So wohnt KölnGila Abutalebi lebt in Rodenkirchen inmitten ihrer Kunstwerke

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Hell und Schlicht ist die Wohnung der Künstlerin

Köln-Rodenkirchen – Wilde Locken fliegen in alle Richtungen. Ein ansteckendes Lachen wartet an der Haustüre. An Gila Abutalebi ist alles immer in Bewegung. Sie öffnet die Räumlichkeiten zu einem Loft, das sie mit ihrem Lebensgefährten mitten im Herzen von Rodenkirchen vor zwei Jahren gefunden hat. Eine Symbiose aus Atelier, Wohnen, Arbeiten und Kochen. So komplex und vielschichtig ist die Nutzung der offenen Räumlichkeiten wie die Hausherrin tickt und arbeitet, die einen Einblick in 200 Quadratmeter Wohnen und Erleben auf zwei Ebenen gewährt.

Eine ehemalige Schreinerwerkstatt samt Büros und Werkräumen – hier wurden früher Kissen und Decken genäht - wurde vor einigen Jahren in verschiedene Wohnungen aufgeteilt, die sich einen Innenhof teilen.

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Gilas Wohnbereich zur „Terrasse“ wird von einem großen Esstisch mit Bank und Stühlen dominiert und einer offenen Küche; es ist ein einladender Raum, der sonst nur spärlich möbliert ist. „Wir beschränken uns auf das Nötigste“, sagt sie.

Nur im Gästezimmer hängen keine Werke der Kölner Künstlerin

Eine Treppe führt hoch in Gilas Künstlerreich und in ein Gästezimmer. Überall hängt ihre Kunst, außer im Gästezimmer. Das ist das private Reich ihres Lebensgefährten. Ein weiterer Raum ist fertigen Werken vorbehalten, hier reihen sich an die 400 Arbeiten hinter Glas. Auf dem Esstisch stehen Blumen und eine große Torte. Ohne Blumen kann sie nicht leben und auch nicht ohne gute Kost. „Ich bin Perserin. Ich muss immer essen“, lacht sie und gießt ein Glas Weißwein dazu ein. Dann erzählt sie, von Gila, der Weltenbürgerin, Gila, der Gastgeberin und Gila, der Künstlerin. Es ist schwer zu beschreiben, vielleicht am besten an ihrer Kunst festzumachen, was sie ausmacht und das beschreibt sie selbst so: „Du erkennst und verstehst die Kunst erst dann, wenn du auch den Künstler kennst“. Wenn man in Schubladen denken würde, ist Gila Abutalebi ihrer Meinung nach eher deutsch als persisch. „Am Ende sind wir aber alle Weltenbürger. Fertig.“

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Ihre Eltern kamen aus dem Iran, studierten in Wien, wo Gila geboren wurde. Nach dem Abitur ging sie für ein Jahr in die Vereinigten Staaten, um Englisch zu studieren. Sie fing an in Essen, Wirtschaftswissenschaften zu studieren (das war ihr zu trocken), wechselte nach Düsseldorf und studierte Englisch, Französisch und Spanisch mit Betriebswirtschaft. Jahrelang arbeitete sie auf Messen, zunächst als Hostess, dann als Dolmetscherin. Sie modelte, genoss eine private Schauspielausbildung in München, den USA, Köln und Düsseldorf. Was sie nicht mag ist Engstirnigkeit. Ihr liebstes Hobby? „Ich studiere bis heute die Menschen und das Leben“.

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In der ganzen Wohnung hängen die Kunsterwerke der Bewohnerin

Schon als Kind verfasste sie Kurzgeschichten und Gedichte. „Meine Mutter sagt, dass ich als Kind schon immer mit dem Block unterwegs war.“ Für ihre Texte nutzte sie früher transparente Folien. Noch heute arbeitet sie auf Plexiglas oder Glas. Alle Werke sind akribisch von Hand geschrieben. Teilstücke von Buchstaben. Immer mehrschichtig. Eigentlich immer drei Arbeiten in einem.

