SpurensucheAls in Köln-Riehl ein amerikanischer Freizeitpark stand

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Die Rodelbahn im Hohenzollerngarten, aufgenommen um das Jahr 1908.

Die Rodelbahn im Hohenzollerngarten, aufgenommen um das Jahr 1908.

Riehl – Adenauer ist schuld. Hätte er sich nicht die Sache mit dem Grüngürtel in den Kopf gesetzt, hätte Köln vielleicht noch eine seiner größten und beliebtesten Freizeitanlagen.

Zwischen Amsterdamer Straße, Frohngasse und Riehler Straße lag der Amerikanische Vergnügungspark, später auch Luna-Park genannt, der der Verlängerung des Grüngürtels bis zum Rhein weichen musste.

Um 1900 hatte unter der Adresse Riehler Straße 161-163 die Gaststätte Hohenzollerngarten eröffnet. Zur ihr gehörte ein Tanzsaal, ein Gartenpavillon, eine Frühstücksstube und ein großes Gartengelände. Hier errichtete der Besitzer 1908 eine große Rodelbahn mit dem Namen „Alpensport“. Sie war die Keimzelle eines der größten Publikumsmagneten seiner Zeit.

Ein frühes Phantasialand

Auf mehr als 40.000 Quadratmetern, die sich auch über die Fläche des heutigen Wein-Depots und Lentparks erstreckten, wurde am 15. Mai 1909 der „Amerikanische Vergnügungspark“ auf dem Gelände zwischen Riehler Straße, Neusser Glacis und Florastraße (heute: An der Flora) eröffnet – mit Wasserrutsche und riesiger Gebirgsbahn samt künstlicher Felsenlandschaft. Ein frühes Phantasialand.

Per Wasserrutschbahn gelangten Besucher in Booten auf den künstlichen See.

Per Wasserrutschbahn gelangten Besucher in Booten auf den künstlichen See.

„Der Name leitete sich wohl von dem Entwickler der riesigen Gebirgsbahn La Marcus Adna Thompson ab, der Amerikaner war“, vermutet Joachim Brokmeier. „Das entsprach dem Zeitgeist nach Innovation und Moderne.“ Brokmeier ist Hobby-Historiker und Riehl-Kenner quasi von Geburts wegen.

Geboren 1944 in einer Ausweichstätte der Riehler Heimstätten in Altenberg, wuchs er auf dem ehemaligen Kasernengelände an der Boltensternstraße auf. Seine Vater war Heimleiter hier, seine Mutter Sozialarbeiterin. Auch, wenn er inzwischen in Bergisch Gladbach lebt, ließ ihn nie die Faszination der Stadtteilgeschichte los.

Die Gebirgsbahn.

Die Gebirgsbahn.

Anhand von rund 1400 historischen Postkarten rekonstruierte und recherchierte er auch die Geschichte des Goldenen Ecks, zu dem der Vergnügungspark, aber auch der Zoo sowie eine Radrennbahn auf dem Gelände einer späteren Zoo-Erweiterung (heute Elefantenpark) gehörte. Allein die Attraktionen im Vergnügungspark füllen bei ihm ein ganzes Buch.

Es gab vielfältige gastronomische Angebote auf dem Gelände wie eine süddeutsche Bierhalle, eine holländische Liqueurstube, das Wein-Restaurant „Rheingold“ und eine alt-kölnische Bierhalle mit Obergärigem – das Glas für zehn Pfennig. Ebenso aber auch – dem Zeitgeist entsprechend – Völkerschauen samt asiatischen Opiumrauchern und „Kongo-Kamerun-Neger-Dorf“ und Zur-Schau-Stellung anderer Menschen.

Boxkampf in der Liliput-Stadt.

Boxkampf in der Liliput-Stadt.

In einer „Zwerg-Stadt“ namens Liliput samt Bürgermeister, Bauerngehöft, Post und Box-Ring wurden Kleinwüchsige vorgeführt.

