Silvester im RheinlandBräuche, die sich gehalten haben oder verschwunden sind

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Auf der Grußkarte aus dem Jahr 1920 ist zu sehen, dass Feuerwerk in Köln schon vor 100 Jahren zum Jahreswechsel vor der Kulisse des Doms gehörte.

Köln – Böller und Feuerwerk, Sekt und Bleigießen: Wie war das denn anno Pief mit den Bräuchen rund um den 31. Dezember? Wir sind der Sache mal auf den Grund gegangen. Gewiss ist: Gefeiert wurde der Jahreswechsel schon vor Christi Geburt. Die alten Römer begingen schon 153 vor Christi ihr „Jahresend-Fest“ mit Ess-, und Trinkgelagen sowie reichlichen Opfergaben, die die Götter milde stimmen sollten. Allerdings am 1. März. Die Germanen fürchteten die Nacht vor der Wintersonnenwende. Und veranstalten ein lärmendes Höllenspektakel mit Rasseln, Peitschen oder Dreschflegeln. So wollten sie die vermeintlich bösen Geister vertreiben.

Im Mittelalter und auch noch später waren es dann Kirchengeläut, Pauken und Trompeten, mit denen reichlich Radau gemacht wurde. Das Böllern und das Schießen mit Gewehren und Pistolen oder Kanonen kam mit Verbreitung des Schwarzpulvers im Zeitalter der Renaissance auf, also im 15. Jahrhundert.

Wieso eigentlich „Silvester“?

Und der Name Silvester? Der geht zurück auf das Jahr 1582: Da wurde mit der gregorianischen Kalenderreform der letzte Tag des Jahres vom 24. auf den 31. Dezember, den Todestag von Papst Silvester I. verlegt: Der starb am 31. Dezember 335.

Im Rheinland ging es jahrhundertelang am Neujahrsmorgen zum Gottesdienst und danach zum Frühschoppen ins Wirtshaus. In Köln überreichten die Wirte ihren Gästen gern Zitrone und Muskat oder eine frisch gestopfte Tonpfeife. Die Stammgäste ihrerseits gaben dem Zappes ein frisches Bier aus – das „Neujährche“.

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Grußkarte aus dem Jahr 1911

Feuerwerk, Lärmen, Glockenschlagen: Bald ging es gar nicht mehr um das Vertreiben böser Geister. Vielmehr galt der ganze Zauber nun der Ehr- und Freudenbekundung des neuen Jahres. Und das Anstoßen mit dem Wunsch „Proß Neujohr“ leitet sich ab vom lateinischen Wort „prosit“. Was so viel bedeutet wie „es möge gelingen“.

Lärmen, Knallen und Trommeln unter Strafe

Zu den Jahreswechseln 1685 und 1688 allerdings wurde in Köln alles Lärmen, Knallen und Trommeln verboten. Der Krach störte die nächtliche Ruhe der Bürgerschaft und wurde einfach kurzerhand unter Strafe gestellt. Das Verbot hielt sich allerdings nicht wirklich lange.

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Im 19. Jahrhundert entwickelte sich in einigen Regionen im Rheinland eine Art Wettbewerb um die schnellsten Glückwünsche: das sogenannte „Neujahr abgewinnen“. Wer seine Glückwünsche zuerst anbrachte, erhielt einen Neujahrsweck oder eine Neujahrsbrezel. Die gibt es bis heute in den Bäckereien, sie gehören am 1. Januar traditionell auf viele Frühstückstische.

Bleigießen und Neujahrsschießen

Der seit Beginn des 20. Jahrhunderts wohl bekannteste Silvesterbrauch ist das Bleigießen. „Um 1900 konnte man sogar ausführliche Kataloge bei der Deutung zurate ziehen“, schreibt Brauchtumsforscher Alois Döring. „Im Bergischen versuchen heiratsfähige Mädchen, ihren Zukünftigen mittels Bleigießen zu ermitteln: Aus der Form der Bleistücke wurde auf dessen Beruf oder Namen geschlossen“.

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Der Schornsteinfeger ist noch immer ein gerngesehener Glücksbringer zum Jahreswechsel.

In der Eifel lärmten die jungen Männer in der Silvesternacht beim Neujahrsschießen vor den Häusern ihrer weiblichen Augensterne. Und wurden dafür mit Schnaps – und womöglich mit einer Einladung zum Neujahrskuchen belohnt. Was einer Eheanbahnung gleichkam.

Speisen und perlender Schaumwein oder Champagner waren meist mit dem Wunsch nach (materiellem) Glück verbunden. So repräsentierten Linsen die Geldstücke, die im neuen Jahr reichlich in die Geldbeutel wandern sollten. Gleiches galt für Sauerkraut mit seinen unzähligen Kohlfasern.

Silvester mit den Karnevalsgesellschaften feiern

Am bekanntesten ist wohl der Neujahrskarpfen: Auch seine glänzenden Schuppen sollten Geldmünzen symbolisieren. Also wurde beim Kochen des Fisches die großen Schuppen aufbewahrt: Jeder erhielt eine fürs Portemonnaie. Damit im neuen Jahr das Geld nicht ausging.

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Grußkarte aus dem Jahr 1911

Typisch für Köln waren die Silvesterfeiern der Karnevalsgesellschaften: Ob Rote Funken, Ehrengarde oder Jan von Werth – sie alle luden am 31. Dezember zu Bällen, bei denen reichlich Silvester-Bowle ausgeschenkt wurde. Auch daheim trug man Narrenkappen, die Stuben waren mit Konfetti und Luftschlangen geschmückt.

Vom Jahreswechsel 1949/1950 berichtete der „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Schon am Silvestervormittag, 11 Uhr, ging es auf dem Neumarkt los. Raketen wurden abgeschossen, und vom Himmel fielen Narrenkappen und auch ein Riesen-Reklametuch: Alaaf Kölle.“

In diesem Sinne: Proß! Un en jlücksilliges Neujohr!

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