Auktion in KölnWarum ist diese schöne Büßerin Millionen wert?

Lesezeit 4 Minuten
Georges de La Tours „Mädchen, in ein Kohlebecken blasend“

Georges de La Tours „Mädchen, in ein Kohlebecken blasend“

Köln – Eine junge Frau spitzt den Mund und bläst Luft in ein Becken glühender Kohlen, während sie mit etwas, das aussieht wie ein Stück Holz, in der weißen Glut stochert. Sie wirkt wie das Leben selbst, jung und schön und unbekümmert, in ein warmes Licht getaucht und versunken in ihre Tätigkeit. Aber selbstredend ist das alles nur trügerischer Schein: Wenn die Glut verlöscht, wenn alles Stochern und Anblasen die Kohle nicht mehr glimmen lässt, werden sich Dunkelheit und Kälte über das Mädchen senken und sie einschlagen in einen Mantel aus Verlorenheit.

Als Georges de La Tour (1593-1652) das sanft erhitzte Mädchen malte, zog der Dreißigjährige Krieg quer durch Europa, eine schier endlose Folge von Feldzügen und Scharmützeln um die politische und religiöse Vorherrschaft. Doch de La Tour gehörte nicht zu denen, die sich künstlerisch in die Schlacht warfen und dramatische Szenen aneinander reihten. 

Man kann die elende Natur der Welt nur in Demut akzeptieren

Er malte Bilder stiller Bußfertigkeit, eine verhärmte Maria Magdalena, die im Kerzenschein dem Ende harrt, oder einen blinden Leiermann, der einsam singend das eigene Elend und das der Welt beklagt. Auch über ihn senken sich die Schatten. Aber sie könnten ebenso gut eine Erlösung sein.

Auf den Nachtbildern des französischen Barockmalers ist die Welt ein Jammertal und das Leben nur ein kurzer, kostbarer, stets im Verlöschen begriffener Moment. Man kann ihn mit Lug und Betrug vertun, wie auf de La Tours Gemälden von Falschspielern und Wahrsagerinnen. Oder seine Natur in Demut akzeptieren, wie die junge, die Glut hegende Frau, die dafür mit einem Licht belohnt wird, das immerhin als Gemälde ewig währt.

Das könnte Sie auch interessieren:

Man kann diese kurze Ewigkeit jetzt ersteigern, in Köln, beim Kunsthaus Lempertz, sofern man bereit ist, mindestens drei Millionen Euro für 76 mal 55 Zentimeter Farbe auf Leinwand zu investieren. Georges de La Tours „Mädchen, in ein Kohlebecken blasend“ ist das Spitzenlos der kommenden Auktionssaison für Alte Meister, bei Lempertz ohnehin, vielleicht sogar in ganz Deutschland.

Es stammt aus der Sammlung des Bremer Ehepaares H. und I. Bischoff, „entdeckt“ wurde es, wie die meisten Werke de La Tours, erst im 20. Jahrhundert, in diesem Fall im Jahr 1940 in Toulouse. Über 200 Jahre war der Maler aus der lothringischen Provinz so gut wie vergessen, viele Gemälde wurden einfach bekannteren Malern wie Velázquez zugeschlagen.

Mittlerweile gelten rund 50 Werke als gesichert, nicht allzu viele für einen Künstler, der Herzöge und Könige zu seinen Kunden zählte. Man vermutet, dass viele Arbeiten verloren gingen, als brandschatzende Soldaten seinen Heimatort Lunéville heimsuchten.

Sein Ruhm lässt sich nicht vom Geheimnis seines Lebens trennen

De La Tours später Ruhm lässt sich weder von der spirituellen Düsternis seiner Bilder trennen noch vom Geheimnis, das sich um sein Leben rankt. Man weiß weder, von wem er sein Handwerk lernte, noch ob er jemals Bilder Caravaggios im Original sah, also jenes Meisters, von dessen Hell-dunkel-Effekten er offenkundig zehrte, obwohl er ihnen eine andere Bedeutung gab.

Er war wohl der Sohn eines Bäckermeisters, heiratete über seinem ererbten Stand und wurde angeblich aktenkundig, weil seine vielen Hunde die Nachbarschaft terrorisierten. Gestorben ist er vermutlich an der Pest.

Obwohl die Genreszenen und religiösen Motive Georges de La Tours durchaus zeittypisch sind, war er künstlerisch ein Einzelgänger. Er blieb der Provinz treu, suchte nie den Glanz der Metropolen und zog sich in seinem späteren Werk immer tiefer in die Dunkelheit seiner Nachtbilder zurück.

Aus ihnen spricht eine Frömmigkeit, die ins Gesamtbild einer gegenreformatorischen Epoche passt, aber sie ist weder geifernd noch höllenselig, und auch de La Tours Darstellungen der sündhaften Welt bekunden vor allem das Verständnis für die Natur der menschlichen Schwäche. De La Tour war kein Prediger in Bildern, er wollte zur Bußfertigkeit verführen. Ein Widerspruch, der ihn heute geradezu modern erscheinen lässt.

„Meisterwerke der Sammlung I. Bischoff“, Auktionshaus Lempertz, Neumarkt 3, Köln, 8. Dezember 2020, 17 Uhr.

KStA abonnieren