Das Gebäude von Wattlers Fischerhaus war aus Holz gebaut.

Das Gebäude von Wattlers Fischerhaus war aus Holz gebaut.

Des weiteren gab es eine Rodelbahn, Wurfbuden und einen Tanzpalast. Jeder Tanz kostete zehn Pfennig. „Schiebetänze streng verboten“ ist auf einer Postkarte von Joachim Brokmeier zu lesen, die der Hobby-Historiker allein nur zu Riehl bei Sammlerbörsen und Internetauktionen zusammengetragen hat.

Ein Kinematograph machte die Kölner mit dem neuen Medium Film bekannt und zeigte Filme von Tieren oder Modeschauen. Aber auch Boxkämpfe mit Max Schmeling, Sechsstunden-Schwimmen auf dem See der Wildwasserrutsche oder Kaninchenausstellungen fanden statt. Zur Blütezeit gab es allein drei Theater in dem Gebiet und ein Panoptikum mit zweifelhaften Wachsfiguren wie etwa der des Massenmörders Fritz Haarmann.

Warum das Treiben im Luna-Park ein Ende fand

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs nahm das Treiben im Luna-Park ein jähes Ende. Sämtliche Vergnügungsveranstaltungen wurden eingestellt und der Park teilweise als Kaserne genutzt.

Doch in der Zeit der englischen Besatzung (1920 bis 1926) erlebte der Park eine neue Blüte. Viele der hochrangigen Militärs waren in Riehl mit ihren Familien im Goldenen Eck angesiedelt worden. Sogar eine eigene Straßenbahnlinie 14 mit nur zwei Stationen verband ihre Häuser, die am Botanischen Garten für sie gebaut wurden, mit dem Zoo.

Joachim Brokmeier mit einem seiner sieben Postkartenalben auf dem Grund des einstigen Luna-Parks.

Joachim Brokmeier mit einem seiner sieben Postkartenalben auf dem Grund des einstigen Luna-Parks.

Plötzlich waren die Preisschilder im Amerikanischen Vergnügungspark neben Deutsch auch auf Englisch verfasst. Und die Anlage wurde fortan Luna-Park genannt. Das elektrische Licht hatte Einzug gehalten, Gebäude waren bald illuminiert. Aber auch ähnliche Vergnügungsparks in Berlin, Hamburg, Leipzig, Dortmund sowie im Ausland trugen inzwischen diesen Namen.

Mit der einsetzenden Weltwirtschaftskrise Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts und der damit schwindenden Kaufkraft sank auch das Interesse am Vergnügungspark. Der Stadtrat plante auf dem Gelände die Fortführung des Inneren Grüngürtels bis zum Rhein. Arbeitslose legten die Attraktionen im Rahmen von Notstandsarbeiten nieder und schufen die Grünflächen, die bis heute in dem Dreieck Amsterdamer Straße, Riehler Straße und Zoobrücke zu sehen sind.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es als Steinbaracke aufgebaut.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es als Steinbaracke aufgebaut.

Nur noch einige wenige Platanen, die heute hier stehen, dürften Zeugen des lustigen Treibens geworden sein, das hier herrschte. Von den ehemals 30 Gastronomien in Riehl verschwinden immer mehr. Nachdem auch das „Zoo-Eck“ (ehemals „Zur schönen Aussicht“, später „Bellevue“) nicht mehr als Lokal, sondern dem Wohnen dient, ist nur noch ein Lokal der einst reichen Gastronomie-Landschaft im Goldenen Eck geblieben: Richter’s Restaurant hinter dem heutigen Skulpturenpark am Konrad-Adenauer-Ufer.

Der einstige Amerikanische Vergnügungspark ist heute eine unscheinbare Grünfläche – und Joachim Brokmeier der einzige Bewahrer der Erinnerung an diese große Epoche der Vergnügungsangebote für die Kölner. Er und seine 1400 historischen Postkarten.

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