Zehn Jahre „Wir schaffen das“: Dr. Reem Aziz-Heiloun hat sich in Köln ein neues Leben aufgebaut. Einfach war das für sie nicht am Anfang.
Pathologin kam aus Syrien„Ich habe meinen Mann im Kölner Karneval kennengelernt“

Dr. Reem Aziz-Heiloun hat sich in Köln ein Leben aufgebaut.
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Es tobte schon der Krieg in Syrien, als ich Medizinstudentin in Damaskus war. Viele Oberärzte waren schon weg, ich war enttäuscht, schließlich wollte ich etwas lernen. Deshalb habe ich mich für meine Sicherheit und für meine Karriere entschieden und habe mich an der Charité in Berlin beworben. Ich bin schließlich an die Uniklinik Köln gewechselt und habe dort meine Doktorarbeit geschrieben und meine Facharztausbildung in der Pathologie abgeschlossen.
„Ich wusste nicht, wie man eine Bahnkarte abonnieren kann - in Syrien gibt es schließlich keine Bahn“
Am Anfang war es gar nicht einfach. Ich konnte die Sprache nicht gut sprechen, wusste nicht einmal, wie man eine monatliche Bahnkarte abonnieren kann - in Syrien gibt es schließlich keine Bahn.
Auch in der Klinik war ich manchmal unsicher, ob jetzt jemand einen Witz gemacht hat, oder ob es ernst gemeint war. Ich hatte außerdem Angst, dass ich mit dem Mietvertrag Dinge unterschreibe, die ich gar nicht richtig verstehen kann. Wobei ich erst auch Schwierigkeiten hatte, eine Wohnung zu finden. Eine Vermieterin hat mir offen gesagt, dass sie lieber eine Deutsche haben will.
„Eine Vermieterin hat mir offen gesagt, dass sie lieber eine Deutsche haben will“
Aber ich habe mich nicht unterkriegen lassen. Ich habe klare Ziele und habe einen Schritt nach dem anderen absolviert. Heute bin ich verheiratet, meinen Mann habe ich im Karneval kennengelernt – er war zu der Zeit Masterstudent der Automatisierungstechnik und hatte sich als Seemann verkleidet, ich trug ein Schmetterlingskostüm. Außerdem habe ich mittlerweile auch deutsche Freunde.
Ich bin zufrieden, alles ist stabil. Wenn ich mein heutiges Ich von vor zehn Jahren treffen könnte, dann würde ich ihm sagen: Halte durch! Die schweren Zeiten gehen vorbei. Und von den Deutschen würde ich mir wünschen, dass sie nicht alle in eine Schublade stecken, egal welcher Nationalität.
Viele Syrer liegen nicht auf der faulen Haut, sie beziehen kein Bürgergeld. Wir sind wie alle anderen auch. Genauso faul, genauso fleißig. Was ich richtig gut an Deutschland finde ist, dass hier alles geplant wird. Man überlegt ein Jahr vorher, wo man in den Urlaub hinfahren will, man vereinbart, wann man seine Freunde besucht. In Syrien passiert das meistens spontan. Aber irgendwie finde ich dieses Organisierte mittlerweile sehr gut.
Dr. Reem Aziz-Heiloun, 35 Jahre