Stadtvögel in KölnDiese Vögel leben mitten in der City

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Bis zu 40000 Amseln leben in Köln. Keinen Vogel gibt es öfter.

Bis zu 40000 Amseln leben in Köln. Keinen Vogel gibt es öfter.

Köln – Für Vögel ist Köln ein Wald. „Sie sehen die Bäume und Wiesen inmitten der Häuserschluchten, die Gebäude nehmen sie als Felsen, als mögliche Nistplätze wahr“, sagt Angelica Kahl-Dunkel. Die 74-Jährige hat vor über zwölf Jahren mit Vogelliebhabern der ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Köln die Vögel in der Stadt kartiert. „Seitdem“, sagt die promovierte Biologin, „ist die Population von vielen typischen Stadtvögeln wie Turmfalke, Spatz, Mauersegler, Mehlschwalbe und Hausrotschwanz stark zurückgegangen.“

Das liege daran, dass die Stadt immer dichter bebaut wird – „und auch an Maßnahmen wie der staatlich geförderten Sanierung von Gebäuden. Durch die Erneuerung von Fassaden gehen viele Brutplätze verloren, ehemals raue Hauswände sind jetzt glatt“, sagt die 74-jährige. Mit jeder Neubebauung einer Industriebrache gehen Brutplätze verloren.

Der Mensch baut nicht nur, er mäht Rasen, beschneidet Hecken, säubert mit dem Laubbläser Gebüsche. „Und das tun leider viele Gartenbesitzer wie auch Mitarbeiter des Grünflächenamts oft, ohne die Brutzeiten der Vögel zu beachten“, sagt Kahl-Dunkel. Bis Anfang Juli sollte man Sträucher und Hecken gar nicht beschneiden. Sogar vom 1. März bis zum 30. September gilt das so genannte Sommerrodungsverbot – Hecken, Gebüsche und Bäume radikal zu beschneiden, ist in dieser Zeit nicht erlaubt. „Und Laub unter Büschen und Bäumen sollte grundsätzlich liegen gelassen werden“, sagt Kahl-Dunkel. „Es dient vielen Vögeln als Brutstätte.“ Die immer intensivere Pflege hat in den vergangenen Jahrzehnten den lieblichsten Sänger unter den Vögeln aus Parks und Friedhöfen vertrieben: die Nachtigall.

Singvögel sind erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts, als die ersten Parks und bewaldete Friedhöfe entstanden, in Köln heimisch. Vielen Waldvögeln haben Alleen den Weg in die Stadt gewiesen. Als erstes kamen Amsel, Drossel, später dann die Meisen; zwischen 1990 und 2002 haben die Kölner Ornithologen 147 brütende Vogelarten in Köln nachgewiesen – die größte Artenvielfalt gibt es in der Wahner Heide und im Worringer Bruch, aber auch in der City sind viele Vögel zu Hause. Ein Wanderfalke nistet regelmäßig am Dom oder an Groß St. Martin, im Griechenmarktviertel singen in Innenhöfen Rotkehlchen, Mönchsgrasmücke Zilpzalp und Zaunkönig, sogar Sperber und Kernbeißer brüten dort. In der Parkanlage der bischöflichen Residenz sind Eichelhäher und Spechte zu Hause, im Stadtgarten, an den Riehler Heimstätten, im Stadtwald und an der Mülheimer Brücke die aus Indien eingewanderten Halsbandsittiche, die dem Stadtbewohner dank ihrem neongrünen Gefieder eher auffallen als Sperlinge, Rabenkrähen, Finken oder Habichte. Galt der Haussperling vor zwölf Jahren mit bis zu 22.000 Brutpaaren noch als zweithäufigster Kölner Vogel nach der Amsel, ist der Bestand inzwischen „auch wegen Neubauten und Sanierungen“ stark zurückgegangen, so Kahl-Dunkel.

„In gartenreichen Bereichen der Stadt wie Marienburg, Brück oder dem Hahnwald leben deutlich mehr Vogelarten als in ländlichen Vororten, die landwirtschaftlich intensiv genutzt werden“, sagt die Vogelexpertin. In noch ländlich geprägten Stadtteilen wie Zündorf, Langel, Libur oder Worringen ist die Artenvielfalt seit den 1970er Jahren massiv zurückgegangen. Der Grund: Düngung und Pestizideinsatz, die Verwandlung von Wiesen in Ackerland.

Eine Ursache für den Artenrückgang sieht Lehrerin Kahl-Dunkel auch in der Schule: „Die Kinder lernen in Biologie nichts mehr über Tierarten. Sie lernen in der sechsten Klasse, warum ein Vogel fliegen kann, später beschäftigen sie sich mit der Zusammensetzung von DNA und dem Zitronensäurezyklus. Welche Vögel warum wo zu Hause sind, lernen sie nicht.“ Die Folgen seien Ahnungslosigkeit und Gleichgültigkeit. „Wer keine Vögel kennt, interessiert sich auch nicht für sie und sieht keinen Grund, sie zu schützen.“

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