Andreas Schulze gehört zu den bewunderten Einzelgänger des deutschen Kunstbetriebs. Zum 70. Geburtstag des Kölner Malers.
Andreas Schulze wird 70Ein barocker Charakter an der Staffelei

Der Kölner Maler Andreas Schulze wir am 11. September 70 Jahre alt.
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Auf der Bühne hat Andreas Schulze ein eher lakonisches Verhältnis zur Malerei; über tiefschürfendes Theoretisieren schmunzelt er gerne hinweg. An der Staffelei entpuppt sich der Kölner Maler dagegen als barocker Charakter. Sein 4,40 Meter breites Gemälde „Ich kaufe nichts“ versammelt auf, vor und neben einem unter freiem Himmel aufgestellten Tisch (hinter einer Mauer lugt ein Kirchturm hervor) ein wunderliches Sammelsurium aus nützlichen Haushaltsgegenständen (Kehrblech, Lampe, Antenne) und zweckfreiem Krempel (Kruzifix, Miniaturgiraffe, Schlange), die jeweils für sich einen Buchstaben darstellen und gemeinsam den Gemäldetitel bilden: „Ich kaufe nichts.“
Solche Bilderrätsel für Fortgeschrittene findet man sonst nur in der Barockabteilung des Wallraf-Richartz-Museums, wo etwa der berühmte Blumen-Brueghel eine Girlande hinterlassen hat, die den Namen der Jungfrau Maria buchstabiert. Bei Andreas Schulze gehört dieser Teil der Tradition selbstverständlich zum Repertoire der Moderne – sein Werk gleicht einem Flohmarkt von Kunstgeschichte und behaglicher Bürgerlichkeit. Nicht nur unter den rheinischen Malern macht ihn dies zum bewunderten Einzelgänger.
Schulze malte Bilder, die aufreizend banal waren und voller Zitate steckten
Schulzes Karriere begann Anfang der 1980er Jahre, als die Neuen Wilden gegen den blank polierten Minimalismus aufmuckten und Joseph Beuys weiterhin Fett in Ecken schmierte, um die im Raum wirkenden Energien in esoterische Bahnen umzulenken. Schulze betrachtete das alles mutmaßlich mit freundlichem Erstaunen - und entschied sich dafür, das eigentlich bereits von den Dadaisten beerdigte Bohei um die moderne Kunst noch einmal beim Namen und damit hopszunehmen. Er malte Bilder, die aufreizend banal waren und zugleich voller Kunstzitate steckten und bei denen man nicht wusste, ob man eher an Fernand Léger, Kurt Schwitters oder an die surrealistischen Gags von René Magritte denken sollte. Auch auf den damals der Heiligsprechung entgegensehenden Beuys machte er sich seinen Reim und entwarf „Dreckecken“ aus Teppichstoff.
Ein solcher „Dreck“ bekleidete vor gut zehn Jahren auch eine Ecke im Bonner Kunstmuseum, wo man dem in seiner Kölner Wahlheimat häufiger bestaunten als ausgestellten Propheten gerne ein Exil bot. Im Grunde bestand die Schulze-Ecke nur aus ein paar Teppichstücken, die ein schwarzes Zentrum bildeten und so taten, als würde der Tunnel einer Miniatureisenbahn in die Wand führen. Auf der anderen Seite dieses Tunnels lagen ein großformatig aufgewühltes Meer mit naiv gezackten Wellen, ein gestrandeter Krake oder ein aufgesprühter Nebel im Wohnzimmer. Wie Kraut und Rüben wachsen die Malstile nicht nur in Schulzes „Garten“-Gemälde aus der Leinwand, sondern in seinem gesamten Werk. Selbst zu den aus Früchten zusammengesetzten Gesichtern eines Arcimboldo fällt Schulze eine moderne Fortsetzung ein.
Bei Andreas Schulze entdeckt man so viele Zitate wie Kratzer auf den Bildern - nur flachen Tiefsinn sucht man hier vergebens. Seine Kunst liegt darin, die bürgerliche Liebe zur Kunst so zu veräppeln, dass man hinter der Ironie seine ungebrochene Liebe zur Kunst und ihrem Träger, dem Bürgertum, durchschimmern sieht. Mit diesem Selbstwiderspruch kann Andreas Schulze gut leben, indem er ihn zum bürgerlichen Spleen erklärt – die Kunst ist tot, es lebe die Kunst. Am 11. September wird Schulze, halb Kunstbetriebsclown, halb großer Lakoniker, 70 Jahre alt.