Nazi-Urteil 1933Schau-Prozess nach Mord am Kölner Eigelstein

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Aussiss Westdeutscher Beobachter  vom 24. Juli 1933

Der Ausriss aus dem NS-Propagandablatt „Westdeutscher Beobachter“ aus dem Jahr 1933 präsentiert die  „Hauptschuldigen“.

Köln – Auge um Auge, Zahn um Zahn“, fordert der „Westdeutsche Beobachter“, die Propaganda-Zeitung des NSDAP-Gaus Köln-Aachen schon Tage vor der Urteilsverkündung. Das Schwurgericht am Appellhofplatz verurteilt am 21. Juli 1933 sechs junge Kommunisten zwischen 20 und 28 Jahren zum Tod: Sie sollen auf den Tag genau fünf Monate zuvor zwei SA-Leute im Eigelsteinviertel erschossen und einen weiteren SA-Mann verletzt haben.

„Nun wird den Bolschewisten der Prozess gemacht!“ – der „Westdeutsche Beobachter“ (WB) hetzt im Laufe der Verhandlungstage immer weiter gegen die Angeklagten. „Ganz Köln fordert strengste Sühne“, behauptet das Blatt in einer seiner Überschriften noch vor der Urteilsverkündung, wie der „Express“ und der „Kölner Stadt-Anzeiger“ recherchiert haben.

Was war passiert? Einige der Angeklagten sollen sich am Abend des 24. Februar 1933 im „Ohm Paul“, dem Stammlokal der Gruppe Köln-Nord des Rotfrontkämpferbunds (RFB) im Haus am Gereonswall 4, getroffen haben. Der RFB war ein paramilitärischer Kampfverband der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD).

Hansaplatz und Eintrachtstraße umbenannt

Nach dieser „Volksversammlung“, so schreibt es der WB, sollen die Angeklagten, allesamt Mitglieder des RFB, die SA-Leute Walter Spangenberg und Winand Winterberg gegen 22.30 Uhr auf ihrem Heimweg am Hansaplatz heimtückisch erschossen haben. Nach dem Tod der beiden SA-Männer nimmt die Polizei eine Reihe von Kommunisten fest. Die Staatsanwaltschaft – seit Mai 1933 sind fast alle Mitglieder des NS-Juristenbundes und der NSDAP – erhebt Anklage gegen insgesamt 17 Beschuldigte.

Unterdessen nutzt die NSDAP auch die Beerdigung von Spangenberg und Winterberg zu Propagandazwecken. Zur Bestattung kommt einige Parteiprominenz wie Polizeipräsident Walter Lingens und Regierungspräsident Hans Elfgen. Später wird noch der Hansaplatz am Hansaring in Spangenbergplatz, die nicht weit davon entfernte Eintrachtstraße in Winterbergstraße umbenannt. Beide Namensänderungen werden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder zurückgenommen.

Bei Prozessbeginn am 17. Juli 1933 waren die Machtübernahme der Nazis und die Gleichschaltung auf fast allen gesellschaftspolitischen Ebenen so gut wie abgeschlossen. Die Gewerkschaften waren in die Deutsche Arbeitsfront überführt, die Parteien, zuallererst die KPD, waren zerschlagen worden, hatten sich selbst aufgelöst oder waren verboten worden, wie die SPD am 22. Juni. Als letzte demokratische Partei hatte das Zentrum am 5. Juli das Handtuch geworfen. Und als Abschluss dieser Entwicklung war am 14. Juli 1933 das „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ erlassen worden, das die NSDAP zur einzigen legalen Partei in Deutschland deklarierte.

Todesurteile nach fünf Tagen

Das Schwurgericht am Appellhofplatz ist mit einer Hundertschaft der Polizei gesichert. Die Verhandlung stilisieren die Nazis zu einem öffentlichen Schauprozess: „Heute Beginn des KPD-Mordprozesses in Köln“, lautet die Schlagzeile des WB. Im Innenteil des Blattes ist zu lesen: „Ihr seid nicht umsonst gefallen, Kameraden ...“ In der Loge des Gerichts sitzen neben Gauleiter Josef Grohé und seinem Stellvertreter Richard Schaller der von den Nazis als Nachfolger Konrad Adenauers eingesetzte Oberbürgermeister Günther Riesen und Polizeipräsident Walter Linges, ein Nationalkonservativer, der weitgehend die Politik der Nationalsozialisten umsetzt.

Die „Kölnische Zeitung“ und die „Kölnische Volkszeitung“ zitieren während der Verhandlungstage aus Behördenschriften, in redaktionellen Beiträgen sprechen sie von „blutigen Zwischenfällen“ oder der „KPD-Bluttat“. Im „Westdeutschen Beobachter“ hingegen ist von einem „roten Meuchelmord“ und einem „feigem Mordüberfall“ die Rede. Die mutmaßlichen Täter nennt man dort „rote Untermenschen“, die Opfer Spangenberg und Winterberg „Märtyrer“: „Sie fielen im Kampfe um Deutschlands Erneuerung und in der Gewissheit des baldigen Endsieges. Helden der braunen Armee, wir vergessen Euch nicht!“

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Der Prozess ist auf zehn Tage angesetzt. Er endet jedoch bereits nach fünf Tagen, am 21. Juli, abends gegen 22 Uhr. Landgerichtsdirektor Oskar Trümper verkündet das Urteil: Gegen fünf der Angeklagten, Mathias Josef Moritz (20), Otto Waeser (21), Hermann Hamacher (22), Heinrich Horsch (24) und Bernhard Willms (25) wird wegen Mordes das Todesurteil ausgesprochen. Josef Engel (28) wird wegen Anstiftung zum Mord in zwei Fällen zweimal zum Tode verurteilt.

Messe für die Toten in St. Ursula

Alle übrigen Angeklagten, darunter auch Arthur Nieswandt und Josef Mundorf, müssen zehn bis 15 Jahre ins Zuchthaus , in dem der Arrest besonders streng war, oder neun Monate bis achteinhalb Jahre ins Gefängnis. Das Gericht befürwortet ausdrücklich die Begnadigung der zum Tode Verurteilten und die Umwandlung der Todesurteile in lebenslange Zuchthausstrafen. In ähnlichen Fällen sei auch so verfahren worden.

„Die roten Mordgesellen, die unsere Kameraden feige aus dem Hinterhalt niederknallten, werden ihr scheußliches Verbrechen mit dem Tode büßen müssen“, kommentierte WB-Chefredakteur Toni Winkelnkemper, „wuchtig und schwer liegt der eiserne Ordnungswille der nationalsozialistischen Bewegung über unserem Volk.“

Die Revision der Angeklagten wird verworfen. Hermann Göring lehnt als preußischer Ministerpräsident auch die Gnadengesuche ab. Auf seine Anordnung werden die sechs Verurteilen am 30. November 1933 nicht, wie damals üblich, mit dem Fallbeil, sondern mit dem Handbeil hingerichtet. Am Tag der Hinrichtung kam es in einigen Stadtvierteln zu Protesten, in St. Ursula wurde gar eine Messe für die Toten gelesen – der Priester wurde sofort verhaftet. (red, mit cd) 

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