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Wo steht Köln?Das sind die Gründe für die Wohnbaukrise in Köln

Lesezeit 6 Minuten
Das Bild zeigt zwei Baukräne auf einer Baustelle in der Innenstadt.

In der Krise: In Köln werden zu wenige Wohnungen gebaut und das Problem nimmt zu.

Wo steht Köln? Beim Wohnungsbau steht die Stadt nicht besonders gut da, damit ist Köln aber nicht allein. Eigentlich sollte es besser werden, doch Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat wenig Hoffnung, dass das klappt.

Am Schlebuscher Weg im rechtsrheinischen Höhenhaus lässt sich gerade gut beobachten, warum sich die Krise beim Neubau von Wohnungen in Köln weiter verschärfen dürfte. Dort wollte die LEG eigentlich ihre 200 Wohnungen aus den 60er-Jahren abbrechen und für mehr als 80 Millionen Euro 400 neue Wohnungen bauen, 30 Prozent davon öffentlich gefördert mit günstigen Mieten. Es gab schon einen Siegerentwurf eines Architekten.

Jetzt hat die LEG das Projekt gestoppt, begründet das mit Verzögerungen durch Corona, dem komplexen Bebauungsplanverfahren, den unklaren Förderbedingungen und explodierenden Baukosten von bis zu 30 Prozent. Bis Mitte 2023 will die LEG klären, ob sie das Projekt abbricht und die Wohnungen stattdessen modernisiert, den Neubau unter angepassten Bedingungen umsetzt oder an ein anderes Unternehmen verkauft. Im Ergebnis bleibt: Statt 200 zusätzlicher Wohnungen tut sich erstmal nach Jahren der Planung nichts.

Erst ist Köln an seinen selbst gesteckten Zielen beim Wohnungsneubau gescheitert, dann verschlimmerten Corona, der Krieg und steigende Zinsen alles. Das ist die Ist-Situation.

Vor fünf Jahren hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) mittelfristig 6000 neue Wohnungen jährlich als Ziel ausgegeben, davon ist die Stadt Köln und mit ihr die Bauwirtschaft weit entfernt – auch schon in Zeiten vor Corona und dem Krieg. In den vergangenen 13 Jahren sind in Köln jährlich knapp 2900 Wohnungen bezugsfertig geworden, in den vergangenen drei Jahren waren es im Schnitt nur 2250 pro Jahr. Keine Spur von einer Trendwende, wie sie Reker angesichts von knapp 4000 neuen Wohnungen im Jahr 2018 ausgerufen hatte.

Dramatisch teurere Einfamilienhäuser

Seit Jahren steigen die Preise für ein Haus massiv, 2011 beispielsweise kostete ein durchschnittliches Einfamilienhaus in Köln 339.000 Euro, im Jahr 2020 waren es 667.000 Euro, also fast das Doppelte. Das hat die Analyse des Gutachterausschusses der Stadt Köln ergeben.

Wohnungsbau ist eine komplexe Aufgabe: Bund und Land machen die Gesetze, unter anderem beim Brandschutz oder der Barrierefreiheit. Die Städte wie Köln legen mit der Politik weitere Regeln fest, etwa wann ein Investor bei welchem Vorhaben wie viele öffentliche Wohnungen bauen muss, ob sie eigene Grundstücke an den Investor mit dem besten Konzept und nicht dem dicksten Konto verkauft – alles in der Hoffnung, irgendwie den Wohnbau anzukurbeln und den Schaffung günstiger Mietwohnungen zu sichern.

Wir haben es in Deutschland geschafft, uns in eine fatale Spirale zu begeben, in dem wir alles verkomplizieren mit Vorschriften und Regularien.
Torsten Bölting

Das hat Folgen, wie Torsten Bölting, Geschäftsführer des Instituts für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung in Bochum, sagt: „Für die Wohnbaukrise gibt es nicht den einen Schuldigen. Wir haben es in Deutschland geschafft, uns in eine fatale Spirale zu begeben, in dem wir alles verkomplizieren mit Vorschriften und Regularien. Das ist eine vertrackte Situation und ein Ausweg daraus ist sehr schwierig, weil es so viele Beteiligte gibt.“

Baudezernent Markus Greitemann sagte: „Die Beschleunigung bei der Schaffung von Wohnraum erzielen wir nur, wenn Verwaltung, Politik, Vorhabenträger und auch die Stadtgesellschaft eng zusammenarbeiten. Fingerpointing bringt da nichts – zumal die vorherrschenden Krisen die Aufgabe erheblich erschweren und erschwert haben.“

Die Beteiligten lechzen nach Digitalisierung, nach einfacheren Prozessen, nach mehr Bauland, nach mehr Tempo, gleichzeitig ist beispielsweise der Brandschutz wichtig. Wo fängt man also an, Vorgaben aufzugeben? Zumindest hat Köln jetzt nach vielen Jahren des Ankündigens in einem ersten Schritt die digitale Bauakte für Wohnbauprojekte eingeführt.