Mittlerweile schreibt sie vornehmlich auf Folien, die hinter Glas kommen. „Es geht immer um Reflexion und Nachdenken. Deshalb ist auch das Material reflexiv und ich möchte, dass die Werke andere zum Nachdenken bringen.“ Das simultane Übersetzen, die mehrsprachige Moderation auf Messen, sieht sie im Rückblick als Basis für ihre Kunst, die aus der Sprache entstanden ist.

Es begann mit „Kunst am Bau“

Sie begann mit Texten, die sie auf Folien schrieb und als Aktionskunst ausstellte. Am Olivandenhof etwa waren in einem Schaufenster vor ein paar Jahren alle Fenster mit ihren Texten eingehüllt. Die Leipziger Buchmesse 2009 brachte den Durchbruch. „Eine junge Dame wollte meine Texte kaufen. Daran, die Kunst zu verkaufen, hatte ich vorher nie gedacht“. Auf der Messe lernte sie ihre erste Mentorin kennen. Eine Ärztin, die eine Praxis mit ihren Werken bestückt haben wollte. „Sie wollte von mir positive Texte für ihre krebskranken Patienten. Es war mein erster großer Auftrag, sozusagen, Kunst am Bau“. Sie bekam ein Atelier gestellt und pendelte eine Zeit lang zwischen Leipzig und Köln, zwischen bildender und darstellender Kunst und Moderation. „Das war ein Leben im Spagat“, erinnert sich Gila und entschied sich für die Kunst und für Köln, seit 20 Jahren ihre Heimat.

Ihre Kunst muss man tatsächlich sehen, um sie zu verstehen, zu begreifen und oftmals auch dreidimensional zu erfahren. Hauptsächlich nutzt sie den Buchstaben K. „Drei Striche, zu denen ich mir überlegt habe, wie ich sie umsetzen kann. Das beschäftigt mich seit zwölf Jahren“, gesteht sie. Jedes ihrer Bilder sind Buchstaben, sind Worte, sind Geschichten. Als Schauspielerin liest sie die Geschichten, die sich in den Werken finden, oftmals vor. Es sei eine einmalige Erfahrung, eine Möglichkeit, in ihre Werke einzutauchen, die immer mehrschichtig sind. „Man muss meine Arbeiten live sehen. Kein Foto der Welt kann das transportieren.“ Wenn sie arbeitet, dann am Stück. „Wenn ich mich verschreibe, ist das Werk versaut“. Sie sei ein Workaholic, ein „Doku-Junkie“, wie sie sich beschreibt, deren Gedanken niemals still stehen. „Bei K denke ich dann zum Beispiel an Kapitalismus, Konsum, Kommunikation, an Klima oder K wie Katastrophe. Ich bin da immer ganz tief drin“. Ihre Werke kosten heute zwischen 500 und 10 000 Euro.

Ein Haus voller fremder Menschen

Da sie Menschen liebt, versammelt sie sie auch gerne bei sich zuhause am Tisch. „K wie Kunst und Kultur, Kulinarik und Kommunikation“ ist die Idee für „Gilas Supper Club“. „Eigentlich bin ich mit meiner Familie in einer Art Supper Club groß geworden. Da bin ich ganz persisch. Wir hatten immer ein volles Haus. Für meine Familie ist es ein menschliches Bedürfnis, zu teilen.“ Im kleinen Rahmen mit maximal zehn Personen lädt sie Gäste in ihr Atelier ein und bekocht sie. Geboten wird eine gesunde, persische Küche mit frischen Kräutern und Gewürzen aus dem Iran wie Kurkuma, Safran oder Zimt. Ein Abend kostet 95 Euro pro Person. Die Gespräche, so berichtet sie, ergeben sich meistens von ganz alleine. Manchmal liest sie dann auch eine ihrer Geschichten vor. „Ich teile gerne in jeder Hinsicht. Da nimmt mir auch niemand etwas weg, denn jeder Mensch ist einzigartig“. Supper-Abende und Atelierbesichtigungen können über ihre Homepage vereinbart werden.

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