292 neue Gesichter registrierte die Produktionsfirma UFA in der Kartei. Schauspielerisches Geschick war ebenso gefragt wie Tanz und Gesang.
„Method Acting“So lief das TV-Casting im Kölner Hauptbahnhof – „riesige“ Resonanz

Lorenzo Amore singt beim UFA-Casting im Kölner Hauptbahnhof „A chi mi dice“.
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Ruhig ist es am Kölner Hauptbahnhof selten, freitagnachmittags ist es aber besonders voll. Feierfreudige Gruppen drängen Richtung Domplatte, Pendler hetzen von einem Gleis zum anderen, Reisende mit Rollkoffern suchen im Gedränge nach Orientierung. In der C-Passage hat sich zusätzlich eine lange Schlange gebildet. Sie gilt dem Casting der Film- und Fernsehproduktionsfirma UFA, die neue Darsteller oder Komparsen für bekannte Serien wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (RTL), „Die Eifelpraxis“ (ARD) oder „Ein starkes Team“ (ZDF) sucht.
„Vom Sänger, über den Tänzer bis zum Schauspieler, jeder kann sein Talent zeigen und wir nehmen auch jeden in unsere Sedcard auf“, sagt Otto Nitschke, der das öffentliche Casting durchführt. Von diesen mache die UFA in Deutschland, Österreich und der Schweiz 70 bis 75 jährlich. Er wolle vor allem sehen, dass die Bewerberinnen und Bewerber facettenreich sind, betont Nitschke. Die Produktionsfirma hatte vorab online aufgerufen, zum öffentlichen Casting zu kommen, nach einer kurzen Registrierung startet der Vorstellungsprozess.
Improvisierter Streit über geschrottetes Auto
Tim Krause ist der Erste und hat eine Gitarre im Gepäck. „Soll ich verstärkt spielen über den ganzen Hauptbahnhof?“, fragt er vorsichtig. „Natürlich“, sagt Nitschke lachend. „Geil“, erwidert der 37-Jährige. „Köln Hauptbahnhof, könnt ihr mich hören? Das wollte ich immer schon mal machen.“ Er beginnt mit seiner eigenen Komposition „Shine“, einem Lied „über Liebe, die man haben möchte, aber nicht traut zu zeigen“, dann covert er spontan „When you say nothing at all“ von Ronan Keating.

Tim Krause träumt von einer Festanstellung als Schauspieler bei einer Serienproduktion.
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Das Rollenspiel mit Nitschke dreht sich um das heißgeliebte Auto, welches der Casting-Organisator zu Schrott gefahren hat. „Otto, ich schwöre es dir, wenn du nicht sofort aus dem Raum gehst, ich haue dir aufs Maul“, droht der in Solingen geborene Bewerber. „Stopp, der meint das ernst“, beendet der Angesprochene grinsend den Dialog. „In eine Soap-Serien-Produktion reinzukommen, das wäre der Hauptgewinn, weil es ein fester Job ist“, erklärt Krause, der in Aachen Schauspiel studiert hat.
Kölner sieht Musik als sein Lebenselixier
Lorenzo Amore möchte hingegen liebend gerne mit Musik berühmt werden. Für diesen Traum gab er schon viel: Bei „Deutschland sucht den Superstar“, „The Voice of Germany“ oder „Das Supertalent“ habe er sich in der Vergangenheit schon vorgestellt, auch wenn es damals leider nicht mit einem Fernsehauftritt klappte. Im vergangenen Jahr sang er beim Kölner Christopher Street Day auf der großen Bühne, beim Vorentscheid des „Eurovision Song Contest“ für San Marino kam er bis ins Semifinale.

Die Leidenschaft von Lorenzo Amore ist erkennbar das Singen.
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In der C-Passage trägt er sehr emotional „A chi mi dice“ vor. „Das ist kein Sänger, sondern ein Künstler“, lobt Nitschke. „Musik bedeutet für mich, ich selbst zu sein. Ohne Musik kann ich nicht leben“, unterstreicht der in Italien geborene und mittlerweile in Köln lebende 25-Jährige. Mit ihrer Hilfe habe er schon so manches Leid, wie die Trennung seiner Eltern oder Mobbing in der Schule, überwunden.
Köln: „Method Acting“ in der C-Passage
Für die Sängerin, Gitarristin und Schauspielerin Akampita Steiner hat Musik ebenfalls einen hohen Stellenwert. Sie bringt eine eigene Ballade und, nach Aufforderung durch Nitschke, „Non, je ne regrette rien“ von Edith Piaf zu Gehör. Die 55-Jährige ist extra aus Bremen angereist, um sich vorzustellen. In dem spontanen Rollenspiel verwandelt sie sich binnen Sekunden in eine streitlustige Mutter, die sich von ihrem Sohn, Otto Nitschke, nichts über ihren halsbrecherischen Fahrstil sagen lassen will.

Otto Nitschke und Akampita Steiner spielen Sohn und Tochter.
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„Du kommst ganz nach deinem Papa“, fährt sie ihn an und unterstellt, der eigene Sohn wolle nur das Auto für sich haben. Für ihre Darbietung gibt es vom neugierigen Publikum in der C-Passage Applaus. „Ich mag es total, mich in meine Rollen hinzudenken und diese komplett auszufüllen“, berichtet Steiner, die schon reichlich Theatererfahrung hat und auch in klassischen Produktionen wie „Der Traum eines lächerlichen Menschen“ von Fjodor Dostojewski mitwirkte.
„Das schönste Kompliment hat mir mal eine Regisseurin gemacht, die meinte, sie findet mich unheimlich“, erzählt sie strahlend. Sich so in der Öffentlichkeit zu präsentieren, imponiert dem erfahrenen Talentsucher Nitschke immer noch: „Das ist gar nicht so einfach, ich habe da großen Respekt vor“, stellt er klar. Insgesamt nimmt die UFA an diesem Freitagnachmittag 292 neue Gesichter in ihre Kartei auf. Die Resonanz sei „wirklich riesig gewesen“, freuen sich die Organisatoren. Bereits eineinhalb Stunden vor dem offiziellen Ende hieß es deswegen: „Aufnahmestopp“.