Anwohner sind empörtKVB-Mast verschandelt Kölner Baudenkmal – Stadt gab Zustimmung

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Der graue Pfosten ragt fast durch das Fenster in die Wohnung.

Köln-Sülz – Backsteinexpressionismus. Unter diesem Schlagwort wurde ein Architekturstil der 20er-Jahre bekannt, der sich parallel zu den bildenden Künsten entwickelte. Technische Neuerungen und die dadurch entstehende Massenproduktion ermöglichte die Verwendung anderer Materialien: Ein Markenzeichen der neuen Bauweise waren die rotbraunen Ziegelsteine, die nun den Fassaden zu ungewöhnlicher Lebendigkeit verhalfen.

Ein Musterexemplar für die ausdrucksvolle Backsteinbauweise zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts ist der denkmalgeschützte Wohnblock „Zülpicher Hof“ an der Zülpicher Straße, Ecke Sülzgürtel. Die Architekten Clemens Klotz und Josef Fieth errichteten ihn für die Baugenossenschaft Grüngürtel von 1927/28. Der viergeschossige Bau weist typische Besonderheiten des Expressionismus auf, wie beispielsweise die beiden Dreieckserker an der Zülpicher Straße.

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Der KVB-Mast an der Zülpicher Straße

Eine der beiden identitätsstiftenden Erkerreihen hat nun ungewöhnliche Gesellschaft bekommen: Wie ein Alien, ganz anderen Gedankenwelten als denen von Architekten entsprungen, hat sich ein etwa zwölf Meter hoher Betonpfosten vor ihn gepflanzt, nur wenige Meter vor der Fassade des denkmalgeschützen Baus. Er ist einer von zwei Fahrleitungsmasten, die die KVB dort aufgestellt hat – ohne darüber nachzudenken, wie stark ihre rein von funktionellen Erwägungen getragenen Bauten den Charme des denkmalgeschützten Baus dahinter schmälern.

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Kölner Anwohner reagieren empört

Die Hausbewohner waren empört und wandten sich an die Denkmalschutzbehörde. Es stellte sich heraus, dass die KVB zunächst davon ausging, dass sie von dieser keine Genehmigung benötigte. Sie holte das nach – und erhielt die Erlaubnis innerhalb weniger Tage. Die Anwohner ärgern sich darüber: „Es ist ein wirklich massiver Eingriff“, sagt Andreas Stage, Eigentümer einer der Wohnungen im Haus.

„Die KVB hat argumentiert, sie müsse die maroden Pfosten, an denen die Oberleitungen aufgehängt sind, ersetzen, aber die stehen auf der anderen Straßenseite und stören dort niemanden.“ Man hätte einfach die alten Pfosten durch die neuen ersetzen können. An der Hauswand seien zudem noch alte Ankerhaken für die Kabel vorhanden, an denen man sie hätte befestigen können, wie an anderen Häusern in der Straße auch.

So argumentiert die KVB

Die KVB ist allerdings anderer Meinung. „Wollte man einen Fahrleitungsmast an gleicher Stelle ersetzen, müsste man den Fahrbetrieb für die Dauer des Umbaus für bis zu zwei Wochen einstellen“, schreibt Pressesprecherin Gudrun Meyer.

Zudem sei nicht bekannt, wie der Untergrund der alten Maste beschaffen ist und wie viele Kabel, Rohre und Kanäle dort vorgefunden werden. Daher sei gar nicht sichergestellt, dass bei Berücksichtigung der aktuellen Vorschriften wirklich ein neuer Mast am alten Standort gesetzt werden könne.

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Außerdem kann laut Aussage der KVB der alte Mast erst dann entfernt werden, wenn die Oberleitung an einem neuen befestigt worden ist. Im Verlauf der Zülpicher Straße müssten noch weitere Pfosten ausgetauscht werden. Sowohl aus technischen als auch aus stadtgestalterischen Erwägungen heraus sei es sinnvoll, die Masten alle auf einer Seite anzuordnen.

Stadt Köln schlägt sich auf Seite der KVB

Auch von dem Vorschlag, die Kabel an der Häuserwand zu befestigen, hält die KVB nichts: „Wandankerverspannungen sind an dieser Stelle im Hinblick auf die Instandhaltung deutlich ungünstiger für den Stadtbahnbetrieb“, so Meyer. „Aus den vorhandenen Abspannungen ergeben sich örtliche Kräfte bis zwölf Kilonewton. Zu den vorhandenen Wandankern fehlt der statische Nachweis. Da auch die Bausubstanz der Gebäude unbekannt ist, bauen wir im Zuge von Erneuerungen die Wandanker zurück.“ Das Amt für Denkmalpflege hält die Argumentation für stichhaltig und hat seinen Segen erteilt. „Das öffentliche Interesse an einer für den Stadtbahnbetrieb vorteilhaften Fahrleitungsführung wiegt schwerer als das an den ungestörten Erscheinungsbildern der Denkmäler“, schreibt ein Sprecher der Stadt.

Die Lindenthaler Bezirkspolitik ist über diese Bewertung genauso empört wie die Bürgerinnen und die Bürger. Es hätte Alternativen für den Standort der Masten oder die Befestigung der Fahrleitungen gegeben, argumentieren sie in der Begründung eines gemeinsamen Antrages, der in der kommenden Sitzung der Bezirksvertretung auf der Tagesordnung steht. Sie möchten die Verkehrs-Betriebe nun per Beschluss auffordern, ihre Masten vor dem Denkmal abzubauen und eine denkmalgerechte Lösung zu erarbeiten.

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