Schulplatzvergabe in Köln„Auch im nächsten Jahr wird es wieder zu Enttäuschungen kommen“

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Kinder protestieren vor dem Kölner Rathaus gegen die schlechte Situation an den Kölner Schulen.

Viele Viertklässler müssen künftig weite Wege auf sich nehmen, um ihre weiterführende Schule zu erreichen.

Das Anmeldedesaster für weiterführende Schulen ist beendet. Viele Kinder müssen nun weite Wege in Kauf nehmen.

Wochenlang haben Kölner Familien gebangt: Wird ihr Kind einen Platz an der gewünschten Schule bekommen? Wird sie erreichbar sein? Pünktlich zum Start der Osterferien erklärt die Stadt nun das Anmeldeverfahren an den weiterführenden Schulen für abgeschlossen. Anlass für Schuldezernent Robert Voigtsberger, im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ eine Bilanz zu ziehen: „Es ist uns gelungen, allen Schülerinnen und Schülern einen Platz an der von ihnen gewünschten Schulform anzubieten. Eine Ausnahme bilden die Gesamtschulen.“

In einem vorgezogenen Verfahren waren zuvor 705 Viertklässler von Kölner Gesamtschulen abgelehnt worden. Bei den Gymnasien waren es 330 Kinder, die in der ersten Runde des Anmeldeverfahrens eine Ablehnung erhalten haben, bei den Realschulen 109. In einer zweiten Anmelderunde hatten sich 216 Jungen und Mädchen für ein Gymnasium beworben.

Kölner Kinder wechseln auf weiterführende Schulen im Umland

Doch was ist mit den übrigen 114, die noch in der ersten Runde an einem Gymnasium abgelehnt worden waren? Laut Voigtsberger sind die unter anderem an Erzbischöflichen Gymnasien, Realschulen sowie an Schulen im Kölner Umland untergekommen, etwa in Hürth, Dormagen oder Pulheim. Genaue Zahlen, wie viele Kölner Schülerinnen und Schüler außerhalb der Stadtgrenze einen Platz bekommen haben, konnte der Schuldezernent nicht nennen. „In Hürth waren es drei. Sollte es dort zu wenig Schulplätze geben, liegt das also nicht daran, dass Kölner Kinder aufgenommen wurden.“

Nach der zweiten Anmelderunde waren noch 37 Kinder unversorgt, die ans Gymnasium wollten und zweimal abgelehnt worden waren. Doch inzwischen hätten auch sie alle einen Platz bekommen. „Wie versprochen haben alle Familien in diesem Jahr deutlich früher als im Vorjahr Klarheit über die künftige weiterführende Schule“, sagt Voigtsberger.

Das ist keine Schulplanung, sondern ein Desaster.
Olaf Wittrock, Sprecher der Initiative „Die Abgelehnten“

Solche Aussagen machen Nora Buchheit aus Nippes wütend: Ihr Sohn Emil hat erst eine Absage vom Leonardo-da-Vinci-Gymnasium, dann von der Kaiserin-Augusta-Schule bekommen. Die Gymnasien in Widdersdorf und Porz, an denen es noch freie Plätze gibt, seien keine Option. Mehrere Umstiege und eine Fahrzeit von rund einer Stunde seien nicht realistisch für einen Zehnjährigen. Begleiten könne die Alleinerziehende ihren Sohn aufgrund ihrer 40-Stunden-Stelle auch nicht. „Ich werde Emil definitiv an keiner der beiden Schulen anmelden.“ Stattdessen setze sie auf die Wartelisten einzelner Schulen und hofft, „dass sich noch irgendetwas ergibt“.

Olaf Wittrock, Sprecher der Initiative „Die Abgelehnten“, kennt viele solcher Geschichten: Das Anmeldeverfahren sei eine „Katastrophe, das dritte Jahr in Folge. Das ist keine Schulplanung, sondern ein Desaster“ und gehe am Bedarf vorbei. Neue Schulplätze hat die Stadt für das kommende Schuljahr unter anderem in Porz und Widdersdorf geschaffen. Doch Plätze fehlen vor allem im Kölner Norden. Ein Angebot am „anderen Ende der Stadt“ sei nicht realistisch: „Die Schulplätze müssen zu den Kindern – und nicht umgekehrt.“ Viele betroffene Familien verbündeten sich bereits, um etwa Fahrgemeinschaften nach Widdersdorf zu bilden, „weil es keine Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln gibt“.

Einziger Ausweg aus Kölner Schulmisere sind neue Schulplätze

Fahrzeiten von 40 Minuten oder sogar einer Stunde –„So lange Schulwege belasten Familien natürlich“, räumt Voigtsberger ein. Laut einer NRW-Verordnung „zumutbar“ seien allerdings bis zu 1,5 Stunden pro Weg für weiterführende Schulen – das werde in Köln nicht überschritten. „Natürlich ist es aber unser Anspruch, dass die Kinder möglichst kurze Wege haben.“ Er äußerte „großes Verständnis“ für die Enttäuschung derjenigen, die nun keinen Platz an ihrer Wunschschule erhalten hätten. „Jede Absage ist eine zu viel. Wir arbeiten ohne Denkverbote ununterbrochen daran, die Schulplatzsituation zu verbessern.“

Vieles habe sich bereits verbessert, betont der Schuldezernent: Die Anzahl der Ablehnungen an Gesamtschulen etwa sei im Vergleich zum Vorjahr um 300 gesunken. Durch ein Verbot von Mehrfachanmeldungen sei das Anmeldeverfahren gestrafft worden. Drei Gesamtschulen und zwei Gymnasien sollen im Schuljahr 2024/25 teils vorgezogen an den Start gehen. Dadurch würden weitere dringend benötigte Schulplätze geschaffen – 378 an den Gesamtschulen und 189 an Gymnasien – der einzige Schlüssel zur Verbesserung der Schulplatzmisere.

Wir haben noch einen langen Weg vor uns.
Bildungsdezernent Robert Voigtsberger

Doch Voigtsberger gesteht ein: „Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Auch im nächsten Jahr wird die Situation sehr angespannt bleiben und es wird leider wieder zu Enttäuschungen kommen.“ Die Schaffung von Schulplätzen sei eine „Jahrhundertaufgabe“. Selbst wenn eines Tages die Zahl ausreichen sollte: „Es wird immer besonders beliebte Schulen geben, die Kindern Absagen erteilen müssen.“

Man werde das diesjährige Anmeldeverfahren analysieren. Voigtsberger rechnet aber damit, dass es vom Ablauf her „sehr ähnlich“ wie in diesem Jahr vonstattengehe. Ein vollständig digitalisiertes Anmeldeverfahren wäre „absolut sinnvoll“, aber dafür sei eine Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung von NRW nötig – für die wolle er sich einsetzen.

Insgesamt hat die Stadt 7827 Kinder an weiterführenden Schulen untergebracht – davon 3795 an Gymnasien, 2322 an Gesamtschulen, 1478 an Realschulen und 232 an Hauptschulen. Für das neue Schuljahr wurden insgesamt 387 zusätzliche Schulplätze geschaffen: An vier Gymnasien wurde die Zügigkeit von vier Gymnasien erweitert. Außerdem werden die Klassengrößen an Gymnasien erhöht, sodass bis zu 31 Kinder pro Klasse unterrichtet werden.


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