Silvester nach TerrorwarnungSo lief der Jahreswechsel in Köln zwischen Sorge und Party

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Ein Mann hält einen Feuerwerkskörper in der Hand

Menschen zünden in der Altstadt Feuerwerkskörper, um das neue Jahr 2024 willkommen zu heißen.

Die Silvesternacht war überschattet von den Terrordrohungen auf den Dom – doch zum Jahreswechsel ließen sich die Kölner davon nicht einschüchtern.

Wie regenschwere Wolken wabern die Rauchschwaden abgefeuerter Böller-Batterien über den Rheinwiesen am Rheinufer vor der Kölner Altstadt Richtung Himmel. Der Blick auf die Spitzen des Kölner Doms wird von dort aus betrachtet sogar kurzzeitig verhüllt, so dicht sind die um Mitternacht aufsteigenden Nebelschwaden.

Polizisten vor dem Dom

Vor dem Dom hatten sich Polizisten positioniert.

Hunderte Mobiltelefone werden gezückt und beim Runterzählen des Countdowns von der Menge vor Ort in die Höhe gereckt. Dann ist er da, der Wechsel von 2023 in das neue Jahr im Zentrum der größten Stadt in Nordrhein-Westfalen – begleitet vom lauten Jubel aus scheinbar unzähligen Kehlen. Willkommen 2024! Die Menschen begrüßen gemeinsam das neue Jahr.

Ohrenbetäubender Lärm vom Knall explodierender Böller, das Kreischen von Heulern und die bunt glitzernden Farbspiele tausender Silvesterraketen am Himmel über der Stadt vermischen sich. Einige Ausflugsschiffe auf der Mitte des Flusses stimmen mit ihren dumpfen Sirenen verstärkend in das akustische Spektakel ein, das über Minuten die gesamte Szenerie bestimmt.

Alles zum Thema Andrea Blome

Köln: Terrordrohung für Dom an Silvester

Dass in der Kölner Innenstadt so selbstverständlich ausgelassen und weitgehend friedlich gefeiert werden konnte, war noch bis wenige Stunden vor dem Jahreswechsel keineswegs sicher: Eine Terrorwarnung hatte die Sicherheitsbehörden unter Hochdruck in Alarm versetzt, der Polizei zufolge war ein Anschlag auf den Dom oder die Umgebung des Wahrzeichens der Stadt geplant.

Es gab Verhaftungen und enorme Präsenz von Einsatzkräften rund um das Areal, das laut Behörde gefährdet war. Teils mit schweren Maschinengewehren und schusssicheren Westen säumten Polizistinnen und Polizisten die Zugänge zur Böllerverbotszone um den Dom, etwa an der Hohe Straße oder auf dem Vorplatz des Kölner Hauptbahnhofs. Außerdem hatte die Stadt über 300 Sicherheitskräfte beauftragt, um unter anderem das Umfeld um den Dom schon ab 18 Uhr durch Schleusen-Kontrollen zu schützen und das Mitnahmeverbot von Feuerwerkskörpern zu kontrollieren. 

Eine Kontrollstelle mit Absperrgittern.

Die Kontrollstelle am Hauptbahnhof.

Akribische Taschen-  und Körperkontrollen sorgten dort dafür, dass sich schon weit vor Mitternacht Menschentrauben bildeten – überwiegend junge Menschen, viele offensichtlich alkoholisiert und in Partystimmung, dominierten das Bild. Aber auch Familien mit Kindern, Touristengruppen oder Paare suchten geeignete Orte mit schönem Blick oder spazierten einfach herum – auch nach der unter schweren Sicherheitsvorkehrungen abgehaltenen Jahresabschlussmesse im Kölner Dom.

Silvester: Touristen berichten von mulmigem Gefühl

Insgesamt waren deutlich mehr Menschen in der Innenstadt unterwegs als im vergangenen Jahr. Das Nebeneinander von spürbarer Vorfreude und Aufregung auf der einen Seite und die omnipräsenten Beamtengruppen, Polizeifahrzeuge und mobilen Sicherheits-Sperrzäunen auf der anderen Seite sorgten überall in der Innenstadt für eine skurile Spannung. „Ein mulmiges Gefühl“ hätten sie, erzählen Isabelle und Theodor aus Österreich um 22.30 Uhr auf der Domplatte. Die beiden Wiener möchten ihre vollen Namen nicht in der Zeitung lesen, berichten aber, dass sie ihren Kurztrip nach Köln weit vor Weihnachten 2023 gebucht hätten, um die Stadt einmal kennenzulernen.

Menschenmengen zur Silvesternacht 2023/2024 in Köln.

Menschenmengen zur Silvesternacht 2023/2024 in Köln.

Die Minen des jungen Paares sind ob der Lage vor Ort wenig entspannt. „Wir wären nicht hergekommen, wenn die Terrorwarnung früher bekannt geworden wäre“, sagt die 23-Jährige. Und ihr 27 Jahre alter Partner ergänzt: „Wir sind essen gewesen, aber jetzt machen wir uns auf den Weg in unser Zimmer, das finden wir sicherer.“ Isabelle und Theodor ziehen einen ruhigen Jahreswechsel vor und ziehen untergehakt durch die immer größer werdende Menschenmenge in Richtung ihres Hotels davon.

