Mobilitätsstudie für das RheinlandSo lange bleibt das Auto in Köln noch Verkehrsmittel Nummer eins

Lesezeit 6 Minuten
Fussgänger, Autos und Strassenbahnen der KVB befahren den Barbarossaplatz in Koeln auf diesem aus 17 Einzelbildern kombinierten Foto.

Das Symbolfoto zeigt eine Montage aus 17 Einzelbildern, aufgenommen am Köln Barbarossaplatz.

Bis 2045 könnte sich im Rheinland höchstens eine leichte Trendverschiebung hin zu Bahnen und Bussen ergeben.

Ein Streckennetz von 1620 Kilometern mit 201 Bahnhöfen und Haltepunkten, die von zwölf Regional-Express-Linien, 16 Regionalbahnen und fünf S-Bahnlinien bedient werden, dazu gigantische Ausbaupläne, nach denen das S-Bahnnetz bis 2040 auf zehn Linien erweitert werden soll – das ist das Angebot von go.Rheinland im Regierungsbezirk Köln. Klingt gut.

Dennoch kommt eine Grundlagenuntersuchung zur Mobilität, die der Nahverkehrsverbund in Auftrag gegeben hat, zu einer ernüchternden Prognose. Das Auto wird selbst 2045, dem Jahr, in dem Nordrhein-Westfalen das selbstgesteckte Ziel der Klimaneutralität erreichen will, das wichtigste Verkehrsmittel bleiben. Das ist das Basisszenario der Analyse und wird durch eine Umfrage unter 66 Mobilitätsbeauftragten im Einzugsgebiet von go.Rheinland und des benachbarten Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) bestätigt.

Was sagen die Fachleute?

Sie sprechen von einer „autodominierten Multimodalität“ nach der Devise: „Meistens Auto, aber hin und wieder auch mal ein bisschen anders“. Danach könnte sich die Nutzung privater Pkw vor allem in den Ballungsräumen und rund 20 Prozent verringern. Davon sollen der öffentliche Nahverkehr, das Fahrrad und Sharing-Angebote zu jeweils sechs Prozent profitieren. Das Auto bliebe damit zwar das Verkehrsmittel Nummer eins, werde aber deutlich flexibler eingesetzt. Dieser Trend hänge aber auch davon ab, wie schnell sich Elektroautos auf dem Markt durchsetzen und ob die Kommunen in der Verkehrspolitik auf dem Kurs bleiben, das Umsteigen vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel zu fördern.

Ist das nicht nur graue Theorie?

Nein. Vor wenigen Tagen hat die Stadt Köln die Zulassungsstatistik für das vergangene Jahr veröffentlicht. Danach waren in Köln 558.118 Kraftfahrzeuge zugelassen. Das sind 1,6 Prozent mehr als im Jahr 2022. Die überwiegende Zahl sind Pkw (491.747), von denen 405.367 privat und 86.830 gewerblich genutzt werden. Immerhin: Die Kölner legten im Jahr 2023 nur noch 25 Prozent aller Wege mit dem Auto zurück. 2017 waren es noch 35 Prozent. Das ergab eine Mobilitätsumfrage unter 6000 Haushalten. Das zeigt: Die Verkehrswende kommt voran, wenn auch nur sehr langsam.

Trotzdem bleibt das Auto immer noch die erste Wahl, könnten die Zulassungszahlen sogar weiter steigen. Warum ist das so?

Die meisten Menschen im Einzugsgebiet von go.Rheinland leben im Ballungsraum Köln/Bonn und in Aachen. Ein weiterer Bevölkerungsschwerpunkt liegt rund um Düren. In diesen urbanen Regionen gibt es die meisten Arbeitsplätze. Mit mehr als 590.000 Beschäftigten liegt Köln mit weitem Abstand vorn. Entsprechend stark sind die Mobilitätsströme zwischen den Zentren der Region.

Laut Untersuchung ist die Verbindung zwischen Köln und Bergisch Gladbach mit 45.000 Wegen je Tag und Richtung über alle Verkehrsmittel hinweg die stärkste, gefolgt von Köln-Leverkusen (39.000), Köln-Hürth (32.000), Köln-Bonn (30.000) und Aachen-Stolberg (30.000). In diesen Ballungsräumen ist auch das Netz der Bahnhöfe und Haltepunkte besonders engmaschig.

Die Folge: Köln (19 Prozent) und Bonn (17 Prozent) haben die höchsten Werte bei der Nutzung von Bahnen und Bussen. Der Rhein-Sieg-Kreis und der Rhein-Erft-Kreis stehen mit zehn Prozent noch recht gut da. Im krassen Gegensatz dazu stehen der Oberbergische Kreis, der Rheinisch-Bergische Kreis und etliche Kommunen im Kreis Euskirchen. Dort gibt es zum Auto häufig keine Alternative. Im Oberbergischen Kreis beispielsweise entfallen 74 Prozent der Verkehrsleistung auf das Auto und nur insgesamt sieben Prozent auf öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad.

Der sogenannte Modal Split, der die Verteilung der Verkehrsträger auf das Verkehrsaufkommen wiedergibt, kommt im Regierungsbezirk Köln für das Jahr 2017 zu dem Ergebnis, das 54 Prozent der Wege mit dem Auto zurückgelegt werden, 23 Prozent zu Fuß, zwölf Prozent mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Fahrrad.

