Von der Raumfahrt zur BücherweltRussische Ex-Astronautentrainerin verlegt Kinderbücher in Köln

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Porträt des Ehepaars Khanin, vor ihnen einige Bücher, die sie verlegt haben.

Die pensionierte Raumfahrtingenieurin Elena Khanina und ihr Mann Vladimir Khanin führen seit sie in Rente sind den kleinen Verlag Yalden am Ebertplatz

Jahrzehntelang arbeitete Elena Khanina als Raumfahrtingenieurin, unter anderem beim Kölner DLR. Die Rente nutzen sie und ihr Mann nicht, um sich auszuruhen.

Seit Russland die Ukraine vor nun bald zwei Jahren angegriffen hat, ist der Bedarf besonders groß. Viele ukrainische Flüchtlinge kamen seit jenem 24. Februar nach Deutschland und Köln, vor allem Mütter mit ihren Kindern. Russisch-deutsche Kinderbücher sind daher sehr gefragt, weiß Elena Khanina, die zusammen mit ihrem Mann Vladimir Khanin 2020 den Verlag „Yalden“ am Ebertplatz gegründet hat.

„Wir haben ein traditionelles russisches Volksmärchen im Programm, das sowohl die Ukrainer als auch die Russen kennen. Es ist gut für Kinder, die Deutsch lernen. Wir haben viele Bücher gespendet“, sagt Khanina. Wir treffen sie und ihren Ehemann in ihrem Verlagsbüro. Khanin und Khanina sind Pensionäre, mit dem Eintritt in die Rente vor vier Jahren haben sie sich mitnichten zur Ruhe gesetzt.

Großvater arbeitete mit Stalin zusammen

Stattdessen staute sich bei Khanina über Jahrzehnte der Wunsch an, eine Familienbiografie zu schreiben. Über ihren Großvater, eine bemerkenswerte Persönlichkeit, so Khanina. Einen Revolutionär und Offizier in der Zarenarmee. Er habe mit Stalin in einem Verteidigungsquartier gearbeitet und im Bürgerkrieg gekämpft. Er sei vom Kommunismus fasziniert gewesen und habe der roten Armee gedient.

Khanina habe diese Geschichte auch für ihre Mutter aufschreiben wollen. Als sie dann feststellte, dass die Suche nach einem Verlag hier erfolglos bleiben würde, hat das Ehepaar entschieden, selbst einen Verlag zu gründen. „Niemand will hier auf Russisch Bücher verlegen. Wir haben das Geschäft unterschätzt. Eine Sache ist es, das Buch zu schreiben, das andere, es zu verkaufen.“ Neben der Familienbiografie, verlegen sie mehrheitlich Kinder- und Jugendbücher.

Cover des Buches „Die Glückshenne und das schlichte Ei“, ein deutsch-rusissches Kinderbuch

Elena Khanina verlegt russisch-deutsche Kinderbücher, die seit der Ankunft ukrainischer Flüchtlinge besonders gefragt sind.

Neu erschienen ist etwa die Geschichte eines deutsch-jüdischen Mannes, der den Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Das Buch „Mein verdorbenes Blut oder Streuselkuchen nach schlesischer Art“ von Hubert C. Küter, einem in die USA ausgewanderten Deutsch-Juden, ist eine Autobiografie und bereits 2007  in den USA erschienen. Der 1930 in Breslau geborene Mann lebt heute in Maine und ist ein entfernter Verwandter des Ehepaars Khanin.

Buch erzählt eine deutsch-jüdische Geschichte aus der Sicht eines Jugendlichen

„Als ich es gelesen habe, habe ich direkt zugesagt. Eine deutsche Übersetzung lag schon lange vor, das Buch hatte nur keinen Verlag in Deutschland gefunden.“ Dabei sei es so lesenswert, findet Khanina. „Das Buch handelt von Antisemitismus und ist gleichzeitig für Jugendliche, weil es auf abenteuerliche Weise geschrieben ist. Es ist aus der Perspektive eines Teenagers verfasst. Er ist ein sehr humorvoller Mensch. Obwohl es von der Judenverfolgung handelt, steckt viel Lebensfreude drin.“

Thematisiert Antisemitismus und ist die biografische Erzählung eines jüdischen Mannes, der während des Zweiten Weltkriegs aufgewachsen ist. Cover des Buches

Thematisiert Antisemitismus und ist die biografische Erzählung eines jüdischen Mannes, der während des Zweiten Weltkriegs aufgewachsen ist.

Diese Faszination für Geschichten ist umso bemerkenswerter, als das Paar im Berufsleben Zahlen stets näher war als Literatur. Die Khanins sind durch und durch Naturwissenschaftler. Khanin ist promovierter Physiker und hat, als das Paar nach dem Ende der Sowjetunion 1991 nach Köln auswanderte, schnell Fuß im Informatik-Bereich gefasst. Für Khanina war der Weg mit zwei kleinen Kindern zunächst nicht so leicht.

Als studierte Raumfahrtingenieurin hat sie zunächst mit einem Praktikum beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) begonnen. Bis zur Stelle als Safety Ingenieurin vergingen Jahre. Dazwischen musste sie ein Jahr lang intensiv Englisch büffeln. So hat es beim ersten Vorstellungsgespräch für die Stelle erst nicht geklappt. „Für mich war es das Ende der Welt, ich dachte, ich werde sterben. Mit 45 musste ich erst Englisch lernen.“ Khanina blieb ehrgeizig. Beim DLR war sie bis zur Rente in unterschiedlichen Projekten angestellt. Ihre Lieblingstätigkeit war ihre Stelle als Astronautentrainerin.

Von Russland nach Köln: Keine Telefongespräche über Politik

Dass das Ehepaar in Deutschland das weitermachen konnte, was es in Russland gelernt hatte, ist nicht selbstverständlich. Doch das Risiko nahmen sie auf sich, zu sehr wollten sie hinaus. „Wir wollten so stark die freie Welt sehen, unsere Angst war, dass unser Zuhause wieder geschlossen werden konnte. Also gingen wir nach Köln“, so Khanina.

In Russland leben weiterhin Freunde und Verwandte. „Wir wollen mit Russland aktuell nichts zu tun haben und haben schon 2020 keine Geschäftsbeziehungen gesucht.“ Politisches werde am Telefon nicht besprochen, aus Angst, abgehört zu werden. Einmal habe eine Freundin sich dennoch dazu hinreißen lassen, etwas offen auszusprechen. „Ich kann mit niemandem hier sprechen, alle sind pro Putin“, habe sie erzählt. „Der Krieg ist 2022 ausgebrochen, aber es brodelt dort seit Jahren“, sagt Khanina.

www.verlag-yalden.de

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