Odo Rumpf über sein Odonien„Die Nische für Subkultur wird kleiner“

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Odo Rumpf ist seit gut 13 Jahren Herr des Kunstorts Odonien,

  • Odo Rumpf ist seit gut 13 Jahren Herr des Kunstorts Odonien und hat ihn über die Grenzen Kölns bekannt gemacht.
  • Der 57-Jährige spricht im Interview über Maschinenkunst, das Festival Robodonien, die Wegwerfgesellschaft und seine Pläne für die Zukunft.

Herr Rumpf, von Freitag an laufen bei Ihnen auf dem Gelände wieder Metallskelette herum, speien Feuer oder machen Musik. Wie kam es zu der Idee des Roboterfestivals Robodonien?

Ich hatte in meiner künstlerischen Arbeit immer auch mit kinetischen Dingen zu tun. Science Fiction, das hat mich immer interessiert. Vor gut 15 Jahren gab es auf einer besetzten Werft in Amsterdam große Roboter-Kunst-Festivals, zu denen bin ich hingefahren. Was ich da gesehen habe, hat mich total beeindruckt.

Und dann dachten Sie: Mache ich einfach auch bei mir in Odonien?

Alles zum Thema Musik

Nicht ganz. Ich habe mit dem Leiter Kontakt aufgenommen und ihn gefragt, ob er nicht bei mir so ein Festival veranstalten will. Aber dem war das Gelände hier zu klein. Der Künstler Jim Whiting, einer der großen Pioniere in der Maschinenkunst, sagte dann zu mir: Lass uns das doch zusammen machen. Ich habe die Kontakte, Du das Gelände, passt. So haben wir das dann gemacht.

Die Veranstaltungen auf dem Gelände sind beliebt.

Die Veranstaltungen auf dem Gelände sind beliebt.

Komisch eigentlich. Feuerspeiende Metall-Dinosaurier sind eigentlich gute Fotomotive – und die Künstler geben außergewöhnliche Geschichten her.

Eigentlich schon, aber ich glaube, was wir angekündigt haben, klang erstmal zu exotisch. Kannte keiner, also blieben alle zögerlich. Es war erstmal ein Künstlertreff mit ein paar Neugierigen.

Zur Person

Odo Rumpf (57) hat an der RWTH Aachen Maschinenbau studiert und ist seit 1991 als Künstler tätig. Seit 2005 Jahren arbeitet er auf der Industriebrache an der Hornstraße gegenüber dem Bordell Pascha – weil er das Gelände des ehemaligen Bundesbahnausbesserungswerks in Nippes verlassen musste. Rumpf, der drei Kinder hat (zwei, sechs und 18) und in Leverkusen lebt, hat das Areal, auf dem sich „Künstler frei entfalten sollen“ Freistaat Odonien genannt – seinerzeit eine Antwort auf die kulturpolitische Situation in Köln.

In Odonien finden zahlreiche Veranstaltungen statt, so fast jedes Wochenende Technopartys, regelmäßig Flohmärkte, Konzerte und Kulturfestivals. Von Freitag, 14. September, bis Sonntag, 16. September, zeigen mehr als 25 Künstler ihre Installationen und -Performances beim zehnten Robodonien-Festival. (uk)

Eine Zusammenkunft von Leuten, die Lust am Bauen haben und keinen Gedanken an ein bürgerliches Leben verschwenden?

Ja, das war eine Ansammlung von extremen Individualisten, die nicht unbedingt auf unseren Planeten passen. Das ist es eigentlich immer noch. Odonien ist ja von Beginn an ein Ort für kulturellen Austausch gewesen, und Robodonien bietet eine besonders gegensätzliche und deswegen interessante Mischung von Künstlern.

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Odo Rumpf in Odonien – umgeben von Metall

Welcher Künstler fällt Ihnen da spontan ein?

Nehmen wir Yann Keller, der bislang auf jedem Festival war: Yann tüftelt jahrelang an einer rotierenden Kugel. Über die Bewegung der Kugel kreiert er völlig neue Sounds – Yann ist eigentlich Musiker, was er bei uns macht, ist eine Mischung aus Klang- und Objektkunst. Er kommt immer mit einem uralten Mercedes-Bus, da schüttet er dann unser altes Frittenfett rein, das er irgendwie filtert, um wieder nach Hause zu kommen...

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Ein Leben nach dem Prinzip: Alles für die Kunst...

Ja, und wehe, Du lachst darüber. Die Künstler sind alle sehr sensibel. Sie leben für ihre Kunst, und möchten ernst genommen werden. Gemein ist wohl allen, dass Geld ihnen nicht wichtig ist. Das ist letztlich natürlich eine politische Haltung.

Sind Sie selbst mit den Jahren, mit Familie und Firma, ein bürgerlicherer Künstler geworden?

Eigentlich nicht. So konnte ich immer freie neue Arbeiten kreieren ohne gedankliche Einschränkungen, diese auch verkaufen zu müssen. Auftraggeber für Skulpturenparks und öffentliche Plätze haben mir vertraut. Mittlerweile arbeite ich künstlerisch so frei, weil die Veranstaltungen in Odonien gut laufen.

Warum haben Sie angefangen mit kinetischen Installationen?

