Sülzer Schulleiterin geht in Ruhestand„Unsere Eltern sind sehr selbstbewusst“

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Schulleiterin Annie Schulz-Krause auf einem Stein, der schon den Eingang des Schiller-Gymnasiums in Ehrenfeld zierte.

  • Annie Schulz-Krause, 14 Jahre Leiterin des Schiller-Gymnasiums, geht in den Ruhestand und zieht Bilanz

Köln-Sülz – Zwischen der Schule und ihrer Leiterin herrscht eine besondere Beziehung. Anni Schulz-Krause hat bereits ihre Referendarzeit am Schiller-Gymnasium verbracht, danach dort als Lehrerin gearbeitet. Nach einem kurzen Abstecher ans Hansa-Gymnasium übernahm sie schließlich die Leitung des „Schillers“. Am 1. Februar beginnt ihr Ruhestand.

Frau Schulz-Krause, was war prägend für die lange Zeit, die Sie am Schiller-Gymnasium verbracht haben?

Insbesondere die Entwicklung dieser Schule. Wir haben an dem Projekt „selbständige Schule“ teilgenommen. Es wurde vor 15 Jahren angestoßen, weil sich die Anforderungen an Schule verändert hatten. Das Ministerium hatte immer wieder gefordert, Schule müsse andere Unterrichtsmethoden entwickeln, die Selbständigkeit von Schülerinnen und Schülern fördern und wegkommen von diesem lehrerzentrierten Unterricht. Diese Vorhaben sind aber immer im Sande verlaufen. Schule hat sich lange nicht wesentlich verändert. Irgendwann hat man überlegt, ob eine Ursache die zu geringen Spielräume sind, die man Schulen lässt und ihnen etwas mehr Luft gegeben, sich zu entwickeln und ihren Entwicklungsschwerpunkt und ihre konkreten Bedingungen vor Ort zu definieren.

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Und wie sieht nun ein selbständiges Schiller-Gymnasium heute aus?

Mein Kollegium stellt sich der Herausforderung, wegzukommen vom rein lehrerzentrierten Unterricht. Der hat auch seinen Platz. Aber wir greifen auf ein großes Methodenrepertoire zurück. Die Kinder werden an selbständiges Lernen herangeführt. Und wir haben ein breites Angebot an naturwissenschaftlichen Praktika, einen Schwerpunkt Bühnenkunst, ein bilinguales Angebot ab der achten Klasse und sehr viel Sportunterricht, wo es von der fünften bis zur achten Klasse keine Noten im klassischen Sinn gibt. Eltern, Lehrer und Schüler arbeiten in Arbeitskreisen zusammen. Und unsere Schüler engagieren sich in Helfersystemen wie dem Sanitätsdienst, als Tutoren, Streitschlichter und in Patensysteme. Neben den Leistungsangeboten gibt es die Möglichkeiten, sich im Sozialen Bereich zu erproben, so dass wir wirklich eine Bildungsanstalt im Sinne unseres Namensgebers sind. Friedrich Schiller sah in der Bildung auch ein wesentliches Element der Menschwerdung.

Es soll ja nach Berichten von Lehrern auch ein sehr gutes Arbeitsklima im Kollegium herrschen.

Ja, das liegt daran, dass die Kollegen wissen, dass sie Verantwortung nicht nur formal, sondern tatsächlich haben. Ich wünsche mir zwar immer, dass man mich in Kenntnis setzt, aber wenn sie an bestimmten Punkten eine Entscheidung treffen, dann trage ich die mit, denn nur so kann man Kollegen dazu führen, dass sie mitgestalten. Abgesehen davon versteht dieses Kollegium sich auch als Gemeinschaft. Die feiern auch gerne.

Ist es schwieriger für Lehrer, mit Kindern umzugehen, die nicht mehr so autoritär erzogen werden wie noch vor Jahrzehnten, und, jedenfalls in vielen Fällen, selbständiger denken?

Ja, genau. Früher war Gehorsam ein zentraler Erziehungswert, den es heute - glücklicherweise - nicht mehr gibt. Eine Demokratie braucht mündige und konfliktfähige Staatsbürger. Die entwickeln sich nicht in Gehorsamkeitsstrukturen. Wir setzen uns in unserem Projekt „Wider das Vergessen“ mit der NS-Zeit auseinander und der Rolle der Schule in einer demokratischen Gesellschaft. Schule muss Schüler ernst nehmen, ihnen Freiräume und Verantwortung geben, Toleranz vermitteln. Das Schiller-Gymnasium hat in der NS-Zeit, als es noch in Ehrenfeld war, eine unrühmliche Rolle gespielt. Es hat sehr früh versucht, „judenfrei“ zu werden. In einem Text aus dem Jahr 1939 formuliert der damalige Schulleiter: "Wie vor 25 Jahren, steht Deutschland im Banne eines aufgezwungenen Krieges... Heil Hitler." Schule darf aber keinesfalls falsche Fakten verkünden, eine undemokratische und rassistische Position einnehmen. Und angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen müssen wir genau da gegensteuern.