Welchen Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Bahn und Bus konkurrenzfähig sind?

Das Reisezeitverhältnis ist neben der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der entscheidende Faktor beim Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel. Es gibt Auskunft darüber, wie schnell bestimmte Strecken mit dem ÖPNV im Vergleich zum Auto zurückgelegt werden können. Ein Verhältnis von 2 bedeutet, dass man mit Bus und Bahn doppelt so lange zwischen zwei Städten, Bezirks- oder Ortsteilzentren unterwegs ist.

Das Ergebnis der Mobilitätsstudie ist ernüchternd. Nur wenige Gemeinden haben ein durchschnittliches Reisezeitverhältnis von unter 2. Kommunen im ländlichen Bereich, die gut abschneiden, haben in der Regel ÖPNV-Umsteigepunkte oder sind im Idealfall über das Schnellbusnetz gut erreichbar. Das ist zum Beispiel in Hellenthal im Kreis Euskirchen der Fall.

Zwischenbilanz Regionale 2025
Schnellnus SB53 in Ruppichteroth
vorn und hinten

Schnellbuslinien wie hier der SB53 in Ruppichteroth können in ländlichen Gebieten eine Alternative zum eigenen Auto sein.

Wie kann man das Verkehrsangebot weiterentwickeln?

Schnellbuslinien sind für ländliche Gebiete, die nicht an das Schienennetz angebunden sind, durchaus eine Alternative. Bis Ende 2022 hat go.Rheinland insgesamt 14 Schnellbuslinien in Betrieb genommen. Dazu kann der Bau von Park-and-Ride-Anlagen dazu beitragen, die Reisezeiten des ÖPNV zu verkürzen. Das gilt vor allem für die Bahnhöfe im Umkreis von Köln, Bonn und Aachen, aber auch für die Außenbereiche des Stadtbahnnetzes der Kölner Verkehrs-Betriebe und der Stadtwerke Bonn.

Mobilstationen, die das Umsteigen auf alternative Verkehrsmittel wie Leihräder ermöglichen, tragen erheblich zur Verkürzung der Reisezeiten bei. In Köln, Bonn, im Kreis Düren und dem Rheinisch-Bergischen Kreis hat go.Rheinland nach eigenen Angaben schon Fortschritte erreicht. Das Ziel müsse ein flächendeckendes Netz von Mobilstationen sein.

Was ist mit dem Bahnausbau?

Er ist der zentrale Schlüssel für die Mobilitätswende, hat aber den Haken, dass er sehr zeitaufwändig und teuer ist. Die ersten vier Linien des Rhein-Ruhr-Express fahren seit 2018 im Vorlaufbetrieb. Geplant ist, das Netz auf sieben Linien auszubauen.

Der Ausbau der Kölner S-Bahn ist zum Teil finanziert und schreitet voran, doch hilft das kurzfristig nicht weiter. „Mit der Erweiterung der Infrastruktur auf der S-Bahn-Stammstrecke zwischen Köln-Hansaring und Köln Messe/Deutz und weiteren Ausbauten in der Region eröffnet sich die Möglichkeit, verschiedene heutige RB-Linien zur S-Bahn aufzuwerten und gleichzeitig Kapazitäten für den Regional- und Fernverkehr auf den Fernbahngleisen freizumachen“, heißt es in der Grundlagenuntersuchung. Zwischen Köln und Mönchengladbach soll die S6 im 20-Minuten-Takt fahren, zwischen Köln-Worringen und Bergisch Gladbach die neue S10 die bestehende S 11 ergänzen. Eine neue S14 wird in den Hauptverkehrszeiten zwischen Köln-Nippes und Bergisch Gladbach fahren. Die S12 soll von Horrem nach Bedburg verlängert werden und die bisherige Regionalbahn 38 ersetzen. Die neue Linie S13 wird von Düren über Köln Hauptbahnhof und den Flughafen nach Bonn-Oberkassel führen.

Warum hat go.Rheinland diese Grundlagenuntersuchung überhaupt in Auftrag gegeben?

Sie wurde auf Beschluss der politischen Gremien des damaligen Nahverkehr Rheinland (NVR) vor drei Jahren in Auftrag gegeben. Die meisten Datensätze stammen von go.Rheinland, vom Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) und vom Aachener Verkehrsverbund (AVV): Eingeflossen sind etwa Informationen aus der Nahverkehrsplanung, Analysen von Mobilitätsströmen sowie die Güterverkehrsstudie für die Metropolregion Rheinland und das regionale P+R-Konzept von go.Rheinland. Zudem sind Daten und Informationen des Statistischen Landesamts enthalten.

Ein Schwerpunkt lag in der Entwicklung von Szenarien zur Verkehrs- und Mobilitätsentwicklung. Der digitale Mobilitätsatlas sei ein „gewaltiger Fundus an Daten, auf deren Basis sich die Mobilität der Zukunft konzipieren lässt“, sagt Norbert Reinkober, Geschäftsführer von go.Rheinland. „Wir bieten neben unseren bereits bestehenden Angeboten wertvolle Unterstützung für die Kommunen und Planenden, die die Projekte vor Ort gestalten.“

Ist die Untersuchung allgemein zugänglich?

Ja. Die Datensammlung steht als Online-Tool auf der Internetseite von go.Rheinland zur Verfügung: wir.gorheinland.com/vernetzte-mobilitaet/grundlagenuntersuchung-mobilitaet

KStA abonnieren