Die Michael-Horbach-Stiftung zeigt zwei Ausstellungen mit Fotografie aus Lateinamerika - und Bilder aus dem Leben eines Obdachlosen.
Ausstellung in KölnManchmal kann die Fotografie sogar Leben retten

Aus Daniel Muchiuts Serie „Das Leben Oscars“, zu sehen in der Kölner Michael-Horbach-Stiftung
Copyright: Daniel Muchiut
Am dramatisch bewölkten Himmel scheint sich etwas zusammenzubrauen und im schwarzen Mann in der Bildmitte zu verdichten. Er steht, leicht vornübergebeugt, über uns, das Gesicht verschattet, eine schwarze, gedrungene Silhouette, bereit etwas zu greifen. In seiner Gesellschaft sehen wir keine Menschen, nur vier Hunde begleiteten ihn; einer von ihnen schaut neugierig in die Kamera.
Daniel Muchiut erhält den Fotopreis der Kölner Michael-Horbach-Stiftung
Es liegt etwas Unheimliches über diesem düsteren Mann, den der argentinische Fotograf Daniel Muchiut gegen den Himmel abgelichtet hat. Aber dieses Bedrohliche und Fremde will Muchiut ihm gerade nehmen. Er hat Oscar Ojeda, einen Obdachlosen, der mehrere Jahrzehnte in Chivilcoy, einer kleinen Stadt in der Provinz Buenos Aires, auf der Straße lebte, zwischen den Jahren 1998 und 2016 immer wieder besucht und fotografiert. Er hat ihn viele Tage begleitet, sein Leben aufgezeichnet und sein Altern, und ihm mit dem Fotobuch „Das Leben Oscars“ seinen Namen zurückgegeben.
Muchiut zeigt in seinen Bildern keinen Ausgestoßenen der Gesellschaft, sondern einen Menschen, der von der Natur und mit den Tieren zu leben scheint. Es ist ein hartes, entbehrungsreiches Leben, daran lassen die schwarz-weißen Fotografien keinen Zweifel. Aber auch eines, das seine eigene Würde hat. Die letzte Wendung in Oscar Ojedas Leben hat Muchiut nicht mehr im Bild: Dank eines Films, das auf seinem Fotobuch basiert, wurde dieser mit seinen Geschwistern wiedervereint.

Aus der Havanna-Serie von Manuel Almenares
Copyright: Manuel Almenares
Für seine Fotoserie über Ojeda erhält Muchiut den Fotopreis der Kölner Michael-Horbach-Stiftung – gemeinsam mit Manuel Almenares, der das Leben in seinem Viertel in Havanna mit der Kamera dokumentiert. Auch Almenares arbeitet in Schwarz-Weiß und fotografiert, was ihm vertraut ist: das Leben auf den Straßen, in Hausfluren und Hinterhöfen. Man sieht spielende Kinder, surreal anmutende Alltagsszenen, ein Paar, das durch den Bildausschnitt geschieden wird. Vor dem Hintergrund der malerischen Verwahrlosung, für die Kuba sattsam bekannt ist, fängt Almenares eine dem Klischee abgetrotzte Wirklichkeit ein. Dass die Sonne vieles erträglicher macht, sieht man aber auch seinen Bildern an.
Beiden Preisträgern widmet Michael Horbach eine gemeinsame Ausstellung in den Räumen seiner Stiftung - die wichtigste Enklave für die Fotografie Lateinamerikas in Köln und weit darüber hinaus. Seit 2003 vergibt Horbach alle zwei Jahre seinen mit 10.000 Euro dotierten Preis, nicht immer, aber überwiegend an Fotografen aus Süd- und Mittelamerika. 2007 ging er an Sebastião Salgado, 2011 an die Mexikanerin Flor Garduño, 2021 an den Argentinier Marcos Zimmermann. Bei der Auswahl der Preisträger folgt Horbach offensichtlich und im besten Sinne ungeniert seiner persönlichen Vorliebe für sozial engagierte Dokumentarfotografie, die in Lateinamerika eine lange Tradition hat.
Flor Garduño ist in der Sammlung besonders prominent vertreten
Diese Neigung sieht man auch Horbachs eigener Fotografie-Sammlung an, aus der Pari Moradi eine Auswahl aus „100 Augenblicken“ getroffen hat. Sie ist im großen Saal von Horbachs Kunsträumen zu sehen, als historischer Rahmen der Preisträger-Ausstellungen und zugleich als eigenständige Schau. Moradi vereint darin Bilder von Horbach-Preisträgern (Flor Garduño ist besonders prominent vertreten) mit Arbeiten von eher unbekannten, aber gleichwohl angesehen Vertretern der Dokumentarfotografie (etwa der US-Amerikaner Bill Perlmutter) - und ordnet die „Augenblicke“ nach Lebensphasen. Die fotografische Lebenslinie beginnt mit zwei Kinderbildern der kolumbianischen Fotografin Lucana und endet (nicht ganz) mit Särgen, die über einen Friedhof getragen werden (eine Aufnahme Garduños). Dazwischen liegen Kindheit und erste Liebe, Arbeit und Erwachsen-Sein, Altern und Tod.
Hier und dort sticht eine prominente Figur heraus: Nelson Mandela in seiner Zelle, ein flirtender Muhammad Ali, Joseph Beuys als junger Mann in seinem Atelier. Aber auch sie fügen sich nahtlos ein in die Geschichte eines kollektiven Lebens, das zwischen den Polen von Glück und Leid, Leichtigkeit und Beschwernis dem Tod entgegenfliegt.
Die dritte Ausstellung im Reigen ist Pari Moradis Zeichnungen nach Fotografien gewidmet. Sie zeigen geometrische Formen, die der Lichtschein malt, wenn er durch ein Fenster auf Böden und Wände fällt, weitgehend reduziert, beinahe schon abstrakt. Auch diese Bilder halten Augenblicke fest – aber mit der Hand nachgezogene.
„Fotopreis 2025 der Michael-Horbach-Stiftung“, „100 Augenblicke“, „Everlasting Light – Pari Moradi“, Kunsträume der Michael-Horbach-Stiftung, Wormser Str. 23, Köln, Mi., Fr. 15.30-18.30 Uhr, So. 11-14 Uhr, bis 28. September. Eröffnung: So., 27. Juli, 11-14 Uhr. Der Eintritt ist frei.