Und in den vergangenen beiden Jahren hat die Stadt beispielsweise jeweils 32,6 und 43,8 Prozent mehr beantragte Wohnungen genehmigt als im Zehnjahresschnitt von 6559 Wohnungen jährlich. Doch trotz der Genehmigungen durch die Stadt bauen die Investoren jetzt weniger als voher, als Gründe gelten Corona, Fachkräftemangel oder Bodenspekulationen.

Und es bleibt die Frage bei den Städten wie Köln: Helfen immer mehr Quoten tatsächlich, um Wohnungen mit günstigen Mieten zu bauen oder murksen sie nicht eher den Neubau generell ab, weil sie noch mehr Formalien enthalten? Das ist die Glaubensfrage bei diesem Thema.

Die einen sagen: Das regelt der freie Markt. Die anderen sagen: Wenn es tatsächlich der Markt regelt, gibt es nur noch teure Wohnungen, weil Investoren teure Grundstücke mit teuren Wohnungen refinanzieren wollen, oft nicht zu bezahlen für den sogenannten Normalverdiener. Das sind die zwei Extrempole einer Diskussion darüber, wie es eine Stadt wie Köln schafft, erstens genug Wohnungen zu bauen, um den umkämpften Wohnungsmarkt zu entspannen. Und zweitens, wie Wohnungen gebaut werden, die bezahlbar sind.

Wir müssen dahin kommen, dass wir nicht im Vorfeld eines jeden Projektes alles bis ins kleinste Detail regeln.
Torsten Bölting

Bölting sagt: „Wir müssen dahin kommen, dass wir nicht im Vorfeld eines jeden Projektes alles bis ins kleinste Detail regeln – wichtig ist doch, dass wir uns auf Ziele verständigen und offen sind für die Lösungen, die uns dazu angeboten werden.“

Ohnehin brauchen Modelle wie das Kooperative Baulandmodell lange, bis sie greifen, bis sie keine Schlupflöcher bieten, sie zu umgehen. Sieben Jahre nachdem der Stadtrat das Kooperative Baulandmodell zum Bau von Wohnungen mit günstigen Miete in Köln eingeführt hat, ist die Bilanz verheerend.

Stand Jahresende 2021 ist laut Stadt keine einzige Wohnung nach dem Modell fertig gestellt worden – obwohl rund 45 Prozent der Kölnerinnen und Kölner über einen Wohnberechtigungsschein theoretisch Anspruch auf eine solche Wohnung hätten. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit bleibt eine große Lücke, die vor allem Menschen trifft, die auf dem freien Markt kaum oder keine Chance haben.

Die Logik hinter dem Baulandmodell lautet: Der Bauherr darf in Köln bauen, muss aber 30 Prozent der Wohnfläche für öffentlich geförderte Wohnungen reservieren. Das gilt für Neubauvorhaben ab einer Größe von 1800 Quadratmeter Wohnfläche. Baut er also 10.000 Quadratmeter Wohnfläche, müssen 3000 davon für den öffentlichen Wohnbau reserviert sein.

Zahl der Sozialwohnungen nimmt lange Jahre ab

Das Land NRW fördert dabei den Bau mit Geld, dafür bleiben die Wohnungen zumeist 25 bis 30 Jahre an die Miete gebunden, aktuell sind es 7 bis 7,80 Euro je Quadratmeter. Doch vermutlich erst 2022 werden die ersten Wohnungen fertig und helfen den Wegfall der Wohnungen zu kompensieren, die nach und nach ihre Bindung an die Miete verlieren.

Tatsächlich gab es in Köln 1998 rund 68.500 öffentlich geförderte Wohnungen, das entsprach 13,5 Prozent aller Wohnungen. Jetzt sind es noch knapp 38.000 und 6,7 Prozent. Seit 2015 stagnierte diese Prozentzahl, was schon als kleiner Erfolg gilt.

Reker hat gerade erst eines ihrer zentralen Wahlkampf-Ziele, mehr Wohnungen zu bauen, en passant im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ abgeräumt. Sie sagte zu den Neubauzahlen: „Und die werden leider auch schlecht bleiben, weil es in einer so dicht bebauten Stadt wie Köln zu wenig Bauland gibt.“ Die Städte seien strukturell überfordert.

Die Wohnungsbaukrise wird also erstmal vermutlich noch schlimmer. Nicht nur, aber auch in Köln.

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