Olympia-Attentat 1972 in MünchenDieser Kölner verhandelte mit den Geiselnehmern

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Friedhelm Speck in seiner Wohnung in Urbach mit Fotoalben mit Bildern von den Olympischen Spielen 1972 in München.

Urbach/München – 1972 – die heiteren Spiele von München: Menschen aus allen Teilen der Welt, sportliche Höchstleitungen, ausgelassene Stimmung. Friedhelm Speck hat Fotoalben in seiner Wohnung in Urbach, die das dokumentieren. Ein Bild ist allerdings anders. Aufgenommen ist es im Olympischen Dorf an der Connollystraße 31. Blumenkränze sind abgelegt. Hier befindet sich das Apartment der israelischen Olympiamannschaft. Elf von ihnen werden von der Terrororganisation Schwarzer September als Geiseln genommen. Später sind sie tot. Genauso wie fünf Geiselnehmer und ein Polizist. Genau 50 Jahre ist das Olympia-Attentat, das frühmorgens am 5. September begann und sein Ende knapp 24 Stunden später in Fürstenfeldbruck nahm, nun her. „Es war sehr, sehr schlimm. Grauenvoll“, sagt der 87 Jahre alte Friedhelm Speck. Das Foto mit den Blumenkränzen aus seinem Album zeigt auch ihn selbst.

Speck war vor 50 Jahren vor Ort. Dienstlich. „Ich war Bereichsleiter Sicherheits- und Ordnungsdienst im Olympischen Dorf“, erzählt er. Für den Einsatz in München hat er sich beworben. Von seinem Posten als Leiter der Porzer Kripo wird er für ein Jahr freigestellt. Auch der GSV Porz, der Sportverein, den Speck mitbegründet und in verschiedenen Positionen aufgebaut hat, muss auf ihn verzichten. Als die Spiele beginnen ist Speck 37 Jahre alt.

Boxen, Schwimmen, Leichtathletik – wann immer es möglich ist, besucht Speck die Wettkämpfe. Möglich macht dies der Dreischichtbetrieb und sein „Generalschlüssel“. Ein roter Ausweis, der ihm Zugang zu allen olympischen Einrichtungen gewährt. Speck trifft Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Sportlerinnen und Sportler, alte Bekannte wie Dieter Büttner. Der Leichtathlet ging einst für den GSV Porz an den Start. Nun hatte er sich für die Olympischen Spiele, für den 400-Meter-Hürdenlauf qualifiziert. Friedhelm Speck trägt im Dienst weder Uniform noch Waffe. Dennoch ist er klar erkennbar: Weißes Hemd, Mütze sowie ein blau-türkiser Anzug. „Manchmal gab es auch Krawattenpflicht.“ Das zivile Auftreten ist gewollt.

Nach den letzten Olympischen Spielen in Deutschland im Jahr 1936, „wollte man jetzt keinen Polizeistaat initiieren oder sein“. Rund 300 Mitarbeiter sind Friedhelm Speck unterstellt. Darunter Kriminal- und Polizeibeamte, aber auch Wehrpflichtige des Bundesgrenzschutzes, die es damals gab. Speck spricht liebevoll von seinen „bayerischen Holzfällern“. An jeder Ecke im Olympischen Dorf habe es einen Ein- und Ausgang gegeben, sagt Friedhelm Speck. „Um die zu überwachen, hätte ich doppelt so viele Leute gebraucht.“ Deswegen habe er das Ganze auf mehr oder weniger drei Hauptein und -ausgänge beschränkt. Um das Dorf selbst hat es einen Wall gegeben. Unterhalb davon einen Zaun. „Das hat man falsch gemacht“, sagt Speck. Damit niemand einsteigen konnte, hätte der Zaun seiner Meinung nach auf den Wall gemusst. „Doch es hieß nur: ,Wir wollen kein Gefängnis.“

Am Morgen des 5. September 1972, es ist kurz nach 4 Uhr, gelangen acht Mitglieder der palästinensischen Terrororganisation Schwarzer September über den Zaun bei Tor 25A ins Olympische Dorf. Friedhelm Speck ist zu dem Zeitpunkt in der Bayern-kaserne. Sein Dienst ging tags zuvor bis 22 Uhr. Als er informiert wird, ist sein Dienstauto mitsamt Kollegen schon weg. „Ich musste mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Einsatz kommen.“

Speck will mit den Geiselnehmern verhandeln. Als der Verhandlungsführer vor ihm steht, ist Speck geschockt. „Er war der Leiter der Milchbar gewesen. Mit ihm hatte ich verhandelt, dass meine Leute umsonst Joghurt, Milch und Kakao bekommen.“ Während Friedhelm Speck darüber spricht, stockt er: „Ich habe seinen Namen Gott sei Dank vergessen.“ Sollte er ihm jedoch irgendwann wieder einfallen, „werde ich ihn nie wieder erwähnen“. Die Terroristen verlangen den damaligen Innenminister Hans-Dietrich Genscher. Ihr Ziel: Gesinnungsgenossen freizupressen. Im Hintergrund laufen polizeiliche Vorkehrungen. Die hinzugezogenen Beamten, als Sportler „getarnt“, trugen aber die gleichen grünen Anzüge wie die Täter. „Damit wir uns untereinander erkennen konnten, habe ich mit Adidas verhandelt“, sagt Speck. Danach wurden bunte Trainingsanzüge verteilt. In die späteren Entwicklungen ist Speck nicht mehr involviert. Die Geschichte nimmt ihren Lauf. Am Ende sind 17 Menschen tot. „Alles war ausgerichtet auf lustige, freundliche Spiele und dann das“, sagt Speck. Die Spiele werden kurz unterbrochen, später fortgeführt. Das sorgt für Kritik. Speck sieht das anders: „Es war richtig und das einzig mögliche, um über diese Dinge hinwegzukommen.“ Lust auf die Spiele hat Friedhelm Speck aber dennoch nicht mehr wirklich.

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Wie die, geht auch Specks Einsatz vor Ort weiter. Im Oktober 1972 geht es zurück nach Porz. Normalität? „Man versucht es.“ Im Olympischen Dorf ist Friedhelm Speck seitdem nie wieder gewesen.

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