Zum 50. Todestag des KünstlersWarum Picasso-Liebhaber unbedingt nach Köln kommen müssen

Lesezeit 5 Minuten
Pablo Picasso schaut sich beim Malen auf die Finger.

Pablo Picasso

Vor 50 Jahren starb Pablo Picasso. In Köln gehört sein Werk zur langen Geschichte des Reliquienhandels. 

Er hatte die Augen des 20. Jahrhunderts, heißt es über Pablo Picasso, den berühmtesten Künstler der Moderne. Anfangs sahen sie eine Welt, die, obwohl in melancholisches Blau getaucht, im Grunde noch in Ordnung war. Sie war die Heimat von Harlekinen, deren Schönheit im Schatten einer unergründlichen Traurigkeit gedieh. Später zerbrach Picasso den Spiegel, die Menschen zersplitterten unter seinem Blick, und 1937 malte er mit „Guernica“ die Mona Lisa unserer Zeit. Sein Gemälde über die Opfer eines deutschen Luftangriffs gilt heute als zeitlose Anklage gegen den Krieg, die Menschen und Tiere auf „Guernica“ zerreißt es buchstäblich vor Schmerz. Die Welt, die wir kannten, war zerstört, und Picasso gab der Klage darüber eine fassbare Form.

Am 8. April jährt sich Pablo Picassos Todestag zum 50. Mal, ein Anlass, der in Museen weltweit gefeiert wird – wenn auch mit kritischen Untertönen. Aus der heutigen Zeit gefallen erscheint nicht nur Picassos Verhältnis zu den Frauen, sondern auch die kulturelle Aneignung afrikanischer Kunstwerke aus dem Pariser Museum Trocadéro, deren Masken er seinen berühmten Frauen aus Avignon aufsetzte. Andererseits gibt es am wandlungsfähigen Picasso weiterhin neue oder vernachlässigte Seiten zu entdecken; so widmete das Kölner Museum Ludwig dem politischen Engagement Picassos vor zwei Jahren eine große Ausstellung.

Das Kölner Museum Ludwig besitzt eine der größten Picasso-Sammlungen weltweit

Das Museum Ludwig besitzt eine der größten Picasso-Sammlungen weltweit, hält sich in diesem Jahr mit Jubiläumsausstellungen allerdings zurück. Nicht aus politischer Korrektheit, wie man im Ludwig versichert, sondern wegen der gerade erst gezeigten Schau. Im Oktober präsentiert das Haus aus eigenen Picasso-Beständen den späten Grafikzyklus „Suite 156“ und beteiligt sich ansonsten mit Leihgaben an den übers Jahr verteilten Feierlichkeiten.

Pablo Picasso hält einen Sonnenschirm über den Kopf der lachenden Francoise Gilot.

Pablo Picasso 1948 mit Francoise Gilot am Strand von Cannes

Im Wesentlichen verdankt sich der Kölner Picasso-Schatz einem einzelnen Ehepaar, den Sammlern Peter und Irene Ludwig. Sie schenkten dem Museum weit über 800 Werke, in denen sämtliche Lebensalter und Perioden des spanischen Künstlers vertreten sind. Gerade für Peter Ludwig war Picasso ein Fixstern seines Sammlerlebens, seine Doktorarbeit hatte er über dessen Menschenbild verfasst.

Picassos Werk war für Ludwig Ausdruck einer existenziellen Krise der modernen Menschheit und zugleich deren symbolische Überwindung: „Der Mensch lebt und liebt, er spielt seine Rolle und stellt sich dar, er träumt und ist verzweifelt und hofft. Er kämpft und hält durch. Er ist zusammen und ist doch allein. Er trägt die Narrenkappe und er wird verhandelt – und doch bleibt er in allen Posen und in aller Entstellung ein Mensch, der auch noch gedemütigt in seiner Würde übersteht.“

Vor Peter Ludwig war Köln keine Picasso-Stadt, obwohl die Sonderbundausstellung des Jahres 1912 immerhin einen ganzen Saal für den jungen Pariser Künstler reserviert hatte; unter den 16 gezeigten Gemälden befand sich mit dem „Sitzenden Harlekin“ von 1901 auch frühes Schlüsselwerk. Das Wallraf-Richartz-Museum kaufte in dieser Zeit nur wenige Werke an, Picassos „Familie Soler“ (1903) wurde im Zuge der nationalsozialistischen „Selbstreinigung“ 1937 als „entartet“ aus der Wallraf-Sammlung entfernt und 1939 in Luzern zugunsten des NS-Staats versteigert.

Auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs blieb Köln gegenüber Picassos Werken reserviert. 1954 kaufte die Stadt für das Wallraf-Richartz-Museum das im Jahr zuvor entstandene Gemälde „Kopf einer lesenden Frau“ an; ein „Alibi-Erwerb“, wie Siegfried Gohr, der spätere Direktor des Museum Ludwig, in seinen Erinnerungen urteilte. 1955 machte eine Picasso-Werkschau in Köln Station, mit etlichen Spitzenwerken, die man in dieser Häufung heute nicht mehr zusammenbekäme. Aber auch dieser frische Eindruck führte zu keiner Picasso-Begeisterung unter den Museumsdirektoren; immerhin kamen 1958 mit der Sammlung Paul Strecker zwei Bilder aus der neoklassizistischen Picasso-Phase in die Wallraf-Sammlung.

Der Mensch bleibt bei Picasso jemand, der auch noch gedemütigt in seiner Würde übersteht
Peter Ludwig

Unterdessen begannen die Ludwigs ihre monumentale Picasso-Sammlung zusammenzutragen, übrigens zu Preisen, die deutlich unter denen lagen, die damals für die aktuellen Kunststars der Nachkriegsjahre verlangt wurden. Auch das etwas spöttisch betrachtete Spätwerk Picassos fand in Peter Ludwig einen dankbaren Abnehmer; heute gilt es als Ausdruck eines heldenhaften Kampfs gegen die verrinnende Zeit.

Als 1986 das Kölner Doppelmuseum aus Ludwig und Wallraf-Richartz eröffnet wurde, konnte Siegfried Gohr bereits einen beachtlichen Picasso-Raum einrichten; der Lesenden leistete dort etwas die Skulptur „Frau mit Kinderwagen“ aus der Ludwig-Sammlung Gesellschaft. Aber noch behielt das Ehepaar Ludwig das Gros seiner Sammlung im eigenen Heim. Gohr versuchte es aus der Reserve zu locken und zeigte 1988 eine große Ausstellung zu „Picasso im Zweiten Weltkrieg“. Zu Peter Ludwig sagte er offenbar gerne, dass sich der Rang eines Museums des 20. Jahrhunderts nach seiner Picasso-Sammlung bemesse.

1993 wurde das Werben um Picasso tatsächlich erhört. Zunächst waren 180 Werke aus der Sammlung Ludwig im Rahmen einer Sonderschau in Köln zu sehen, im folgenden Jahr stiftete das Ehepaar dann 90 Werke, allerdings unter der Bedingung, dass das Wallraf-Richartz-Museum aus dem gemeinsamen Gebäude ausziehen müsse. Nach erfolgreicher „Entmietung“ avancierte Picasso neben der Pop-Art zur Hauptattraktion des Ludwig, dessen Wied­er­eröff­nung Irene Ludwig 2001 zum Anlass nahm, der Stadt 774 weitere Ar­beit­en Pi­cas­sos zu schenken.

Es ist wohl kein Zufall, dass Peter Ludwig sich sein Sammlerleben lang mit Pablo Picasso beschäftigte – beide waren nach heutigen Maßstäben barocke Charaktere. Für Siegfried Gohr spielt zudem der Wunsch Ludwigs eine Rolle, sich durch den Besitz seiner Werke etwas von der schöpferischen Kraft Picassos anzueignen. Die weltberühmte Kölner Picasso-Sammlung schriebe demnach die lange Geschichte des örtlichen Reliquienhandels fort.

KStA abonnieren