clara Lehmann im Vorbeigehen kurz begutachtet wird. „Die meisten Menschen sind ruhig und freundlich, aber es gibt auch aggressive, ängstliche, panische.

Da wird auch schon mal geschrien und mit Klagen gedroht. Vergangene Woche bin ich dann auch einmal ganz kurz sehr laut geworden – das kann gerade passieren“, sagt sie. Dann entschuldigt sie sich. Die Arbeit, die sie momentan und wer weiß wie lange noch auch nachts nicht loslasse, ruft.

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