Oberkellner in Kölner NobelhotelDieser Mann arbeitet seit 41 Jahren an Weihnachten

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Franz-Georg van Hall Oberkellner Hanse-Stube Worring

Franz-Georg van Hall, Oberkellner in der Hanse-Stube

  • Franz-Georg van Hall arbeitet seit seiner Lehre im Excelsior Hotel Ernst am Kölner Dom.
  • Als Oberkellner im Restaurant Hanse-Stube ist ihm ein Weihnachtsfest im Familienkreis fremd.
  • Wir haben ihn gefragt, was er machen würde, wenn er an den Feiertagen einmal frei hätte.

Köln – Herr van Hall, was bedeutet Weihnachten für Sie?

Weihnachten war für mich in der Kindheit immer ein schönes Fest, weil die Familie zusammenkam. Ich hatte drei Geschwister, und mit den Eltern war das ein sehr schönes geselliges Beisammensein. Mit dem Einstieg in den Beruf fiel das dann von heute auf morgen flach. Bereits seit 41 Jahren habe ich nun immer Weihnachten gearbeitet.

Sie haben also eine Lehre gemacht?

Ich habe hier im Haus drei Jahre lang eine Ausbildung zum Kellner gemacht. Heute heißt das Restaurantfachmann. Seitdem gehört arbeiten an Feiertagen dazu.

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Wie sind Sie vom Niederrhein nach Köln gekommen?

Meine beiden älteren Brüder arbeiteten in der Gastronomie, einer in Köln. Die hatten immer Geld in der Tasche. Ich bin mit meiner Mutter nach Köln gefahren, 1978, und beim Arbeitsamt haben sie gesagt, im Excelsior Hotel Ernst werden noch Auszubildende gesucht. Am 1. September habe ich dann angefangen, mit 16. Die Ausbildung ist manchmal hart, aber sehr solide. Wer hier gelernt hat, hat eine Grundlage fürs Leben. Ich habe im Rahmen dessen dann alle Abteilungen durchlaufen: Frühstück, Bankett, Bar, Etagenservice, die Hanse-Stube natürlich auch. Da hat es mir am besten gefallen, da bin ich geblieben. Und der Niederrhein ist gastronomisch im Fünf-Sterne-Bereich ja eher schwach bestückt.

Und wenn man einmal an den Fünf Sternen geschnuppert hat, will man auch nichts anderes mehr?

Mein alter Chef, Romain Witt, hat immer gesagt: „Wer einmal im Dom gepredigt hat, will nicht mehr in die Kapelle.“

Gans Gänsebraten Excelsior Hotel Hanse-Stube

Gänsebraten

Wie ist das, wenn man als Stift in so einem feinen Laden anfängt?

Erstmal ein Kulturschock. Ich bin auf dem Land zwischen zwei Bauernhöfen, einer Schreinerei und einem Hühnerhof aufgewachsen, und dann kommst du in die Millionenstadt. Im ersten Jahr war das schwierig, ich hatte auch Heimweh. Aber mein Bruder und seine Frau haben sich um mich gekümmert. Und dann lernt man Leute kennen, gerade hier im Hotel, und akklimatisiert sich. Von da an hat es mir gut gefallen.

Aber mit 16 immer in Schlips und Kragen?

Das war ja von vorneherein klar: Dass man uniformiert ist, und dass man nicht jedes Wochenende frei hat und auch an Feiertagen arbeitet. Also auch Weihnachten.

Für viele Menschen ist aber gerade der Heiligabend zumindest im familiären Sinne heilig...

Das ist richtig. Anfangs konnte ich Heiligabend auch zu Hause verbringen, war aber immer schon unruhig, weil ich wusste, am nächsten Tag ist Remmidemmi. Da war ich in Gedanken schon wieder im Hotel. Das muss man abhaken. Ich kann da gut mit leben.

Seit 1995 hat die Hanse-Stube auch Heiligabend geöffnet. Haben sie ein Ersatz-Weihnachten?

Nein. Wann sollte das sein? Nach Weihnachten kommt Silvester, da ist wieder viel los.

Haben Sie Familie?

Ja, ich bin verheiratet und lebe mit meiner Frau im Sauerland. Für die ist das natürlich schwieriger, aber sie hat eine große Familie, und die treffen sich reihum, so dass sie nicht alleine ist.

Und mit wem feiern Sie?

