Abo

Schock-Werners Adventskalender (4)Doppeltes Täuschungsmanöver mit Namenspatronin

4 min
Zeichnung der heiligen Barbara im Stil eines Holzschnitts mit falschem Dürer-Monogramm (Wallraf-Richartz-Museum Köln)

Zeichnung der heiligen Barbara im Stil eines Holzschnitts mit falschem Dürer-Monogramm (Wallraf-Richartz-Museum Köln)

Die Legende der heiligen Barbara thematisiert einen Ehrenmord.

Im obersten Stockwerk zeigt das Wallraf-Richartz-Museum (WRM) gerade die Sonderausstellung „Expedition Zeichnung. Forschung an den Nachbarn“. Der Besuch lohnt sich schon allein wegen der alten Stadtansichten von Köln.

Im zweiten Raum bin ich auf eine niederländische Zeichnung gestoßen, die ich aus gutem Grund genau heute für meinen Adventskalender vorgesehen habe. Sie zeigt nämlich meine Namenspatronin, die heilige Barbara, deren Gedenktag der 4. Dezember ist.

Barbara sitzt mit wild wehendem Haar auf einem Faltstuhl in einer idealisierten Landschaft. In der Hand hält sie Kelch und Hostienschale – als Symbol ihres Bekenntnisses zum christlichen Glauben. Vor ihr steht das Attribut, mit dem sie in der Kunst immer gezeigt wird: ein Turm. Das hat mit der Barbara-Legende zu tun, die ins 3. Jahrhundert zurückweist: Barbara, Tochter aus einer heidnischen Familie, will gegen den Willen ihrer Eltern den christlichen Glauben annehmen. Um seine Tochter nicht ständig bewachen zu müssen, sperrt ihr Vater sie in einen Turm und lässt den Zugang vermauern. Doch Barbara trickst ihn aus. Sie entkommt, lässt sich taufen und weiht sich dem jungfräulichen Dienst an Christus.

Barbara lässt sich durch nichts und niemanden beirren

Dadurch hat sie nach Auffassung ihres Vaters nicht nur das Ansehen der Familie beschmutzt, sondern auch ihren Wert auf dem Heiratsmarkt verloren: Welcher gestandene Mann heiratet schon eine Jüngerin Jesu? Vor lauter Zorn auf Barbaras Ungehorsam schlägt ihr Vater ihr den Kopf ab.

Ich finde diese blutrünstige Geschichte vor allem interessant als frühchristliche Erzählung eines Ehrenmords. Und natürlich stehe ich voll auf der Seite meiner Patronin: Diese junge Frau lässt sich durch nichts und niemandem beirren in dem, was sie aus ihrem Leben machen will. Barbara setzt ihren Willen durch – um den höchsten Preis, den ein Mensch zahlen kann, das eigene Leben.

Die heilige Barbara, Zeichnung um 1572/75 nach einer Holzschnitt-Vorlage von Hans Baldung Grien, fälschlich versehen mit dem Monogramm Albrecht Dürers (rechts)

Die heilige Barbara, Zeichnung um 1572/75 nach einer Holzschnitt-Vorlage von Hans Baldung Grien, fälschlich versehen mit dem Monogramm Albrecht Dürers (rechts)

Was die Darstellung der Heiligen im WRM so spannend macht, ist ein Täuschungsmanöver auf mehreren Ebenen. Man könnte auch von einer doppelten Fälschung reden. Zunächst einmal tut der aus Antwerpen stammende Grafiker Johannes Wierix (1549 bis 1620) so, als handelte es sich bei seiner zwischen 1572 und 1575 entstandenen Arbeit um einen Holzschnitt von niemand Geringerem als Albrecht Dürer (1471 bis 1528). Dessen charakteristisches Monogramm mit den Buchstaben AD ist auf der Wange des Faltstuhls deutlich zu sehen.

In Wahrheit ist das Bildnis aber weder das eine noch das andere – kein Holzschnitt und auch nicht von Dürer. Der Grafiker hat hier – absichtlich oder nicht – etwas verwechselt: Die Vorlage für seine von ihm unten rechts signierte Zeichnung stammt nämlich von Dürers Meisterschüler Hans Baldung Grien (1884/85 bis 1545).

Der Name Dürer hatte schon zu seiner Zeit einen unvergleichlich strahlenden Klang. Dürer galt nicht nur als Universalgenie. Mit seinen Werken war er auch unangefochtener Spitzenreiter auf dem zeitgenössischen Kunstmarkt. Ob Baldung selbst für das falsche Monogramm auf seinem Entwurf für den Barbara-Holzschnitt gesorgt hat, ist nicht sicher. Eigentlich war er dafür ein zu selbstbewusster Künstler von eigenem Rang. Wahrscheinlicher ist, dass der Drucker, der besseren Absatzmöglichkeiten wegen, das AD zugefügt hat.

Dieser Täuschung ist dann der Antwerpener Kopist aufgesessen. Und so stimmt in Wierix‘ Version der heiligen Barbara am Ende gar nichts mehr: die Technik nicht und nicht der Künstler. Das Bildnis meiner Heiligen mag ich trotzdem.

Aufgezeichnet von Joachim Frank


In unserem Adventskalender stellt Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner jeden Tag ein besonderes Ausstellungsstück aus einem von sechs Kölner Museen vor. Alle Folgen finden Sie hier:
www.ksta.de/weihnachten

Das Wallraf-Richartz-Museum, Obenmarspforten (am Rathaus), 50667 Köln, ist geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr. Verlängerte Öffnungszeit bis 22 Uhr unter anderem am „Köln-Tag“, dem ersten Donnerstag im Monat. Geschlossen ist das Museum montags und an Heiligabend, dem ersten Weihnachtstag, Silvester, Neujahr sowie an den Karnevalstagen. Eintritt: 10 Euro (ermäßigt 7). Freier Eintritt unter anderem für Kinder und Jugendliche bis 18.