Polizisten stehen Rücken an Rücken zusammen

Auch am Rheinufer in der Altstadt herrschte erhöhte Polizeipräsenz.

Das Ziel der Menschenmenge sind vorrangig die Altstadt und das Ufer des Rheins, aus zahlreichen Rucksäcken ragen Holzstiele dutzender Raketen,. Die Zahl unkontrolliert und plötzlich gezündeter Böller nimmt in der letzten Stunde des Jahres 2023 dort bereits stark zu. Gruppen von Einsatzkräften des Ordnungsamts und der Polizei stehen Rücken an Rücken zusammen, um das Geschehen von einigen mit mobilen Strahlern erhellten Bereichen aus zu überblicken und sich gegenseitig vor immer wieder wild umherfliegenden Knallern zu schützen.

Polizei Köln: Lage an Silvester unter Kontrolle

„Wir haben gut zu tun mit der Einsatzlage vor Ort, aber die Situation ist unter Kontrolle“, teilt eine Polizeisprecherin auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ eine halbe Stunde vor Mitternacht mit. Da ist auf den Flächen zwischen der voll abgesperrten Hohenzollernbrücke und Heumarkt in Rheinnähe bereit kaum noch ein Durchkommen möglich. Erst entlang der Bauzäune an den Anlegern kurz vor der Deutzer Brücke – die im Gegensatz zur gesperrten Hohenzollernbrücke voll mit Menschen ist – lichtet sich das Treiben ein wenig.

Am Buttermarkt haben sich zwei Paare aus Wesseling einen Platz mit guter Sicht gesucht, um das Geschehen zu beobachten. „Dort hinten wurde es uns zu unübersichtlich, laut und eng, darum sind wir lieber hierher gewechselt“, sagt Marc Nowak, der seine Frau Daniela im Arm hat.

Von Terrorgefahr nicht einschüchtern lassen

Begleitet werden sie von ihren Freunden Daniela Adams und Markus Müller. Die Stimmung der vier ist gut, auf typisch Kölsche Art betonen sie alle, dass sie sich von der Warnung vor einem Anschlag im Vorfeld nicht einschüchtern lassen wollten und darum trotzdem gekommen sind, wie sie es schon seit Jahren tun. „Wir lassen uns den Spaß und die Vorfreude nicht nehmen“, hebt Müller lächelnd hervor. Zu verlockend sei außerdem „das tolle Panorama, wenn rund um den Rhein die Raketen den Himmel erhellen“, so Adams.

Vier Menschen lächeln in die Kamera

Die Gruppe um zwei Kölner Paare will sich nicht von den Terrordrohungen einschüchtern lassen.

Als es dann so weit ist, sind Sorge und Unsicherheit schnell vergessen: Überall lachen die Menschen, stoßen mit mitgebrachten Getränken an und fallen sich begleitet vom Feuerwerk in die Arme. In den darauf folgenden zwei Stunden greifen Beamte immer wieder ein. Sie ziehen Menschen, die beim Böllern über die Stränge schlagen, gezielt aus dem Verkehr und verhindern so, dass die Menschentrauben durch in die Menge zielende Raketen in Panik geraten.

„Es war und ist viel los, eine erwartet arbeitsreiche Silvesternacht mit allen üblichen positiven und negativen Aspekten“, fasst die Sprecherin der Polizei dann gegen zwei Uhr morgens die Lage zusammen. Größere Zwischenfälle, schwere Straftaten und vor allem Hinweise auf Aktivitäten hinsichtlich der Terrorwarnung im Vorfeld seien zum Glück nicht zu vermelden, heißt es seitens der Kölner Behörde. Auch die Stadt meldete nach einer ersten Lageeinschätzung eine „weitgehend ruhige Nacht“. Weder beim Ordnungsamt noch bei der Feuerwehr seien bislang schwerwiegende Vorfälle bekannt.

Die Menschen ziehen dann nach dem Jahreswechsel kontinuierlich ab aus der Altstadt. Köln ist mit einem beeindruckenden Feuerwerks-Schauspiel weitgehend friedlich und entgegen der Regen-Vorhersage sogar trocken in das neue Jahr gestartet. Sogar der fast noch volle Mond lugt zwischen den Wolken hervor und beleuchtet die Stadt und den Dom, auch nachdem die Feuerwerksblitze längst erloschen sind. Am Neujahrsmorgen dankte Stadtdirektorin Andrea Blome der Polizei „für ihr schnelles, umsichtiges und konsequentes Handeln zum Schutz der Bevölkerung vor einer Terrorgefahr am Dom“. Mit dem bereits erprobten städtischen Sicherheitskonzept zum Böllerverbot in der Domumgebung habe die Stadt die Polizei optimal unterstützen können. Am Ende gab es nach Angaben der Stadt nur in 27 Fällen ordnungsbehördliche Maßnahmen. 

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