Als junger Mann habe ich Ingenieurwissenschaften studiert und wollte die Welt retten. Ich habe in den 80er Jahren über Bremssysteme nachgedacht, mit denen sich Energie zurückgewinnen lässt, und Solartechnik – ich habe ja 1995 den internationalen Solarkunstpreis für meinen Solarvogel bekommen. Energie sinnvoller nutzen, mit Ressourcen intelligenter umgehen, das wollte ich schon.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit heute für Ihre Kunst?

Das begleitet mein ganzes Leben. Es ist ja eigentlich ein Horror, wie wir leben, wir verbrauchen die Rohstoffe unserer Erde wie im Zeitraffer – und das wäre gar nicht nötig. Wir hatten mal einen Fernseher für ein Public Viewing hier gekauft, der war nach drei Jahren kaputt. Als ich ihn reparieren lassen wollte, sagten die mir im Geschäft, da gebe es keine Ersatzteile mehr für. Bei Handys ist es genauso. Alles ist aufs Wegwerfen ausgelegt. Ich komme gerade aus Amsterdam, da habe ich mit einem Freund an einem Cadillac von 1960 gearbeitet – so etwas tut mir gut. Ich habe gern Objekte mit Patina um mich herum. Allerdings kann ich meinen eigenen Wagen heute auch nicht mehr auseinanderbauen – viel zu kompliziert. Dass man viel zu viel Energie verbraucht und die Geräte, mit denen man hantiert, nicht versteht, verdrängt man, glaube ich.

Wo lässt sich Nachhaltigkeit im Alltag leben?

Ich versuche, die Kinder in die Richtung zu erziehen, bin aber nicht politisch aktiv. Im Studium war das natürlich anders. Mein Professor sagte uns an der Uni: Unsere Zukunft ist glänzend, China ist ein riesiger Markt. Ich bin in den 90ern durch China gefahren, da sind alle Rad gefahren, jetzt fährt da jeder Auto. Der Fortschritt frisst uns auf, wir finden keine Lösung – verdrängen und machen weiter.

Aber Sie haben als Künstler nicht mehr das Sendungsbewusstsein, die Welt zu verändern?

Doch, das schwingt noch ein bisschen mit. Alles, was sie hier auf dem Gelände sehen, ist gebraucht. Die Stühle, Tische, Gleise, das Holz und Metall. Odonien ist auch als Gesamtkunstwerk so etwas wie ein Gegenentwurf: Eine Industriebrache, die für Kultur genutzt wird.

Sie betreiben Odonien seit gut 13 Jahren, vor sechs Jahren stand das Gelände vor dem Aus – es ging um Feuerwehrausfahrten und die Größe von Veranstaltungen, zeitweise hat das Bauaufsichtsamt Odonien geschlossen. Wäre der Erhalt eines solchen Geländes heute noch denkbar?

Ich glaube eher nicht. Die Voraussetzung für eine Zulassung – zum Beispiel, um alte Hallen für Veranstaltungen zu nutzen – sind immer schwieriger zu erfüllen, wir haben das Thema Wohnungsnot, die Nische für Subkultur wird eher kleiner. Für die Kunst sind solche Industriebrachen überlebenswichtig – ich habe vor zwei Jahren noch so eine Nische gefunden, zwischen Mediapark und Stadtgarten, da will ich in den nächsten Jahren einen kleinen Skulpturenpark gestalten.

Sie sind ein Künstler, der seine Kunst nicht zu verkaufen braucht, der sogar anderen Künstlern eine Gage zahlen und Flächen für die Kunst erschließen kann. Ist das ein kleines Märchen, das wahrgeworden ist?

Es ist ein Privileg. Mein eigentlicher Glücksfall war das Ausbesserungswerk in Nippes, wo ich für 15 Jahre ein riesiges Atelier hatte und meine Solarinstallationen machen konnte. Das Odonien war der nächste Glücksfall – dass da Dutzende Veranstaltungen laufen, ich eine Firma gründe und so, das folgte alles keinem Plan. Mal zu sehen, was so kommt, und dann eine Idee aufzugreifen und zu verfolgen, das finde ich gut, das entspricht mir auch.

Es hätte also auch anders kommen können: Odo Rumpf als Maschinenbauer?

Ja, klar, ich hätte mir auch vorstellen können, als Baustellenleiter um die Welt zu reisen. Oder Bremssysteme zu entwickeln. Dass ich mal selbstständiger Künstler werde, hätte ich lange Zeit nicht gedacht.

Haben Sie irgendwann bereut, einen bestimmten Weg eingeschlagen zu sein? Als Künstler, oder auch als Odonien-Betreiber?

Als das Gelände vor dem Aus stand, war das eine schwierige Zeit. Meistens hatte ich aber Glück: In Aachen habe ich spottbillig in einer WG gelebt – als wir alle wegen Eigenbedarfs rausmussten, habe ich so viel Geld bekommen, dass ich lange reisen konnte. Ich habe Praktika im Ausland gemacht, zum Beispiel bei Renault – und gemerkt: Interessanter Job, aber langweilige Leute. Irgendwann kam ich auf experimentelle Filme, dann auf hochwertige Möbel aus Schrott, die in den 90ern irgendwann sehr angesagt waren – später aufs Odonien. Ohne das Areal hier und die Firma hätte ich mich noch intensiver der Kunst gewidmet. Aber ich habe einfach immer geguckt, wie es kommt, und dann einfach gemacht.

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