Poll – Das Leben erscheint nicht gerecht, und ein Sinn ist in manchen seiner Wendungen nicht zu erkennen. Ganz besonders nicht, wenn ein Mensch am Heiligen Abend auf dem Weg zur Weihnachtsfeier auf der Autobahn mit seinem Wagen in ein vor ihm von der Fahrbahn abgekommenes Fahrzeug prallt und weitere sieben Autos auffahren.
Künstlerin Ursula Knorr war auf der Stelle tot, und seitdem trauern ihr Mann Norbert, ihre Verwandten und Freunde und viele Künstlerkollegen. Letztere haben bereits am Tage der Trauerfeier auf dem Südfriedhof aus ihrer tiefen Betroffenheit eine ebenso besondere wie naheliegende Idee entwickelt.
So sollen Ursula Knorrs stets farbsatte Gemälde am kommenden Wochenende in einer Erinnerungsaustellung im Quartier am Hafen gezeigt werden. So auch ihre letzten Werke, die noch zum Trocknen auf dem Boden ihres Ateliers lagen, einer ehemaligen Backstube in der Vorgebirgstraße. Dazu werden mehr als sechzig befreundete Künstlerkollegen auf der gegenüberliegen Wand jeweils ein eigenes Werk präsentieren.
Als Referenz, als Erinnerung, als Ehrung und im Geiste einer gemeinschaftlichen Verbundenheit, die auch nach dem Tod eines Menschen nicht aufhören soll. Während der zwei Tage dauernden Präsentation soll es in ungezwungener Weise außerdem Auftritte von Musikern, Reden, Lesungen und öffentliche Diskussionen geben. Nicht zuletzt das Gespräch darüber, wie das Werk eines Künstlers im öffentliche Bewusstsein lebendig gehalten werden kann, dessen Arbeiten zu Lebzeiten nicht ins Museen und in eine dauerhafte Galerievertretung gekommen sind. Viele Künstler beschäftigt diese Frage.
Und tatsächlich zeigen die vergangenen Jahrzehnte, wie rasch viele zu Lebzeiten in der Kölner Kulturszene bekannte Maler, Bildhauer, Zeichner, Fotografen nach ihrem Tod in Vergessenheit gerieten. So ist die Ursula Knorr gewidmete Ausstellung denn auch zugleich als ein Zeichen der notwendigen Zusammenarbeit und Solidarität unter künstlerisch tätigen Menschen zu begreifen, die in aller Regel geneigt sind, das eigene Kreativuniversum für die Welt zu halten.
Urusula Knorr machte vor, was Neugier und Interesse für die Arbeit anderer Kunstschaffender bedeutet. Ihre freie Malerei, die die 1964 in Bergisch Gladbach geborene Malerin an der Nationalen Hochschule der schönen Künste in Paris und vor allem in den 1980er-Jahren an der Kölner Fachhochschule für Kunst und Design erlernte, war das eine. Darüber hinaus absolvierte sie eine Ausbildung zur Kunsttherapeutin an der Heilpädagogischen Fakultät der Universität zu Köln und half danach mit einer vollen Arbeitsstelle kranken und behinderten Menschen, wie sich mit Pinsel und Farben ein in die Enge geratenes Leben weiten und beflügeln lässt. Weil sie über die Kunst hinaus ein Faible für handfeste Tätigkeiten besaß, erlernte sie mit dem Abschluss einer Gesellin das Handwerk des Webens.
Ein riesiger Webstuhl in ihren gemeinsam mit Ehemann Norbert Küpper geteilten Arbeitsräumen sorgte jedes Jahr zu den Offenen Ateliers zu einem bewundernden Staunen der Besucher. So machte Knorr stets sichtbar, dass sich eine kleine Körperstatue und körperlich anstrengende Kreativtätigkeit ebenso wenig ausschließen wie die intellektuell-philosophische Dimension der Kunst und ihre praktische Anwendung als Lebenshilfe. Mit ihrem spartenübergreifenden Denken folgte sie nicht zuletzt ihrem Vater, einem hervorragenden Pädagogen und Pionier der nordrhein-westfälischen Gesamtschulentwicklung. Und dazu gehörte auch ihr Engagement als Betriebratsvorsitzende. Denn so sehr der Mensch in der Kunst einen individuellen Ausdruck sucht, ist er zugleich ein soziales Wesen, das sich aktiv im gesellschaftlichen Prozess einmischen sollte. Die Prägung im sozialdemokratischen Milieu haben ihr Leben ebenso bestimmt wie der Aufenthalt in Paris als Au-pair-Kraft nach dem Abitur und zahlreiche Reisen nach Italien.
Für ihre künstlerische Entwicklung waren dabei besonders entscheidend die zehn Monate eines Gastaufenthalts in der Villa Romana in Florenz im Jahr 1993. Sie war dort gemeinsam mit Ehemann Norbert, gleichfalls ein leidenschaftlicher Maler, den sie im Studium in der Klasse ihres gemeinsamen Professors Dieter Kraemer kennengelernt hatte. Mit ihm fuhr sie immer wieder nach Italien. Zuletzt bevorzugt nach Sizilien, wo die Feigenkakteen wachsen, die in den letzten Jahren zu einem ihrer bevorzugten Bildmotive wurden. Farbleuchtend und doch mit dunklen Schatten, in vertrauten Formen und zugleich unheimlich setzte sie diese skurrilen Pflanzen in vielfach verschlungenen Kompositionen ins Bild. Es besteht keine Zweifel daran, dass diese Gemälde unsere seelischen Befindlichkeiten ebenso zum Ausdruck bringen wie sie zeigen, dass wir Menschen für immer unweigerlich mit der Natur verbunden bleiben, aus der wir kommen. Die Ausstellung, die für zwei Tage im Quartier am Hafen zu sehen ist, erinnert an einen wunderbaren Menschen und eine eigenwillige Künstlerin. Da die Veranstaltung keinen langen Vorlauf hatte, bleibt zu wünschen, dass auf dem Wege des Weitersagens viele Besucher ins Quartier am Hafen geführt werden.
Quartier am Hafen, Ausstellungsraum Q18, Poller Kirchweg 78, geöffnet, Sa 13.2. 15-22 Uhr, So 12-17 Uhr