Zehn Millionen-Marke geknacktDie Kehrseite des neuen Kölner Fahrrad-Rekords

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Immer mehr Radfahrer zählt die Stadt Köln an ihren Messstellen.

  • Die gute Nachricht: In Köln sind immer mehr Radfahrer unterwegs. Die Stadt hat vor wenigen Tagen einen neuen Rekord vermeldet.
  • Die Kehrseite: Auch immer mehr Radfahrer verunglücken in Köln. Die Zahl der Unfälle ist in diesem Jahr erneut gestiegen.
  • Die Polizei beobachtet die Entwicklung mit Sorge. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Köln – Die Schallmauer sei durchbrochen, sagt die Stadt Köln im Zusammenhang mit der im Oktober registrierten Zahl der Fahrradfahrer in der City. „An den zwölf Dauerzählstellen für Fahrräder im Kölner Stadtgebiet sind zehn Millionen Radfahrer gezählt worden“, heißt es in der Mitteilung aus dem Presseamt, am 7. Oktober sei die bisherige Jahressumme auf die Zahl von insgesamt 10.018 867 Radfahrer gestiegen. Gegenüber dem vergangenen Jahr ist das ein Zuwachs von rund 13,5 Prozent – im Jahr 2017 waren es zum selben Messzeitpunkt 8.828 936 Radfahrer.

Wie entwickeln sich die Unfallzahlen mit Fahrradfahrern in Köln?

Die Polizei hat für das Stadtgebiet Kölns bis Ende September 1638 Verkehrsunfälle mit Verunglückten verzeichnet, bei denen mindestens eine Rad fahrende Person beteiligt war. In der Zeitleiste seit 2012 ist das der höchste gemessene Wert. Auch die Anzahl der bei diesen Verkehrsunfällen verunglückten Radfahrer ist im Zeitraum bis Ende September 2018 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich angestiegen. So seien sieben Fahrradfahrer im Verlauf dieses Jahres bei Verkehrsunfällen getötet, fünf Menschen mehr als im Vergleichszeitraum des vergangenen Jahres. 225 Personen sind schwer verletzt (Vorjahr: 207) und 1391 Menschen leicht verletzt worden (1303 im Jahr 2017). Dabei waren in 419 Fällen nur Radfahrer involviert, in allen anderen Fällen waren andere Verkehrsteilnehmer beteiligt. „Wir beobachten diese Entwicklung natürlich mit Sorge“, sagt Christoph Schulte, Sprecher der Polizei Köln. Die Zunahme der absoluten Zahl von Fahrrädern im Straßenverkehr sei zwar sicher einer der Gründe, könne allerdings auch nicht als alleinige Ursache für diese Entwicklung herangezogen werden.

Lastenräder fördern

Die Stadt möchte künftig die Anschaffung von Lastenfahrrädern und Lastenrädern mit Anhängern fördern. Bis zu 50 Prozent der Kosten sollen beim Kauf eines solchen Rades von der Stadtverwaltung  übernommen werden. Das gilt auch für elektrische Lastenräder.

Was sind die häufigsten Unfallursachen?

Zu den Hauptgründen zählt die Polizei vor allem das Missachten der Vorfahrt sowie Fehler beim Abbiegen anderer Verkehrsteilnehmer – in 270 Fällen hat die Polizei diese Ursache im vergangenen Jahr registriert. Aber auch Fehler der Radfahrer verursachen Stürze oder Verletzungen. Mit 183 Fällen in Köln führte das 2017 die Statistik der Unfälle von Radfahrern ohne Fremdeinwirkungen an, die Bezeichnung der Polizei dafür fasst das als „unzulässige Straßennutzung“ zusammen. Schlaglöcher in den Straße oder problematische Infrastruktur wie Schienen im Bereich der Fahrbahn gehören laut Polizeistatistik ebenfalls zu den häufigen Gründen für Unfälle. Insgesamt, so Behördensprecher Christoph Schulte, sei auch für das gesamte Jahr 2018 dabei keine schwerwiegende Änderung zu erwarten. Grundsätzlich gelte: Auch wenn Radfahrer sich an alle Regeln halten, seien sie nicht immer geschützt.

Wie fahrradfreundlich ist Köln?

Dafür, dass es in Köln gefährlicher sei, mit dem Rad zu fahren, als in anderen Großstädten, gibt es seitens der Polizei keine Anhaltspunkte. Dennoch gebe es Potenzial bei der Verkehrsführung, die nicht optimal funktioniere. „Wir führen zahlreiche Aktionen mit der Stadt durch und tauschen uns in verschiedenen Gremien aus“, sagt Polizeisprecher Schulte. In der Stadtverwaltung sei inzwischen erkannt worden, dass Teile der in den 1970er und 1980er Jahren entstandenen baulichen Infrastruktur nicht mehr zeitgemäß seien. In einigen Bereichen im Stadtgebiet, das belegen nicht zuletzt auch die jüngsten Zählwerte der Stadt, sind heute fünf- bis zehnmal so viele Radfahrer wie vor 20 Jahren unterwegs. Darauf reagiert die Stadt unter anderem, indem sie – wie entlang einiger Stellen der Ringe bereits geschehen – Radwege verbreitert oder neue Spuren einrichtet. Für die Polizei gilt die Handlungsmaxime, die Radfahrer vor allem auf die Straße zurückzuholen. Auch für Christoph Schmidt von der Kölner Sektion des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) seien viele Konflikte und Unfälle mit Radfahrern in Köln Folge der mangelhaften Infrastruktur. Zu den größten Problemen gehörten aus seiner Sicht, vor allem die berüchtigten freilaufende Rechtsabbiegerspuren an Kreuzungen. „Sie suggerieren dem Autofahrer, dass er Vorfahrt habe.“ Dem ADFC zufolge wurden 2018 in Deutschland schon mehr als 15 Radfahrer an solchen freilaufenden Rechtsabbiegern getötet. Allerdings weist Schmidt darauf hin, dass die hohe Zahl der Radfahrer in diesem Jahr auch mit dem durchgängig guten Wetter zu tun habe.

Welche Projekte für Radfahrer werden aktuell umgesetzt?

Das wichtigste Projekt findet sich in der Gladbacher Straße: Die zentrale Verbindung zwischen der Innenstadt und Ehrenfeld durften Radfahrer seit Jahrzehnten nur in einer Richtung nutzen. Nun wird die unsinnige Einbahnstraßenregelung aufgehoben, ab Mitte November soll die Straße von Radfahrern in beiden Richtungen befahren werden können. Auch entlang des Friesenwalls soll eine Fahrradstraße eingerichtet werden. Hierfür will die Stadt einige Parkplätze opfern. Bis Anfang 2019 soll zudem in der Ulrichgasse in der südlichen Innenstadt eine Fahrspur in eine Radspur umgewandelt werden.

Wird Köln zur Fahrradstadt?

Aus Sicht der Stadt ist die jüngst gezählte Zunahme der Fahrradfahrer jedenfalls ein Trend in diese Richtung. Die bisherigen Rekordzahlen bestätigten die Ergebnisse der jüngsten Studie „Mobilität in Deutschland“ (der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete). Danach würden inzwischen rund 19 Prozent aller Wege in Köln mit dem Fahrrad zurückgelegt werden – das ist ein deutlicher Fortschritt.

KStA abonnieren