Kölner Wohnbaukrise„In Köln gibt es zu viele Regeln“

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Das Bild zeigt eine Baustelle am Dom.

Auch am Laurenz-Carré sollen neben Büros auch Wohnungen entstehen.

Seit Jahren verfehlt Köln seine Ziele im Wohnungsneubau. Warum das so ist, erklärt Experte Volker Eichener von der Hochschule Düsseldorf. Er sagt auch, wie es aus seiner Sicht besser laufen könnte. Denn die Zeit drängt, Eichener sagt: „Wir haben mittlerweile eine echte Wohnungsnot und die verschärft sich monatlich.“

Herr Eichener, wie bewerten Sie die Wohnungsbaupolitik der Stadt Köln?

Volker Eichener: Es wird einfach zu wenig gebaut. Damit steht Köln nicht allein da, aber Köln ist auch keine leuchtende Ausnahme von der Regel. In Köln gibt es zu viele politische Kräfte, die den Wohnungsbau behindern und blockieren.

Was heißt das?

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Was eine Stadt beim Wohnungsbau selbst umsetzen kann, ist begrenzt. Die Wohnungsbaupolitik machen hauptsächlich der Bund und die Länder. Aber die Kommune kann preisgünstig Baugrundstücke bereitstellen. Die Stadt Köln weist zu wenig Bauland aus und gibt das Bauland zu teuer ab. Und es gibt Parteien, die gegen die Ausweisung von Bauland sind oder zumindest ihr skeptisch gegenüber stehen ebenso wie dem Bau von Einfamilienhäusern.

Sie meinen die Grünen?

Ja. Das führt dazu, dass es zu wenig verfügbare Grundstücke gibt und die Grundstückspreise zu hoch sind. Das drückt auf die Bauleistungen, die ohnehin seit zehn Jahren unter Druck sind, weil der Staat immer neue Auflagen erlassen hat, die zur Verteuerung beigetragen hat. Dazu zählen Umweltauflagen, Stellplatzanforderungen, Barrierefreiheit, Klimaschutz und so weiter. Und ganz aktuell kommen noch die Baukostensteigerungen sowie die gestiegenen Zinsen dazu. Gegen Baukostensteigerungen und höhere Zinsen kann die Stadt Köln nichts tun, aber sie könnte ihre eigenen kostentreibenden Anforderungen etwas reduzieren, etwa bei den Stellplatznachweisen. Oder sie vergibt die Grundstücke in Erbpacht oder vergibt sie an Investoren mit dem besten Konzept und nicht nur nach dem höchsten Angebot.

Die Stadt darf keine überzogenen Forderungen stellen. Das ist leider nicht nur in Köln so. Es gibt immer mehr Anforderungen an den Neubau.
Volker Eichener

Das versucht sie, aber es funktioniert nicht gut, weil sich wenige Interessenten finden.

Die Stadt darf keine überzogenen Forderungen stellen. Das ist leider nicht nur in Köln so. Es gibt immer mehr Anforderungen an den Neubau. Dann darf man sich nicht wundern, dass das Bauen teurer wird und das zu wenig gebaut wird. Wir haben mittlerweile eine echte Wohnungsnot und die verschärft sich monatlich. Und ökologisch sinnvoll ist es auch nicht: Wer ins Umland abwandert, pendelt oft mit dem Auto nach Köln ein und aus. Der ökologische Gesamteffekt ist viel negativer als neues Bauland in Köln auszuweisen.

Das Bild zeigt den Wissenschaftler Volker Eichener.

„In der Wohnungspolitik haben wir ein Konzert von Blockierern“, sagt Volker Eichener von der Hochschule Düsseldorf über die Kölner Probleme.

Was halten Sie vom Kooperativen Baulandmodell, es verpflichtet Investoren dazu, 30 Prozent der neuen Wohnfläche für öffentlich geförderte Wohnungen mit günstiger Miete.

Aus rein wissenschaftlicher Sicht sage ich: Jede neue Wohnung entlastet den Markt. Es müssen alle Potenziale genutzt werden und nicht nur diese öffentlich geförderten Wohnungen. Politik macht immer Klientelpolitik für bestimmte Gruppen, dabei brauchen wir jede neue Wohnung.

Also der Markt regelt das schon? Aber die Zahl der öffentlich geförderten Wohnungen hat sich in Köln seit den 90er-Jahren halbiert, die will also kaum jemand bauen.

Da sind viele Fehler in der Vergangenheit gemacht worden. Trotzdem sind diese Quotenmodelle schwierig, beispielweise die 30 Prozent des Kooperativen Baulandmodells in Köln. Der Bau dieser Wohnungen rentiert sich für Investoren nicht, deshalb finanzieren sie deren Bau über teure Eigentumswohnungen. Das Problem: Durch die steigenden Zinsen können sich viele Menschen die Eigentumswohnungen nicht mehr leisten, deshalb sind die Quoten kontraproduktiv.

Zurücknehmen wird der Kölner Stadtrat das Modell ziemlich sicher nicht.

Dann müssen die Politiker sich fragen, welchen Beitrag sie zur Verschärfung der Wohnungsnot geleistet haben. In Köln gibt es zu viele Regeln – und am Ende funktioniert es nicht. Wenn man sieht, dass es seit Jahren nicht funktioniert, muss man etwas ändern. In der Wohnungspolitik haben wir ein Konzert von Blockierern, jeder hat einen anderen Grund zu hemmen – und das addiert sich.

Aber ohne Quoten baut doch kein Investor Sozialwohnungen.

Stimmt. Aber dann muss das Land mehr Fördergeld geben. Wenn ich etwas politisch will, muss ich das subventionieren.

Was könnte die Stadt Köln besser machen tun?

Bauland offensiv ausweisen oder in Erbpacht abgeben. Grundstücke per Konzeptvergabe mit realistischen Vorgaben abgeben. Schneller Baugenehmigungen ausstellen und gesetzliche Regelungen weniger restriktiv auslegen. Die Bearbeitungen dauern länger als sie müssten, das ist teils auch ein Mentalitätsproblem. Wir brauchen eine Förderungs- und keine Verhinderungsmentalität. Eigentlich müsste man jedem, der bauen will, einen Roten Teppich ausrollen.

Selbst wenn Investoren Wohnungen mit horrenden Mieten bauen?

Ich würde sagen: ja. Weil es dann einen Suchenden weniger gibt. Ich nenne das den Sickereffekt, er führt dazu, dass letztlich günstigere Wohnungen frei werden.

Zur Person: Professor Doktor Volker Eichener, 63, lehrt an der Hochschule Düsseldorf. Sein Fachgebiet ist die Sozialpolitik. Er beschäftigt sich mit dem Immobilienmarkt und Stadtentwicklung. Eichener war Gründungsrektor der EZB Business School in Bochum.

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