Vor welchen Herausforderungen stehen Schulen im Bezirk Lindenthal?

Wir haben hier in hohem Maße bildungsnahe Elternhäuser. Für diese Eltern ist es geradezu selbstverständlich, dass ihr Kind das Gymnasium besucht. Da ist es manchmal schwer, sie dazu zu bringen, einmal mit ein bisschen Distanz auf die Kinder zu gucken und die Möglichkeiten, die sie haben. Zudem sind unsere akademisch gebildeten Eltern sehr selbstbewusst. Sie sprechen auf Augenhöhe mit den Kollegen und treten auch manchmal fordernd auf. Das ist eine Herausforderung für die Lehrer, weil die Kinder zu Hause ihre Sicht der Dinge kommunizieren und die kann divergieren von der Sicht anderer. Nun haben wir ja auch viele Vorbereitungsklassen mit zugewanderten Kindern und Jugendlichen aufgenommen und ein großes Unterstützernetzwerk aus Ehrenamtlern etabliert. Dabei sind viele Schüler und sehr viele Eltern. Das ist eben auch das Tolle dieser Elternschaft. Sie hat viele Stärken, neben natürlich auch den anstrengenden Seiten (lacht).

Was sind die schönsten Erinnerungen an Ihre Lehrerzeit?

Ich erlebe es als Geschenk der Gesellschaft an uns Lehrer, aber auch an die Schüler, dass wir uns beispielsweise an einem Montagmorgen um fünf vor 8 Uhr mit Goethes Faust beschäftigen können, auch wenn die Schüler das sicher nicht immer so sehen (lacht). Besonders schön finde ich auch das Gespräch mit Schülern, wie sie sich verändern, welche Aufregung in den Gesichtern zu sehen ist, wenn sie in der „Fünf“ kommen und wenn ich ihnen hinterher die Abiturzeugnisse übergeben darf. Das ist für mich immer der Höhepunkt gewesen, zu sehen, was aus diesen Menschen geworden ist.

Gab es auch schwere Momente?

Ja, natürlich, beispielsweise, wenn man aus den Ferien zurückkommt und ein Kollege verstorben ist. Das ist in meiner Amtszeit drei Mal passiert, völlig überraschend. Und natürlich, wenn ein Schüler stirbt. Das sind die schweren und traurigen Momente für die ganze Schulgemeinde, weil man einfach so machtlos ist. Das möchte ich nicht noch einmal miterleben.

Ist es schwer zu gehen oder gibt es auch ein lachendes Auge?

Es ist natürlich Wehmut dabei, aber auch eine Befreiung. Das darf man nicht unterschätzen. Als Schulleiter hat man in hohem Maße Verantwortung und man hat auch einen Diensteid abgelegt, man hat zu dienen. Das klingt antiquiert, ist aber sehr spürbar, wenn man Schulleiter oder auch Klassenlehrer ist. Die Eltern geben das Wertvollste, das sie haben, an uns ab, vertrauen uns die Kinder an. Und wir haben die Verpflichtung, zum Wohle dieser Kinder zu arbeiten und eigene Interessen immer wieder zurückzustellen. Diese Verantwortung nicht mehr zu haben, schafft Freiräume für persönlich Interessen.

Wissen Sie denn schon, wie Sie die Freiräume nutzen?

Ich lasse es erst einmal auf mich zu kommen und freue mich aber, mehr Zeit für meine Enkelinnen zu haben. Die eine ist jetzt fünf und die andere gerade sieben geworden.

Anni Schulz-Krause wurde 1954 in Breinig (heute ein Stadtteil von Stolberg) geboren und studierte Germanistik und Sozialwissenschaften an der RWTH Aachen. Bis 1997 war sie Referendarin und Lehrerin am Schiller-Gymnasium. Nach drei Jahren als Mittelstufenleiterin am Hansa-Gymnasium kehrte sie 2000 als stellvertretende Schulleiterin zurück , wurde 2002 die kommisarische und 2004 offiziell Schulleiterin. Sie ist verheiratet und hat einen Sohn.

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