RäucherfigurenMadlen und Sven bringen Weihnachtsbrauch aus dem Erzgebirge nach Köln

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Sven Reichelt und Madlen Kazmierczak.

Köln – „Wo kommt denn jetzt das Räucherstäbchen rein?" Diese Frage hören Madlen Kazmierczak und Sven Reichelt von ihrer rheinländischen Kundschaft durchaus öfter. Was für die beiden gebürtigen Sachsen zu Weihnachten gehört, wie ein Tannenbaum oder Kartoffelsalat mit Würstchen, ist den Kölnerinnen und Kölnern völlig fremd - bis jetzt zumindest.

Unter dem Label „Erz & Mountain" haben die beiden Wahlkölner ihre Kindheitserinnungen aus dem Erzgebirge in die Wohnzimmer der Kölner gebracht. Angefangen hat alles in der Weihnachtszeit. „In Sachsen ist es Tradition, dass Kinder die Räuchermännchen von ihren Eltern oder Großeltern geschenkt bekommen", sagt Kazmierczak. Diese werden dann in den eigenen vier Wänden aufgestellt und sorgen durch den Räuchereffekt für gemütliche und festliche Stimmung.

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Gefräste und gedrehte Oberteile einer Figur.

„Unsere Kölner Freunde fanden das erstmal seltsam, weil die traditionellen Figuren schon sehr altmodisch aussehen", berichtet Reichelt. Es gebe zwar neuartige Ansätze bei der sächsischen Holzkunst, für den Geschmack der beiden allerdings zu verspielt. So entschlossen sie sich, die Gestaltung selbst in die Hand zu nehmen. Orientiert haben sich Kazmierczak und Reichelt an einer Pfeffermühle, die sie bei einer Reise ins dänische Aarhus entdeckt haben. „Das entsprach dann unseren Design-Vorstellungen. Reduziert und clean, in dieser Form gab es die Räucherfiguren einfach nicht", sagt die 35-Jährige. Im März dieses Jahres starteten sie dann mit fünf Grundfiguren.

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Der Räucherberg.

Kein leichtes Unterfangen für die berufstätigen jungen Eltern. Über Bekannte wurde der Kontakt zu einer Leipziger Designerin hergestellt. „Ihr mussten wir das zum Glück gar nicht groß erklären", so Reichelt. Anschließend wurden Prototypen mit einem 3D-Drucker erstellt. „Das war schon heikel, weil der Kamineffekt auch funktionieren muss. Bei vielen Räucherfiguren klappt das nämlich nicht einwandfrei", sagt der 40-Jährige.

Dann musste eine geeignete Schreinerei gefunden werden, die in einem fein drechseln und fräsen kann. Für Kazmierczak und Reichelt die schwierigste Phase bei der Entwicklung der Figuren: „Unser Gedanke war ein regionales Unternehmen zu finden, aber wir haben wochenlang nur Absagen kassiert." Fündig wurden sie schließlich in Seiffen im Erzgebirge, der Ort mit Deutschlands einziger Holzspielzeugmacher- und Drechselschule.

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Der Räucherbergmann.

Schließlich wurden sie bei einem Familienunternehmen fündig, welches nachhaltig und in Handarbeit produziert. Reichelt ist sogar für zwei Wochen dorthin gefahren, um in Form eines Praktikums bei der Herstellung der eigenen Figuren mitzuarbeiten. „Die können dir vor Ort wirklich sagen, wo jeder Baum gestanden hat, der gerade verarbeitet wird", berichtet er.

Für jeden Arbeitsschritt ein eigenes Werkzeug

Problematisch sei es gewesen, das Unterfangen wirtschaftlich zu gestalten. Die Figuren seien so fein, dass für jeden Arbeitsschritt extra Werkzeug hergestellt werden musste. Das habe mehrere Wochen gedauert und allein rund 3000 Euro gekostet. Danach wurde jedes Teil mehrmals geschliffen und geölt. Anhand der Stückzahl wurde dann der einzelne Preis pro Figur und die Machbarkeit des gesamten Projekts errechnet. „Für 150 Stück hätte sich das definitiv nicht gelohnt", berichten beide.

Um alles zu finanzieren, starteten die beiden Jungunternehmer eine Crowdfunding-Aktion. Für Kazmierczak eine große Verantwortung: „Im Prinzip handelt es sich dabei ja um eine Vorbestellung, aber wir wussten ja in dem Moment noch gar nicht, ob die Figuren fertig werden und wenn ja, ob sie auch so werden, wie wir uns das vorstellen."

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Letztlich haben 109 Unterstützerinnen und Unterstützer eine Bestellung aufgegeben und den beiden damit zur Verwirklichung ihres Projekts verholfen. Jede einzelne davon wurde in den vergangenen Tagen von  Kazmierczak und Reichelt in ihrer Wohnung im Agnesviertel verpackt und auf die Reise geschickt, damit sie pünktlich zu Weihnachten eintreffen. Es kamen Bestellungen aus Köln, aber es melden sich auch immer mehr Menschen aus Sachsen. Die Neuinterpretation des Räuchermannes kommt offenbar auch dort gut an.

Aktuell erhalte man täglich Bestellungen über die Homepage. „Das Feedback motiviert uns auf jeden Fall weiter zu machen. Vielleicht gibt es bald auch Figuren zu Ostern oder speziell für Hochzeiten", sagt Kazmierczak. Auch für Yoga-Studios könne das interessant sein. Letztlich eigne sich die Räucherfigur „für alle, die gerne schmücken und es gemütlich haben, Brauchtum 2.0 eben."

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