„Rasen ist wie eine Sucht“Kölner Polizei kontrolliert Hotspots der Poserszene

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Polizeibeamte, die einen männlichen Fahrer und seine weibliche Mitfahrerin in einem schwarzen Wagen in einem Tunnel kontrollieren

Die Polizei Köln kontrolliert Raser im Rheinufertunnel.

Der Automobilclub Köln hat zum „Car-Freitag“ mit Unterstützung der Polizei Köln eine Online-Kampagne gegen Raser gestartet.

Rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr führt immer wieder zu Verletzten und Todesopfern. Zwölf Menschen sind 2022 in Nordrhein-Westfalen im Zusammenhang mit Raser-Unfällen ums Leben gekommen – ein trauriger Rekord innerhalb der vergangenen Jahre. Die Polizei Köln hat im vergangenen Jahr insgesamt 217 illegale Rennen registriert – bei 56 davon ist es auch zu Verkehrsunfällen gekommen.

170 illegal getunte Fahrzeuge haben die Beamten 2022 in Köln sichergestellt, in 255 Fällen hat die Polizei Fahren ohne Fahrerlaubnis zur Anzeige gebracht. Alle Werte zeigen eine Steigerung im Vergleich zum Jahr davor. Eine Besorgnis erregende Entwicklung, die den „Automobil-Club Verkehr“ (ACV) veranlasst hat, eine neue Kampagne mit dem Titel „#rasenkicktanders“ zu starten, die vor allem junge Menschen über die Gefahren aufklären und für das Thema sensibilisieren will.

„Die Online-Kampagne wird zum Karfreitag, 7. April, starten, ein Datum, das in der Poser- und Raserszene vielerorts als sogenannter Car-Freitag inszeniert wird“, sagt Gerrit Reichel,Verkehrspolitischer Sprecher beim ACV. Die Polizei NRW unterstützt die Aktion, denn als Reaktion auf eine ganze Reihe solcher Unfälle mit Getöteten hat der Gesetzgeber im Jahr 2017 den Paragraph 315d im Strafgesetzbuch eingeführt. Der definiert, was ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen ist.

„Car-Freitag“ in Köln: Ex-Raser fordert mehr Polizeipräsenz auf den Straßen

Die Beamten verfolgen den so definierten Straftatbestand in Köln unter anderem mit der eigens dafür gegründeten „Soko Rennen“. Das Ziel ist, Fahrern, die „mit nicht angepasster Geschwindigkeit“ am Straßenverkehr teilnehmen, „um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“, wie es in juristischer Fachsprache heißt, zu stoppen. „Mit der Sondereinheit haben wir hier gute Erfahrungen gemacht“, sagt Polizeihauptkommissar Ernst Klein.

„Nicht zuletzt durch unsere Präsenz haben sich viele ehemalige Hotspots in der Stadt positiv entwickelt und in der Szene ist angekommen, dass hier keine illegalen Rennen geduldet werden“, sagt der Leiter der Verkehrsinspektion 1 im Polizeipräsidium Köln.

Das Problem dürfe allerdings nicht nur vorrangig verlagert werden, statt es grundsätzlich zu beheben, sagt Szene-Kenner Nico Klassen. Er ist selbst ein ehemaliger „Raser“ und will mit seinem Wissen beratend zur Seite stehen, um die tragischen Unfälle – von denen er selbst auch einen erlebt hat – künftig zu verhindern. „Härtere Strafen bringen kaum etwas, denn Rasen ist für viele wie eine Sucht“, sagt Klassen. Der Präsenzdruck auf den Straßen müsste massiv und flächendeckend erhöht werden, um effizient abzuschrecken. Das könne aber kaum eine Polizeibehörde in irgendeiner Stadt leisten.

Polizei Köln kündigt vermehrte Kontrollen am „Car-Freitag“ an

Ob an der Nordschleife, am Auenweg in Deutz, oder an anderen einschlägig bei der Polizei bekannten Orten Kölns: Die Beamten werden am „Car-Freitag“ vielerorts und aufmerksam unterwegs sein, kündigt Polizeihauptkommissar Klein an. Unterstützend dazu soll bei der Kampagne des ACV vor allem Prävention im Vordergrund stehen.

Die Aktion richtet sich an junge Menschen zwischen zwölf und 20 Jahren und besteht im Kern aus emotionalen Videos, die der Automobil-Club im Rahmen verschiedener Social-Media-Aktionen verbreitet. Die Kurzclips beginnen mit guter Laune und Freude am Autofahren – bis die Stimmung kippt und mit einem Schockmoment endet.

Viel schlimmer als materielle Schäden wiegt das menschliche Leid, wenn dabei Menschen verletzt oder sogar getötet werden.
Gerrit Reichel, Pressesprecher von ACV

„Mit unserer Kampagne wollen wir erreichen, dass potenzielle Täter von morgen ein Problembewusstsein für die schrecklichen Folgen entwickeln und ihr Verhalten ändern“, sagt ACV-Geschäftsführer Holger Küster. Auf eine Botschaft mit erhobenem Zeigefinger verzichten die Videos bewusst. Die Zuschauer sollen die Gefahren verbotener Kfz-Rennen selbst erkennen.

Projekt wird von mehreren Verbänden und Initiativen unterstützt

In Kooperation mit dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat und unter Schirmherrschaft der Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland sind so Verbände und Initiativen Teil des Projekts, die sicherstellen wollen, dass breite Expertise und alle wichtigen Facetten des Themas mitgedacht sind, sagen die Initiatoren. Jeder Verkehrsunfall sei einer zu viel.

„Viel schlimmer als materielle Schäden wiegt das menschliche Leid, wenn dabei Menschen verletzt oder sogar getötet werden“, sagt Gerrit Reichel. Besonders betroffen – und wütend – machten Unfälle durch ein beabsichtigtes Fehlverhalten. Als Verkehrs- und Mobilitätsverein wolle der ACV so seiner Verantwortung gerecht werden und einen Beitrag dazu leisten, das Problem effektiv einzudämmen.

Weitere Informationen sowie die Videos der Kampagne sind auf den Internetseiten des ACV zu finden. 

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