„Ich habe mich hilflos gefühlt“Elektro-Künstler Schiller über Videodrehs in Kiew, Katzen und Köln

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Christopher von Deylen sitzt im schwarzen Anzug auf einer roten Bank vor einer Backsteinmauer.

Christopher von Deylen alias Schiller.

Christopher von Deylen alias Schiller tritt am 5. Mai in der Kölner Lanxess-Arena auf. 

Mehr als eine Million Tonträger hat Christopher von Deylen mit seinem Ambient-Electro-Projekt „Schiller“ bereits verkauft. Mit „Das Glockenspiel“ gelang ihm 1998 der erste Hit. 25 Jahre später erscheint mit „Illuminate“ sein 14. Studioalbum. Von Deylen, 52, spielt am 5. Mai in der Lanxess-Arena. Bei den Konzerten treten internationale Gastmusiker auf.  die Shows sind geprägt von Lichtshows – es sind „Unikate“, sagt von Deylen. Der Musiker spricht im Interview über einen Videodreh in Kiew, über wichtige Lektionen, Köln und Katzen.  

Herr von Deylen, Ihr aktuelles Doppelalbum „Illuminate“ ist am 10. März erschienen. Welche Stimmung soll das Album transportieren? Christopher von Deylen: Das Album ist nach der gleichnamigen Tour benannt – also gar nicht andersherum, wie es sonst meistens der Fall ist. „Illuminate“ bedeutet so viel wie „Erleuchtung“. Ich möchte mit dem Album auch musikalisch versuchen, ein wenig Licht anzubieten. Es entspricht der Schiller-DNA von einer melancholischen Romantik. Es tauchen zwischendurch aber auch ein paar Dur-Klänge auf, was ein bisschen neu ist, weil Schiller sonst immer sehr Moll-lastig war.

Das Video zu „Empire of Light“ wurde in Kiew gedreht. Wie kam es dazu? Ich habe oft Konzerte in Kiew gespielt und habe dabei viele ukrainische Künstler kennengelernt. Die Ereignisse in der Ukraine haben mich sehr mitgenommen, ich habe mich hilflos gefühlt. Als „Illuminate“ fertig war, habe ich überlegt, wie ich Teile des Albums visualisieren könnte. Da bin ich auf Igor Kuleshyn gekommen: Igor ist Choreograf und Videoregisseur, der in Kiew lebt und mit dem Freedom Ballet normalerweise in der ganzen Welt unterwegs ist. Ich habe ihn gefragt, ob er zu meiner Musik ein Video drehen möchte. Dabei kam erstmal heraus, dass er zu meiner Musik als Teenager seine ersten Choreografien geschrieben hat! Das war eine schöne Verbindung, von der ich gar nicht wusste, dass es sie gibt. Er hat dann zwei Videos, zu „Empire Of Light“ und zu „Quiet Love“ produziert. Ich bin glücklich darüber, dass alle Mitwirkenden zumindest für ein paar Stunden den Irrsinn um sie herum vergessen konnten. Gleichzeitig sind dabei tolle, emotionale Bilder entstanden.

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Sie sind inzwischen seit 25 Jahren Musiker. Was ist die wichtigste Lektion, die Sie gelernt haben? Das Wichtigste ist es, sich treu zu bleiben und authentisch zu bleiben. Man sagt das so leicht dahin: „Sei du selbst“. Das ist ohnehin schwierig im Leben. In einer Branche, in der man sich ständig einer Erfolgskontrolle aussetzt, umso mehr. Das sind Dinge, mit denen man umgehen können muss. Aber es fällt mir leichter, damit umzugehen, wenn ich weiß, dass ich das, was ich musikalisch mache, auch so meine – und mich nicht etwa dem Sound der Saison oder einem Streaming-Algorithmus unterwerfe.

Das scheint aufzugehen: Sie sind einer der erfolgreichsten deutschen Künstler in Ihrem Genre. Wann war der Punkt, an dem Sie gemerkt haben: Ich habe es geschafft? Der kommt vielleicht noch. Bis jetzt habe ich nicht das Gefühl, „es“ geschafft zu haben. Dazu muss man sich auch überlegen, wofür das „es“ steht. Es liegt mir fern, mich auszuruhen. Ich gucke lieber nach vorne und fühle mich bei jedem neuen Album wie ein Anfänger – oder möchte mich so fühlen. Ich kann das, was ich in den 25 Jahren gelernt habe, natürlich nicht durch Selbsthypnose wieder vergessen. Dennoch finde ich es wichtig, sich eine große Portion Naivität und Neugier zu bewahren, sodass bei mir das Ziel, „es“ mal geschafft zu haben, gar nicht vorhanden ist. Die Frage ist ja, was ist denn dann? Ich stelle mir das sehr langweilig vor.

Sie spielen im Rahmen Ihrer Tour auch in Köln. Haben Sie eine Verbindung zu der Stadt?  Ja, die liegt ehrlicherweise schon etwas zurück. In den 1990ern und den 2000ern war ich jedes Jahr während der Popkomm eine Woche in Köln. Das war für mich die schönste Zeit des Jahres. Es ist mir ein absolutes Kernrätsel, wie man auf die Idee kommen konnte, dieses einmalige Gefühl, das sich als einwöchiger Wahl-Kölner eingestellt hat, ausgerechnet nach Berlin zu transplantieren. Das hat dann wenig überraschend auch nicht funktioniert. Ich bin nach wie vor wahnsinnig gerne in Köln. Köln ist eine der wenigen Städte in Deutschland, wo man sofort mit jedem ins Gespräch kommt. Die beiläufigsten Begegnungen können in stundenlangen Gesprächen ausarten, das finde ich großartig.

Sie kooperieren oft mit internationalen Künstlern. Wer steht da noch auf Ihrer Wunschliste?  Seit Jahren unangefochtene Nummer Eins auf meiner Wunschliste ist Neil Tennant von den Pet Shop Boys, den ich immer wieder frage, und der mir immer wieder auf höchst charmante, britische Art absagt. Er hat mir mal geschrieben, dass Schiller für ihn „Beautiful, German Kitsch“ ist, was ich aus seinem Mund auf jeden Fall als Kompliment auffasse. Ich hoffe, dass es sich eines Tages ereignen wird, dass wir zusammenarbeiten.

Sie leben mit Ihrer Freundin und zwei Katzen in Berlin, sind aber auch sehr viel, sehr lang unterwegs. Ist das nicht sehr schwierig, so oft von zu Hause weg zu sein?  Es ist im ersten Moment tatsächlich sehr schwierig. Auch, weil ich nie gedacht hätte, dass ich jemals ein Katzenmensch werde. Ich war immer Hundemensch, Katzen waren mir etwas suspekt. Aber mittlerweile ist es anders. Das Verhalten von Hunden ist doch etwas vorhersehbar, aber Katzen sind immer für Überraschungen gut. Das habe ich sehr lieben und schätzen gelernt. Und ich hätte nie gedacht, dass es mal Momente gibt, in denen ich mich wahnsinnig freue, nach Hause zu kommen. Dennoch ist das Reisefieber ungebrochen, es gibt noch viel zu erleben und viel zu sehen.


Schiller – Illuminate, am 5. Mai 2023 in der Lanxess-Arena, Beginn 20 Uhr.  Tickets gibt es ab 57,40 Euro bei koelnticket.de

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