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Kommentar

Priesterausbildung
Abschottung – Woelki schafft Fakten bei der Kölner Hochschule für Theologie

Lesezeit 4 Minuten
Kardinal Rainer Woelki (Mitte) im Prozessionszug durch die Kölner Innenstadt am Fronleichnamstag

Kardinal Rainer Woelki (Mitte) im Prozessionszug durch die Kölner Innenstadt am Fronleichnamstag

Markus Ogorek, Professor für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Universität Köln, sieht bei Kardinal Woelki eine Wagenburg-Mentalität.

Kirchenpolitische Weichenstellungen erfolgen oft leise, aber mit nachhaltiger Wirkung. So auch im Erzbistum Köln, wo Kardinal Rainer Woelki offenbar anstrebt, die Priesterausbildung von der Universität Bonn an die von ihm protegierte Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) in Lindenthal zu verlagern. Noch ist die Wahl des Studienorts zwar formal offen, doch mit der Aufgabe des Bonner Collegium Albertinum als Ausbildungs- und Wohnstätte der Priesterkandidaten schafft das Erzbistum Fakten. Die angehenden Seelsorger leben nun in Köln und werden folgerichtig auch lieber dort studieren wollen.

Beobachter befürchten, dass dieses innerkirchliche Konkurrenzangebot die Theologie in Bonn, deren interdisziplinäres Profil und akademische Strahlkraft jahrzehntelang Maßstäbe gesetzt haben, empfindlich schwächen könnte. Bereits ist von möglichen Einschnitten in die Ausbildung die Rede. Dass das Erzbistum ausgerechnet einer Einrichtung, die bis vor Kurzem noch als Sanierungsfall galt, den Vorzug vor der Exzellenzuniversität Bonn gibt, wirft Fragen auf – und nährt den Eindruck, es gehe weniger um wissenschaftliche Qualität als um inhaltliche Kontrolle.

Der akademische Ruf der Woelki-Hochschule ist eher bescheiden

Die KHKT war ursprünglich eine Ordenshochschule, wurde lange von den Steyler Missionaren getragen und 2020 vom Erzbistum übernommen. Seither bemüht man sich um ein eigenständiges Profil, doch der akademische Ruf ist eher bescheiden geblieben. Weder in der Forschung noch bei der Einwerbung von Drittmitteln konnte sich die Hochschule bislang wirklich profilieren, geschweige denn mit der Universität in Bonn mithalten. Dass sie nun zur zentralen Ausbildungsstätte für Priesterkandidaten - nach Mitgliedern - zweitgrößten deutschen Bistums werden soll, überrascht nicht nur die akademische Öffentlichkeit, sondern wundert auch viele innerhalb der Kirche. Das Signal ist eindeutig: Woelki will gestalten, allerdings nicht im Dialog, sondern im Alleingang.

Juristisch ist das Vorgehen des Kardinals nicht ohne Risiko. Den Kirchen wird in der NRW-Verfassung zwar das Recht garantiert, eigene Anstalten zur Ausbildung ihres geistlichen Nachwuchses zu errichten. An anderer Stelle bestimmt die Verfassung aber, dass ein wichtiger Vertrag zwischen Kirche und Staat – das Preußische Konkordat von 1929 – als geltendes Recht anerkannt wird. Dieses Konkordat schreibt in Artikel 12 vor, dass katholische Geistliche ihre wissenschaftliche Vorbildung an staatlichen theologischen Fakultäten wie etwa in Bonn erhalten sollen. Eine Änderung des Konkordats ist grundsätzlich möglich. Sie kann jedoch nicht einseitig erfolgen und setzt ein entsprechendes Landesgesetz voraus.

Rückzug mit Signalwirkung

Dass das Erzbistum die Ausbildung von Priestern nun an der KHKT ansiedeln will, ohne zuvor eine Anpassung des Konkordats auch nur zu erwägen, ist mehr als ein kirchenpolitischer Alleingang. Es ist ein Affront gegenüber der Landesregierung, die von Kardinal Woelki vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Wissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU) hat darauf zu Recht pikiert reagiert und das Erzbistum aufgefordert, seine Priesterkandidaten an die Universität Bonn zurückzuführen. Andernfalls, so verlautbarte die Ministerin, sei ein „Vertragsverletzungsverfahren“ nicht ausgeschlossen.

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Vertreter des Vatikans wandten sich an die nordrhein-westfälische Landesregierung und regten die Einsetzung einer gemeinsamen Kommission an, um den Konflikt auf „freundschaftliche Weise“ beizulegen und das Verhältnis zwischen Kirche und Staat nicht noch weiter zu belasten. Es bleibt zu hoffen, dass sich das Land im Rahmen der laufenden Gespräche nicht auf einen faulen Kompromiss einlässt.

Es geht um weit mehr als um eine Standortentscheidung

Denn die Causa KHKT ist bei Lichte besehen weitaus mehr als eine Standortentscheidung. Es geht um das Verhältnis der Kirche zur Gegenwart, um ihre Bereitschaft zum Dialog. Und darum, ob sie sich als Teil der Gesellschaft versteht. Die Universität Bonn war für Generationen von Priesterkandidaten ein Ort des gelebten Austausches. Dort bewegten sich die kirchlichen Nachwuchskräfte in einem Umfeld, das auf Kritikfähigkeit setzte. In einem offenen Raum geistiger Freiheit kamen sie in Berührung mit Philosophie, Rechts- und Naturwissenschaften, wurden dadurch herausgefordert und wuchsen daran.

Jetzt liebäugelt das Erzbistum offenbar mit einer Ausbildung, die vor allem durch Geschlossenheit geprägt ist und vollständig unter kirchlicher Kontrolle steht. Das befördert einen rückwärtsgewandten Katholizismus, der auf Loyalität, Anpassung und Selbstbestätigung setzt, und läuft auf den Rückzug in eine theologische Wagenburg hinaus.

Ohne intellektuelle Reibung wird jedoch kaum die gesellschaftliche Anschlussfähigkeit entstehen, auf die auch geistliche Autorität dringend angewiesen ist. Eine Kirche, die ihre künftigen Amtsträger abschottet, handelt wie der sprichwörtliche Vogel Strauß: Sie steckt den Kopf in den Sand – und darf sich nicht wundern, wenn die Welt an ihr vorbeizieht.