„Wie ein Karnevalsartikel“Kölner Augenzeuge berichtet über Überfall im Drach-Prozess

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Reemtsma-Entführer Thomas Drach (r.) mit seinem Verteidiger Andreas Kerkhof im Kölner Landgericht.

Der Ikea-Mitarbeiter aus Godorf wollte sich gerade zum Dienst einstempeln, als auf dem Parkplatz ein Räuber mit Maschinenpistole seinen Weg kreuzte. „Es kam mir sehr irreal vor“, sagte der Mann am Dienstag beim Prozess gegen den einstigen Reemtsma-Entführer Thomas Drach. Darauf sprang einer der Anwälte an – und brachte einen möglicherweise fingierten Überfall ins Spiel.

Köln: Verteidiger spricht fingierten Überfall an

Wie ein Karnevalsartikel sei ihm die Maschinenpistole an jenem Tag im März 2018 vorgekommen, es hätte nur noch die rote Kappe am Ende des Laufes gefehlt, hatte der Zeuge geäußert. Der Geldbote habe sich danach seine Pistole und den Geldkoffer abnehmen lassen. Der Überfallene habe sich aber gesträubt und nichts freiwillig herausgerückt. Gewalt habe der Räuber aber nicht angewendet.

Instinktiv sei er dem Räuber durch die Gartenmöbel-Ausstellung hinterhergerannt, sagte der Ikea-Mitarbeiter. Der Täter sprang danach in ein Fluchtauto, das ein Komplize gesteuert hatte. „Schon mal auf die Idee gekommen, der Überfall könnte ein Fake gewesen sein?“, fragte Drachs Verteidiger Andreas Kerkhof frei heraus. Darüber habe man im Kollegenkreis schon diskutiert, antwortete der Ikea-Mitarbeiter.

Mutmaßliche Täter liefen durch Immendorf

Ermittlungen hatten aber keinen Tatverdacht erhärtet, der Geldbote soll am nächsten Verhandlungstag als normaler Zeuge aussagen. Dass die Verteidiger die Theorie des fingierten Überfalls vertreten, leuchtet ein, da dann zumindest in diesem Fall der Vorwurf des Raubes mit einer hohen Straferwartung wegfiele. Doch das sollte nicht der einzige Ansatz der Anwälte bleiben.

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Beim fünften Verhandlungstag sagten auch Zeugen aus, die das Fluchtauto des Räubers brennend auf einem Feld in Immendorf erblickt hatten. Eine Krankenschwester berichtete, dass sie mit ihrem Freund im Auto gesessen und zwei Personen über die Godorfer Straße habe laufen sehen. Sie hätten eine Sporttasche dabei gehabt, dann seien die Männer zwischen Häusern verschwunden.

Zeugin will sich bei Alter verschätzt haben

Als Krankenschwester habe sie einen sehr guten Blick für Menschen, sagte die Zeugin. Ihr sei die bleiche Gesichtsfarbe von einem der Männer aufgefallen, nicht ganz gesund habe er gewirkt. Auf 20 bis 35 Jahre habe sie den Mann mit der Tasche bei der Polizei geschätzt, mutmaßlich soll es sich dabei um Thomas Drach gehandelt haben. Der war zum Tatzeitpunkt allerdings bereits 57 Jahre alt.

„Da habe ich mich wohl vertan“, sagte die Zeugin, was Anwalt Kruse offenbar als Vorverurteilung wertete und mutmaßte, die Zeugin habe sich von Medienberichten beeinflussen lassen. „Nein, der hatte auch so eine Hautfalte am Hals, das war ein älterer Mann“, sagte die Krankenschwester. Das sei ihr im Nachhinein erst bewusst geworden. „Hätte ich der Polizei noch mitteilen können“, bedauerte die Zeugin.

Drach und der Mitangeklagte bestreiten alle Vorwürfe. Der Prozess wird im März fortgesetzt.

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