Reisen ohne FlugschamKölnerin will Tourismus und Naturschutz zusammenbringen

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Giraffen in der Botsuana: Für „Go Afrika“ ist Naturschutz eng mit dem Tourismus verbunden.

  • “Als Schwedin verfolge ich auch Greta Thunberg. Mich nervt die Vorstellung, dass weniger Reisen besser für die Natur sei“, so Jessika Nilsson, die in Köln und Kapstadt lebt.
  • Die Reiseunternehmerin betreibt mit „Go Afrika“ eine Agentur für nachhaltiges Reisen: Naturschutz und Begegnungen auf Augenhöhe mit den Menschen sind ihr wichtig.
  • Die Folgen des ausbleibenden Tourismus sieht man jetzt schon: Weil Millionen Menschen in Afrika coronabedingt ihren Job verlieren, werden Tiere Opfer illegaler Jagd.

Köln – Dem Reisen haftet seit kurzem ein neuer Makel an: Unterwegs schwingt das Risiko, das Coronavirus weiterzutragen oder zu importieren, auf Schritt und Tritt mit. Erst war es die Flugscham, nun also der Erreger. Manch ein Klimaschützer mag die Entwicklung, dass seit der Pandemie kaum geflogen wird, als zukunftsweisend begrüßen – doch die Kölnerin und Reiseunternehmerin Jessika Nilsson hält solche Schlussfolgerungen für vorschnell.

„Als Schwedin verfolge ich wie andere auch Greta Thunberg. Mich nervt es teilweise, dass die Vorstellung herrscht, der Natur geht es besser, sobald man weniger reist“, sagt Nilsson, die in Köln und Kapstadt lebt.

Veflechtung von Naturschutz und Reisen

Gerade in Afrika sei der Naturschutz eng mit dem Tourismus verflochten – die Auswirkungen der ausbleibenden Einnahmen machten sich schon bemerkbar: Weil im krisengebeutelten Südafrika Millionen Menschen coronabedingt ihren Job verlieren, geht die illegale Jagd auf Tiere los. Wie die „Tagesschau“ berichtete, sind vor allem Antilopen Opfer von Wilderei. Auch die leeren Nationalparks leiden.

Die 31-Jährige Anthropologin promovierte über Inklusion im Tourismus und Naturschutz. „Nachhaltiges Reisen ist mir daher eine Herzensangelegenheit. In Afrika wächst die Bevölkerungszahl so rasant wie nirgendwo. Der Raum für die Natur wird immer kleiner, weil die Menschen anbauen und Vieh kaufen.

Durch Naturschutz profitieren

Dadurch entstehen Konflikte.“ Nur wenn die Menschen vor Ort das Gefühl haben, vom Naturschutz zu profitieren, denken sie vielleicht einmal mehr darüber nach, den Leoparden nicht zu töten, der sonst nachts die Kühe zerfleischen würde, so Nilsson. Daher hat die Kölnerin gemeinsam mit ihrem Bruder das Unternehmen „Go Afrika“ gegründet: nachhaltige, maßgeschneiderte Reisen für Individualtouristen oder Kleingruppen.

Ein ungünstiger Zeitpunkt? „Wir sind zuversichtlich, dass viele Reiseziele an Neujahr wieder erreichbar sein werden. Und wenn es wieder losgeht, wollen wir vorne mit dabei sein“, erklärt sie.

Lebensbedingungen verbessern

Nachhaltig bedeutet für sie „zum einen, dass die Natur geschützt wird und zum anderen, dass die Lebensbedingungen der Menschen, mit denen wir arbeiten, verbessert werden können. Und dass man den Menschen auf Augenhöhe begegnet. Was ich im Tourismus immer so schrecklich finde, ist, wenn man Kultur spielt.“ Also etwa in ein Massai-Dorf fährt, wo die Bewohner sich als Massais von vor 100 Jahren geben.

„Und hüpfen, weil die Touristen das sehen wollen und ihr Smartphone dabei verstecken“, weil das nicht ins europäische Bild von der ursprünglichen, unberührten afrikanischen Volksgruppe passe. Nilsson und ihr Bruder wollen dagegensteuern, indem sie mit Guides arbeiten, „die sich berufen fühlen und den Touristen erklären, dass die Globalisierung schon lange in Afrika angekommen ist“. Das sind Menschen, mit denen das Geschwisterpaar schon selbst auf Safari war.

Es bleibt abzuwarten

Derzeit bleibt aber abzuwarten, wie es sich mit den Einreise- und Ausreisebestimmungen verhält. Zwar sind Flüge mittlerweile vereinzelt wieder möglich. „Derzeit wäre es aber ein One-Way-Ticket, bis Südafrika wieder Geschäftsreisen zulässt. Andere Länder wie Tansania oder Kenia haben aber wieder aufgemacht. Sambia und Zimbabwe machen auf, Botswana wird bald folgen. Fliegen kann man ziemlich regulär ab Frankfurt. Die Problematik liegt eher in Europa, in der Frage, ob die Versicherung greift und ob man bei der Rückkehr in die Quarantäne muss.“

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Nilsson selbst wartet noch mit ihrer Ausreise und bleibt vorerst bei ihrem Ehemann in Köln. Normalerweise ist sie einen Monat hier und im Wechsel bis zu drei Monate in Südafrika. Dieser Stillstand widerstrebt ihrer persönlichen Reiselust. „Ich bin in Köln und Tansania aufgewachsen. Mein Vater arbeitet für eine schwedische Ingenieursfirma und meine Eltern waren daher immer in der Welt unterwegs.“

Am letzten Tag vor dem Lockdown in Südafrika habe sie das Ticket gekauft und das Land im März überstürzt verlassen. „Es war keine einfache Entscheidung. Manchmal denke ich, dass ich nur an einem Ort leben sollte. Aber dann habe ich doch wieder das Bedürfnis nach einem Ortswechsel“.

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