Kölns größte BaustelleIn Mülheim entstehen 7000 neue Arbeitsplätze

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Die ersten Gebäude auf dem ehemaligen Güterbahnhof an der Schanzenstraße sind fast fertig. Der Bauplatz im Vordergrund ist für die IHK vorgesehen.

  • Die Baustelle vom neuen Quartier „I/D Cologne“ in Mülheim ist riesig.
  • Aus dem alten Güterbahnhof soll ein moderner Bürostandort mit 7000 Arbeitsplätzen werden.
  • Damit sind allerdings nicht alle Menschen in Mülheim zufrieden, viele hätten sich statt Büros neue Wohnungen gewünscht.

Köln-Mülheim – Fast einen Kilometer hat man zu laufen, wenn man das Areal einmal vom südlichen bis zum nördlichen Ende besichtigen will. Zur Belohnung – vorausgesetzt man bringt die nötige Geduld mit – kann man dort schon die ersten Nutzer der Angebote im neuen Quartier „I/D Cologne“ entdecken. Hinter einem grünen Gitterzaun befindet sich ein riesiger Lebensraum für Eidechsen. In den Jahren, als hier nichts geschah, hatten sich Echsen auf dem Areal des ehemaligen Mülheimer Güterbahnhofs niedergelassen. Sie mussten eingesammelt und umgesiedelt werden. Wenn alles nach Plan läuft, werden vor dem Eidechsenhabitat bis 2026 die letzten Gebäude des neuen Bürostandorts im Rechtsrheinischen fertig sein.

„Hotspot der New Industry“

Das, was zwischen der Wohnbebauung im Mülheimer Norden und der Schanzenstraße in die Höhe wächst, ist zurzeit Kölns größtes Bauprojekt: Sieben Hektar Fläche – das sind rund zehn Fußballfelder - für 160 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche in schicken, hohen Bürohäusern, Ladenlokalen und einem Hotel. Unter der Regie der Projektentwickler Art Invest und Osmab wird rund eine halbe Milliarde Euro verbaut. Vermarktet wird das Projekt als „Hotspot der New Industry“, jenseits der „Schwelle zur digitalen Welt“, als „Eingangstor für den erfolgreichen Eintritt in die digitale Transformation.“ Man kann es auch etwas einfacher ausdrücken: „Wir machen aus einem alten Bahnhof einen modernen Bürostandort“, sagt Geschäftsführer Holger Kirchhof.

Holger Kirchhof und Simon Weber auf der Dachterrasse mit Domblick

Holger Kirchhof und Simon Weber auf der Dachterrasse mit Domblick

Rund 7000 Arbeitsplätze werden hier geschaffen, dazu eine top-moderne Infrastruktur, die die Arbeitswelt mit Freizeitangeboten und allerlei Serviceangeboten verbindet. Über eine eigene App werden diejenigen, die hier arbeiten Leihfahrräder und Leihautos, Konferenzräume, einen Wäscheservice, Sportplätze und vieles mehr buchen können. Die Büroarchitektur setzt nicht nur technische Standards, wie man auf dem Dach des Hauses erleben kann, das der IT-Dienstleister Cancom beziehen wird. Die Firma hat sich eine Dachterrasse in luftiger Höhe für ihre Mitarbeiter gewünscht – mit Blick auf das alte Mülheim und den Kölner Dom. Das passt zur Philosophie von I/D Cologne: Hier wird nicht mehr über die richtige Work-Life-Balance verhandelt. Persönliche Lebensqualität und Freizeitinteressen verschmelzen mit einer flexiblen Arbeitswelt.

Mülheimer hatten sich Wohnungsbau gewünscht

Manch einer auf der anderen Seite der Straßenbahntrasse beäugt das Bauprojekt mit Skepsis, weil er sich andere Nutzung für das Güterbahnhofsgelände vorgestellt hat oder neue Verkehrsprobleme befürchtet. Mülheimer Interessenvertreter hatten sich hier andere Arbeitswelten und vor allem auch Wohnungsbau gewünscht. Wohnungsbau sei nicht möglich gewesen, sagt Kirchhof wissend, dass das andere anders sehen. Doch auch die Kritiker werden einräumen müssen, dass die Wiederbelebung eines Ortes, an dem nie gewohnt wurde, mit Tausenden Arbeitsplätzen beachtlich ist.

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Blick von der Baustelle I/D Cologne auf das schmucke, ehemalige Verwaltungsgebäude von Felten und Guillaume an der Schanzenstraße

Ein Riesen-Ufo am falschen Platz?

Bei der Führung über die Baustelle sind Kirchhof und Projektleiter Simon Weber bemüht, immer wieder Verbindungen zum Stadtviertel aufzuzeigen. Die Bebauung ist durchlässig, neue Wege von Ost nach West verbinden das Areal um die Schanzenstraße mit dem Stadtteil; die öffentlichen Plätze sollen einladend werden. Das große gastronomische Angebot werde nicht nur diejenigen erfreuen, die hier arbeiten. Kirchhof und Weber sind sich sicher, dass das Quartier nicht wie andere Bürostandorte verwaist, wenn es dunkel wird. Ob sie Recht haben, wird sich zeigen. Zwischen den noch günstigen Wohnungen im Mülheimer Norden auf der einen Seite und den umgenutzten Industriehallen und schmucken historischen Verwaltungsgebäuden auf der anderen erscheint „I/D Cologne“ manchem Skeptiker wie ein am falschen Platz gelandetes Riesen-Ufo. Doch das muss nicht so bleiben.

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Neben dem Haus für Cancom wird Siemens mit 1000 Mitarbeitern einziehen. Alles sei im Zeitplan, so Weber. Im April nächsten Jahres sollen die ersten Büros bezugsfertig sein. Nach und nach wird dann in Richtung Norden weiter gebaut. Für ein Design-Hotel gießen Arbeiter zurzeit das Fundament. Daran soll sich die neue Zentrale der Kölner Industrie- und Handelskammer anschließen. Kirchhof ist sich sicher, dass die IHK 2022 die Rheinseite wechselt, obwohl in den Gremien der Kammer weiter über die Umzugsentscheidung diskutiert wird.

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Das Parkhaus auf dem ehemaligen Güterbahnhofgelände in Mülheim soll eine der größten begrünten Fassaden Deutschlands bekommen

Das große Parkhaus schräg gegenüber ist fast fertig. Die 2000 Quadratmeter große Außenwand soll eine der größten begrünten Fassaden Deutschlands werden. Die Pflanzen dafür werden zurzeit in Süddeutschland gezogen. Vielerorts habe man ökologische Aspekte integriert: Es gibt begrünte Dachterrassen, Wasserbassins und 150 Bäume zur Verbesserung des Mikroklimas, Ladestationen für Elektro-Fahrzeuge, ökologische Baustoffe zum Energiesparen oder das 5000 Quadratmeter große Eidechsenhabitat.

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Die ersten Gebäude von ID Cologne sind fast fertig. Hier zieht unter anderem Siemens ein.

Nachhaltigkeit ist ein öffentlichkeitswirksames Verkaufsargument bei der Mietersuche. Die ersten Häuser seien bereits vermietet, so Weber. Über die weiteren Gebäude werde mit Interessenten verhandelt. „Vor zwölf Jahren gab es in der Stadt bei Büroimmobilien einen Leerstand von zehn Prozent. Nun liegt er bei zwei. Das heißt: Es gibt praktisch nichts.“ Das Mülheimer Quartier werde dringend gebraucht.

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