Tische und Hocker bleiben leerSo erlebten Kölner Fußball-Fans das deutsche WM-Spiel

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Piranha-Bar in Köln kurz vor dem ersten deutschen WM-Spiel

Ein einsamer Gast sitzt kurz vor dem Anpfiff in der Bar Piranha in Köln.

Deutschland startete am Mittwoch in die umstrittene Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Wir sind in Köln unterwegs gewesen und haben geschaut, ob und wo WM-Stimmung aufkommt.

Viele Kölner Kneipen haben sich in den vergangenen Monaten und Wochen strikt dagegen entschieden, Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar zu übertragen. Doch nicht alle Gastronomen machen bei #boycottqatar mit. Wir waren im Piranha in der Kölner Innenstadt und haben mit den Fans gesprochen.

15 Minuten vor Anpfiff war es noch ruhig. Ein einziger Mann hat sich in die Bar verirrt und hat freie Platzwahl. Von Partystimmung fehlte hier jede Spur, das könnte allerdings auch mit der ungewohnten Zeit zu tun haben.

„Um diese Uhrzeit wären die Kneipen sowieso leer, auch ohne Katar,“ sagte Lutz Nagrotzki, Wirt des Piranha. Auch von Fußball-Dekoration fehlte jede Spur – das würde laut Nagrotzki nicht zu den Weihnachtsgirlanden in der Stadt passen. Das Piranha ist eine der wenigen Kneipen, die das Spiel übertragen haben. „Die, die jetzt den Boykott ausgerufen haben, haben eh nie Fußball übertragen“, kommentierte Nagrotzki.

Fünf Männer sitzen auf Barhockern in der Kneipe Piranha und schauen sich das Deutschland-Spiel an.

Ein paar Gäste schauen sich das Deutschland-Spiel in der Kneipe Piranha an.

14 Uhr: Eine kleine Gruppe hatte sich zum Anpfiff in der gemütlichen Sitzecke der Kneipe eingefunden. Ramon, Piet und Moritz haben sich den Nachmittag freigenommen, um das Spiel gemeinsam zu sehen. Bei Burgern und Pommes sowie ersten Kölsch-Stangen verfolgten sie das Spiel auf dem großen Bildschirm, der in der leeren Kneipe wie ihr Wohnzimmer-Fernseher wirkt. Auch Moritz' Vater Georg ist in seiner Mittagspause dazu gekommen. Die Situation in Katar beschäftigt sie trotzdem, sie wollen als Ausgleich an Amnesty International spenden. Piet sagte, so würde es wenigstens mehr Aufmerksamkeit für die Problematik geben. „Es ist nicht völlig ausgelassen“, beobachtete Moritz seine Stimmung, „ein getrübtes Gucken“, ergänzte sein Vater.

Als Ilkay Gündogan die deutsche Mannschaft per Elfmeter in Führung schoss, hallte ein kurzer Jubelschrei durch die Kneipe. Vier weitere Fans teilten sich den zweiten Bildschirm über der Theke. Dass die WM in Katar problematisch ist, hätte man sich früher überlegen müssen, meinten sie. Jetzt sei die Mannschaft da und spiele.

Zur Halbzeit wechselten wir die Kneipe und gingen hinüber in die Gaststätte Stiefel auf der Zülpicher Straße. Und tatsächlich: In den vielen Ecken des „Stiefels“ haben sich ein paar Grüppchen eingefunden.

Deutschland-Fans beim ersten WM-Spiel gegen Japan in der Kölner Kneipe Stiefel

Deutschland-Fans beim ersten WM-Spiel gegen Japan in der Kölner Kneipe „Stiefel“.

„Mehr Emotionen wäre schon geiler, aber es ist eben 14 Uhr, da hat nicht jeder Zeit“, sagte Student Casper. Vor allem Studierende wie er schauen hier das Spiel gemeinsam. Trotzdem war auch der Stiefel selten so leer vorzufinden, wie an diesem Mittwochnachmittag. Nach den für Deutschland-Fans in der Vergangenheit enttäuschenden Turnieren und der Corona-Zeit, die den jungen Studierenden vieles genommen hat, haben sie Nachholbedarf an gemeinsamen Erlebnissen, erklärt Casper. Er saß mit sechs Freunden eng zusammen. Zur Halbzeit haben sie sich neues Bier geholt. Er habe sich informiert und Dokus über die Menschrechte in Katar und die Verfolgung Homosexueller gesehen. „Andererseits bin ich mit Fußball groß geworden und wenn der Ball rollt, ist es superschwer wegzugucken.“

Das Spiel selbst sorgte in der zweiten Halbzeit für Missmut. Nicht nur, dass zahlreiche Chancen liegen gelassen wurden, Japan drehte das Spiel in der Schlussphase sogar noch: Dies sorgte für große Enttäuschung bei den anwesenden Fans, es wird noch ruhiger. Immerhin einer trug ein Deutschland-Trikot. Manche Personen klappten ab und zu den Laptop auf, sie schienen noch arbeiten zu müssen. Mit dem zweiten Gegentor wurden schon die letzten Kölschstangen ausgetrunken. „Die Stimmung ist dafür, dass Deutschland spielt, schon echt schwach“, beobachtete Studentin Kathrin.

Mit Abpfiff herrschte im Stiefel dann Aufbruch. Es scheint den Studierenden neben Fußball auch um Geselligkeit mit dem Freundeskreis gegangen zu sein. Die jungen Kölnerinnen und Kölner zogen mit ihren Gruppen weiter.

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