Neue Luxus-Häuser?Klettenberger fürchten Verdrängung und Ende der Veedels-Idylle

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Wo ein Doppelhaus an der Oberpleiser Straße in Köln-Klettenberg stand, sollen neue Häuser entstehen.

Köln-Klettenberg – Im Südwesten von Klettenberg, wo die hohen Altbauten längst in Reihenhäuschen übergegangen sind, herrscht ein Leben in dörflicher Gemeinschaft. Nachbarn treffen sich zu einem Kaffee am Küchentisch, wie bei Bernd Hennerici und Yann Seybold, Bewohner der Oberpleiser Straße. Man kennt und hilft sich.

Vor zehn Jahren ist Seybold aus dem Agnesviertel hergezogen schwärmt von der menschlichen Heimeligkeit: „Wir achten hier darauf, ob jemand vergessen hat, das Fenster zu schließen oder das Auto“, schildert er. „Wenn ein älterer Straßenbewohner lange nicht mehr gesehen wurde, klingeln wir und fragen, wie es ihm geht.“

Hennerici ergänzt: „Das Miteinander ist gut, obwohl hier genauso Menschen wohnen, die gerade einmal so über die Runden kommen, wie der Millionär.“ Ein solcher lebte in einer Hälfte des Doppelhauses, das gegenüber an der Oberpleiser Straße 2a stand, in der anderen mit der Nummer 2b seine Tochter mit Familie.

Doppelhaus in Klettenberg für 1,8 Millionen Euro verkauft

Dahinter lag eine große Grünfläche. Hennerici der mit seiner Familie sein ehemaliges Elternhaus bezogen hat, ist mit den Töchtern aufgewachsen. Sie haben das Doppelhaus geerbt – und schließlich verkauft, zu einem Preis von 1,8 Millionen Euro, so erzählt man sich in der Nachbarschaft.

Nun ist es verschwunden und wird durch neun Einfamilienhäuser ersetzt. Die Frey AG baut auf dem Grundstück unter dem Titel „Nine Homes“ Domizile à 150 Quadratmeter, zweistöckig mit einem Staffelgeschoss. Jedes einzelne soll rund 1,5 Millionen Euro kosten. Die Nachverdichtung an der Oberpleiser Straße sorgt bei den Nachbarn für Aufruhr.

Sie machen sich Sorgen über die Folgen: Durch die stärkere Versiegelung des Grundstücks, befürchten sie, dass dort künftig viel weniger Wasser versickern wird und die Kanalisation bei Starkregen überläuft. Schon jetzt sei ihr Fassungsvermögen erschöpft: „Wir hatten nach den starken Regenfällen in diesem Jahr alle Wasser im Keller und Schäden an Geräten, wie Waschmaschinen“, so Hennerici. Wenn die Kanäle ausgebaut werden müssten, würden sie als Hauseigentümer beteiligt und müssten so die von der Nachverdichtung verursachten Kosten tragen.

Sorge vor zusätzlichen Kosten

Die Nachbarn erwarten auch ein stark erhöhtes Verkehrsaufkommen. „Die Tiefgaragenplätze, die ebenfalls gebaut werden, sind nicht im Kaufpreis inbegriffen“, schildert Hennerici, „sondern müssen hinzugekauft werden.“ Die Anwohner glauben, dass sich die neuen Nachbarn diese Kosten sparen und stattdessen lieber vor der Haustür parken. Dort sei die Parkplatznot aber sowieso bereits groß. Der Verkehr würde stark zunehmen und auf der Straße spielende Kinder gefährden. Vor allem verändere sich die Gemeinschaft im Viertel.

Die Häuser könnten sich ausschließlich Menschen mit hohem Einkommen leisten. Einkommensschwache Einwohner würden nach und nach verdrängt. Hennerici: „Die Töchter des ehemaligen Doppelhauseigentümers wollte ausdrücklich nicht an einen Investor verkaufen.“ So erwarb ein Notar das Grundstück, der dort aber nur kurz wohnte und es dann an die Frey-AG weiterveräußerte.

Nachbarn in Klettenberg kritisieren die Kölner Stadtverwaltung

Die Nachbarn kritisieren, dass die Stadtverwaltung dem Investor genehmigt hat, auf dem Areal gleich neun Häuser zu errichten. Die sieht allerdings keinen Grund, ihm die Baugenehmigung zu verweigern: „Im Hinblick auf den höheren Versiegelungsrad des Baugrundstückes wurden die entsprechenden Stellen um besondere Prüfung gebeten“, schreibt Nicole Trum, Sprecherin der Stadt. „Der Versiegelungsgrad wird bei Neubauten grundsätzlich berücksichtigt und geprüft. Gleiches gilt für die Nachweisbarkeit der notwendigen Stellplätze im Rahmen der geltenden rechtlichen Vorschriften.“

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Auch der Bauherr selbst sieht keinen Grund zur Beunruhigung: „Die Frey-AG errichtet an der Oberpleiser Straße Stadthauswohnungen, die hervorragend für Familien geeignet sind“, schildert Thomas John, Geschäftsführer der Vertriebstochter Interhouse des Unternehmens. Alle bisherigen Käufer hätten Kinder und würden sicher mit darauf achten, dass  nichts passiert. Jede Partei habe einen Stellplatz gekauft, selbst diejenigen, die gar kein Auto hätten, sondern ihn für ihre Lastenräder nutzen würden.

„Es stimmt, dass mehr Fläche versiegelt wird“, so John. „Das ist aber mit hohen Auflagen verbunden, die erfüllt werden müssen.“ Alle Dächer würden begrünt und Wasser speichern, der Untergrund des Grundstücks erhalte eine Überflutungszone und würde durch Bäume begrünt. Das Regenwasser würde zunächst gespeichert und später langsam in den Kanal fließen. Nach Berechnungen der Stadtentwässerungsbetriebe gäbe es eine positive Bewertung des Vorhabens. „Letztendlich wird eine Nachverdichtung von der Politik ständig gefordert“, so John. „Es herrscht schließlich eine große Wohnungsnot.“

So sieht auch die ortskundige Bezirkspolitik das Bauvorhaben weniger kritisch als ihre direkten Nachbarn: „Es dürfte nicht zu beanstanden sein“, schreibt Bezirksvertreterin und Viertelsbewohnerin Ute Ackermann (Grüne). Der Parkdruck in Klettenberg sei groß, es gäbe aber keinen Anspruch auf einen Parkplatz im öffentlichen Raum vor dem eigenen Haus. „Andere Einfamilienhäuser haben in den letzten Jahren zu sehr hohen Preisen die Besitzer gewechselt und wurden dann noch teuer saniert“, so Ackermann. Um die soziale Mischung in Vierteln zu erhalten, seien gesetzliche Regelungen, wie eine Milieuschutzsatzung nötig. „Da gibt es aber Stadtteile, die diese dringender benötigen.“

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