„Anne Will“„Kein Almosen“ – Militärexpertin will an Bundeswehr-Bestände heran

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Claudia Major 

Im ARD-Talk mit Anne Will ging es am Sonntagabend um die Frage: „Solidarität mit der Ukraine - wozu sind Deutschland und Europa bereit?“. Einmal mehr stand das Thema Waffenlieferungen im Mittelpunkt. Zu Gast waren Johann Wadephul (CDU), Michael Müller (SPD), Militärexpertin Claudia Major und Journalist Christoph Schwennicke. Zugeschaltet waren EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, sowie der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba.

Die EU-Kommission hatte sich am Freitag dafür ausgesprochen, die Ukraine und Moldau offiziell zu Kandidaten für einen Beitritt zur Europäischen Union zu ernennen. Darüber beraten die 27 EU-Staaten am Donnerstag und Freitag. Von der Leyen gab sich sich optimistisch: „Natürlich ist das eine historische Entscheidung, die auch der Europäische Rat jetzt treffen muss, aber die Vorbereitungen sind gut“, sagte sie und fügte hinzu: „Ich bin zuversichtlich.“

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Von der Leyen betonte, es handele sich um einen regelkonformen Prozess. Die Entscheidung ihrer Behörde für den Kandidatenstatus der Ukraine sei gefallen aufgrund der Daten, Fakten und der Vorarbeit, die das Land in den vergangenen acht Jahren geleistet habe. „Die Ukraine hat enorme Schritte nach vorne gemacht in den letzten Jahren.“ Allerdings: „Wir wollen noch mehr Reformen sehen.“

Militärexpertin Claudia Major betonte, der Status eines Beitrittskandidaten sei kein „Almosen“, das man der Ukraine gewähre, sondern es gehe um das Eigeninteresse der EU. Der Wiederaufbau des Landes sei so unter geregelten Verhältnissen möglich. 

Kuleba wirbt für mehr Waffen für die Ukraine

Für den zugeschalteten Außenminister der Ukraine ging es jedoch zunächst um die weitere Lieferung von Waffen. Kuleba gab sich kämpferisch: „Wenn wir keine Waffen erhalten, in Ordnung, dann werden wir mit Schaufeln kämpfen, aber wir werden uns verteidigen, denn dieser Krieg ist ein Krieg um unsere Existenz“, sagte Kuleba.

Kuleba Anne Will

Dmytro Kuleba bei Anne Will 

„Je früher wir also Waffen erhalten, je früher sie gesendet werden, desto größer ist die Hilfe für uns. Wenn Waffen später geschickt werden, werden wir nach wie vor „danke“ sagen, aber dann wird viel verspielt sein, viele Menschen werden gestorben sein.“ Man brauche dringend Luftabwehrsysteme, um gegen Russland bestehen zu können.

Major kritisiert Bundesregierung

Kuleba lobte Scholz für dessen Besuch in Kiew. Der Bundeskanzler habe in seiner Wahrnehmung nun mehr Verständnis für die Ukraine aufgebracht, vielleicht durch seinen Besuch in Irpin. Man hoffe nun, dass Deutschland mehr tun werde, so Kuleba.

Major sagte: „Wenn Russland diesen Krieg gewinnt, also die Ukraine als eigenständiger Staat nicht mehr existieren sollte, wäre es um unsere europäische und deutsche Sicherheit extrem schlechter bestellt als jetzt.“ Sie wiederholte, die Unterstützung der Ukraine sei kein Almosen. Sie sprach von der dritten Phase des Krieges, in der Russland die Ukraine im Donbass „plattmache“ und die gesamte Feuerkraft dort konzentriere. Nun gehe darum, die Ukraine so zu stärken, dass sie länger durchhalte.

Major: An Bestände der Bundeswehr herangehen

SPD-Politiker Michael Müller verteidigte die Linie der Bundesregierung und sagte, Deutschland helfe schon sehr viel. Major war das nicht genug. „Es gibt genau einen Staat, der hier eskaliert. Das ist nicht die Ukraine, das ist Russland“, griff sie das zögerliche Handeln in Berlin an. Andere europäische Länder wie Polen hätten weit mehr geliefert. „Wieviel sind auch wir bereit, auch an unsere eigenen Bestände zu gehen?“ fragte sie. Aus ihrer Sicht wäre es sinnvoll, in Absprache mit den anderen Nato-Ländern auch Material aus den Beständen der Bundeswehr in die Ukraine zu liefern. Das geschehe immer noch zu zögerlich.

Man brauche zudem einen Plan, welche Waffensysteme wann benötigt werden, so Major. Zurzeit tobe der Artilleriekrieg im Osten des Landes, aber mittel- und langfristig sollten auch wieder Panzer und anderes mobiles Gerät geliefert werden. (cme, mit dpa)

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