Ausstellung in KölnMärchenbilder von Mallorca vor der Touristeninvasion

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Die von braunen Schlieren durchzogene Fotografie zeigt eine Meeresbucht mit wenigen Badenden.

Aus Pep Bonets Fotoserie „Paradís“

Der weltweit gefeierte Pressefotograf Pep Bonet würde die Zeit in seiner mallorquinischen Heimat gerne zurückdrehen. Seine Bilderserie „Paradís“ ist jetzt in der Michael-Horbach-Stiftung in Köln zu sehen.   

Man kann sich leicht vorstellen, dass diese Fotografien von der Wohnzimmerwand eines alten, schon etwas verwitterten mallorquinischen Hauses genommen wurden. Sie sind so kunterbunt gerahmt wie Familienfotos, überwiegend handlich und klein und sie haben schon reichlich Patina angesetzt. Hinter den malerischen Schlieren erahnt man ein Mallorca, das mit den Hochglanzbildern der Urlaubsinsel lediglich die geografischen Daten teilt. Man sieht Gaukler, Maskierte, einsame Badende, Menschen in alten Trachten und schließlich eine asphaltierte Landstraße, die so rissig ist, dass sie allenfalls touristische Rinnsale, aber keine Ströme trägt.

Polaroid ist wie eine Schrotflinte mit nur einer Kugel
Pep Bonet, Fotograf

Es ist eine Binsenweisheit, dass die touristische Erschließung Mallorcas für die Einheimischen gleichermaßen Fluch und Segen ist. Die Reisenden haben viel Geld ins Land gebracht, aber das Land in manchen Gegenden auch teilweise bis zur Unkenntlichkeit verändert. So mancher würde die Zeit daher wohl gerne zurückdrehen, und zu diesen Menschen gehört offenbar auch der in Mallorca geborene, vielfach ausgezeichnete Pressefotograf Pep Bonet. Mehrere Jahrzehnte bereiste er die Welt, um aus Kriegsgebieten und von Krisenherden zu berichten. Zwischen 2016 und 2022 widmete er sich dann seinem Heimatgefühl mit Bildern, die ein verlorenes Paradies beschwören.

Pep Bonets Serie „Paradís“ ist jetzt in der Kölner Michael-Horbach-Stiftung zu sehen. 137 gerahmte Fotografien ziehen sich durch die Ausstellungsräume, ein Bruchteil dessen, was Bonet mit einer alten, nicht mehr hergestellten Sofortbildkamera „verschoss“. Die Positive warf er weg, die Negative bearbeitete er mit Bleichmitteln und Pinseln, was den Bildern eine Anmutung verleiht, wie man sie von den malerischen Aufnahmen der Piktorialisten am Ende des 19. Jahrhunderts kennt. Schließlich scannte er die verfremdeten Negative, druckte sie aus und steckte sie hinter Museumsglas in Bilderrahmen, die aus alten Familienbeständen und vom Flohmarkt stammen.

Traumbilder eines Mallorca, das noch den Einheimischen gehört

Die Aufnahmen sind weniger eine Reise ins Paradies als in eine Zeit, in der die Insel noch den Einheimischen gehörte. Es gibt auf ihnen keine Menschenmengen, sondern allenfalls stille Buchten, man sieht Individuen, die in ein Märchenreich gefallen scheinen. Für all die Gaukler und Artisten in ihren Kostümen musste Bonet nicht mal in der Zeit zurückreisen. Er hat moderne Mallorquiner gesucht und gefunden, die unmodern gewordenen Berufen nachgehen, und sie mit einer Technik festgehalten, die selbst von gestern ist. „Polaroid ist wie eine Schrotflinte mit nur einer Kugel“, sagt Bonet, der sich ansonsten digitaler Schnellschussapparate bedient.

Solche Gauklerromantik ist sicherlich nicht jedermanns Geschmack, und mitunter streift das Märchenhafte bei Bonet, streifen insbesondere seine feenhaften Frauengestalten in poetisch überhöhter Natur haarscharf den Kitsch. Aber sein „Paradís“ folgt als Ganzes einem schlüssigen Konzept. Man sieht seinen Bildern an, welcher Aufwand nötig ist, um das heutige Mallorca von den Segnungen der touristischen Moderne zu befreien. Und man versteht die Sehnsucht nach einer Zeit, die niemals war, in der aber noch alles hätte anders bleiben können.

„Pep Bonet – Paradís“, Kunsträume der Michael-Horbach-Stiftung, Wormser Str. 23, Köln, Mi., Fr. 15.30-18.30 Uhr, So. 11-14 Uhr, bis 23. April 2023.

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