Meinen privaten Heiligabend habe ich hier mit den Kollegen, das ist doch unsere Excelsior-Familie. Und mit den Gästen natürlich, an diesen Tagen kennt man viele sehr gut. Es kommen hauptsächlich Menschen aus Köln und Umgebung in die Hanse-Stube. Ältere Ehepaare, die nicht allein zuhause sein wollen. Viele Stammgäste. Die machen sich einen gemütlichen Abend und gehen anschließend in die Christmette in den Dom. Das ist dann ein sehr angenehmes Arbeiten, dank der einheitlichen Menüs ist der Stressfaktor geringer. Man hat mehr Zeit, um auch mal ein nettes Gespräch zu führen. Es gibt auch die eine oder andere Aufmerksamkeit von den Gästen. Nach Feierabend wird dann noch mit den Kollegen gewichtelt. Dann fährt man nach Hause, schläft, und am nächsten Morgen geht’s weiter.

Was ist denn die Hanse-Stube für Köln?

Wir sind die gute Stube Kölns. Vom räumlichen, von der Architektur ist das wie ein Wohnzimmer. Es mag bessere Restaurants hier geben, aber keines ist so gemütlich. Wir haben eine sehr persönliche Atmosphäre, 75 Prozent der Gäste sind Stammgäste. Da sind auch schon Freundschaften entstanden. Gänseessen in der Hanse-Stube ist für viele eine Tradition seit Generationen, ein familiärer Pflichttermin.

Etikette spielt hier im Haus eine große Rolle. Was ist da besonders wichtig?

Zuerst Diskretion. Hier gibt es viele Geschäftstermine. Auch, weil hier zwischen den Tischen viel Platz ist. Es soll ja nicht gleich ganz Köln wissen, worüber gesprochen wird. Dann ist das optische Auftreten des Personals wichtig, also „wie aus dem Ei gepellt“ müssen wir schon aussehen. Und entsprechende Umgangsformen zeigen. Sprachkenntnisse sind wichtig, weil wir viele internationale Gäste haben. Ich spreche fließend Englisch, ein bisschen Französisch, und, dank der italienischen Kollegen, so Italienisch, dass ich mich zumindest mit Gästen über die Karte unterhalten kann.

Sind die Umgangsformen Teil der Lehre?

In Grundzügen ja, aber man braucht natürlich auch Fingerspitzengefühl, das bringt die Erfahrung. Trotzdem passieren Fauxpas. Ich habe mal eine Stammkundin freundlich nach ihrem Mann gefragt – was ich nicht wusste: Der war vor einem halben Jahr gestorben. Das ist natürlich peinlich. Wenn man sich gut kennt, wird einem das aber Gott sei Dank nicht übel genommen.

Sie servieren immer noch mit Deckel auf dem Teller – ist das nicht aus der Zeit gefallen?

Das hat ja auch praktische Gründe. Bei uns ist der Weg zur Küche sehr weit. Das sind 30 bis 40 Meter bis zum Tisch. Eine Kollegin hatte mal einen Schrittzähler dabei, den hat sie nach 22.000 ausgestellt. Durch die Servierglocke, Cloche genannt, bleibt das Essen warm. Es hat aber auch diesen Aha-Effekt, wenn mehrere Kellner die Teller am Tisch einsetzen und dann gleichzeitig die Cloches hochnehmen.

Viele Gäste hier haben sehr viel Geld. Lässt man Sie das spüren?

Nein. Die begegnen mir auf Augenhöhe, sind meist bescheiden, freundlich und höflich. Sehr korrekt. Früher war das ausgeprägter. So ein typischer Patriarch hat einen schon spüren lassen, dass er Chef ist. Das ist heute anders. Das Familiäre hier gefällt mir, deswegen habe ich auch nie gewechselt.

Wie sieht es mit dem guten Benehmen der Gäste aus?

Nicht alle Gäste kennen heute ihren Knigge noch so gut, wie das vor Jahren einmal war. Ich würde sagen, da verändert sich teilweise was. Bei den Kölner Gästen ist es so, dass sie schon mit ihren Eltern und Großeltern hier waren, die kennen „ihre“ Hanse-Stube schon von klein auf und auch die Umgangsformen.

Sind Prominente anstrengend?

Anstrengend weniger, eher spannend. Es gäbe natürlich viel zu erzählen, aber Diskretion steht bei uns an erster Stelle.

Zurück zu Heiligabend. Geöffnet ist die Hanse Stube von 12 bis 14.30 Uhr und von 18 bis 22 Uhr.

Realistisch heißt das Arbeiten von elf bis ein Uhr nachts. Die Vor- und Nachbereitung ist mannigfaltig, das Weihnachtsmenü sehr aufwendig.

Stellen Sie sich vor, Sie hätten Weihnachten frei…

Gar nicht so einfach. Auf keinen Fall wegfahren, eher gemütlich zu Hause. Ich habe dieses Jahr zum ersten Mal seit Schulzeiten Silvester frei. Da koche ich für meine Frau. Sie ist allerdings aus dem Sauerland, da muss ich aufpassen: Die mögen längst nicht alles.

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