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Bestseller-Autorin Mariana Leky„Wenn jemand über Köln schimpft, bin ich beleidigt”

Lesezeit 5 Minuten
Mariana Leky ist Patin eines Okapis im Kölner Zoo.

Mariana Leky ist Patin eines Okapis im Kölner Zoo.

  • Mariana Leky hat mit ihrem Roman „Was von hier aus sehen kann” einen großen Bestseller-Erfolg gelandet.
  • Im Interview erzählt die aus Köln stammende Schriftstellerin, warum sie eine Okapi-Patenschaft im Kölner Zoo übernommen hat, warum man Bestseller nicht planen kann und welche Gefühle sie als Wahl-Berliner gegenüber ihrer alten Heimatstadt hat.

Frau Leky, Sie hofften, bevor Ihr Roman „Was man von hier aus sehen kann“ erschien, dass er „irgendwo im angenehmen Mittelfeld“ lande, was die Verkaufszahlen angeht. Er wurde ein großer Erfolg. Aktuell ist die Taschenbuch-Ausgabe, die kürzlich erschienen ist, auf Platz acht der Bestsellerliste. Was hätten Sie gesagt, wenn Ihnen jemand diesen Erfolg prognostiziert hätte?

Ich glaube, ich hätte ihm empfohlen, sich bei Gelegenheit einem Psychologen vorzustellen. Ich hätte das in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet.

Die Bestseller-Liste wird ja von Kritikern häufiger belächelt. Stört Sie das?

Es gibt stramme Vorurteile gegenüber der Bestsellerliste. Ich werde nie vergessen, wie ich bei einer Lesung von der Veranstalterin gefragt wurde, ob es für mich „schlimm“ sei, auf der Bestsellerliste zu stehen. Ich habe die Frage erst mal gar nicht verstanden. Bis mir dann klarwurde, sie meint: Bestsellerliste heißt, es ist mutmaßlich Schund. Was ja vollkommener Unsinn ist. Die Haltung, prinzipiell nichts zu lesen, was auf der Bestsellerliste steht, fand ich schon immer albern.

Das ist ja nicht Ihr erster Roman. Haben Sie eine Erklärung, warum gerade dieses Buch so erfolgreich geworden ist?

Nein, und das soll nicht kokett klingen. Ganz klar ist es mir immer noch nicht. Es gab sehr schöne äußere Einflüsse, zum Beispiel dass es den Buchhändlerinnen und Buchhändlern gefallen hat. Das hat es angeschoben. Vielleicht liegt es auch daran, dass es in dem Roman eine wohlwollende Erzählhaltung gegenüber Figuren gibt, deren Leben nicht ganz gradlinig verläuft.

Sie haben gesagt, jeder sei innerlich ein bisschen windschief. Und so sind auch Ihre Figuren. Ich finde, das hat etwas Tröstliches.

Vielleicht ist es das. Dass es auf irgendeiner Ebene tröstet. Mich freut es sehr, wenn Leute sagen, sie haben ein gutes Gefühl und waren glücklich, als sie es gelesen haben.

Eine Schlüsselrolle spielt ein Okapi, das der alten Selma im Traum erscheint und den Tod eines Dorfbewohners ankündigt. Warum ausgerechnet ein Okapi?

Das hat mich immer schon fasziniert. Ich komme ja aus Köln, und als Kind stand ich immer im Zoo und habe das Okapi angehimmelt. Ich habe nur auf eine Gelegenheit gewartet, ihm ein literarisches Denkmal zu setzen. Und es passte einfach so gut, weil es so zusammengesetzt wirkt, als würde es in sich gar nicht zusammengehören. Ich habe auch Leute getroffen, die glaubten, ich hätte das Okapi erfunden: Das zeigt, wie sonderbar es ist.

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Sie bringen in Ihrem Roman gern Dinge zusammen, die erst mal nicht zusammenpassen. War das die Idee für die Geschichte?

Die erste Idee war, die Geschichte über eine Frau zu schreiben, die Liebe und Tod verwechselt und vor der Liebe so viel Angst hat wie vor dem Tod. Gleichzeitig wollte ich die Figuren alle in die unangenehme Lage versetzen, dass alle gleichzeitig denken, ihr letztes Stündlein habe geschlagen. Daher der Traum vom Okapi.

Die Geschichte spielt im Westerwald, wo Sie als Kind viel Zeit im Ferienhaus Ihrer Eltern verbrachten. Könnten Sie sich auch vorstellen, Ihrer Heimatstadt Köln ein literarisches Denkmal zu setzen?

Unbedingt. Das kann ich mir gut vorstellen. Je weiter ich aus Köln weg bin, desto mehr spüre ich, wie verbunden ich der Stadt bin. Wenn jemand über Köln schimpft, bin ich nachhaltig beleidigt. Es ist mein Zuhause – wenn ich im Zug nach Köln sitze und irgendwann wechselt das Zugpersonal und der neue Schaffner hat so einen leichten kölschen Einschlag, wirkt das auf mich wie ein Muskelentspannungspräparat. Ich fühle mich in Köln immer noch sehr wohl und zu Hause.

Sie leben nun in Berlin. Das ist auch ein Thema des Romans: Sollte man gehen, sollte man bleiben? Bleiben wird häufig mit Stillstand assoziiert, Gehen mit Aufbruch.

Ich glaube, man darf das nicht so aus dem Handgelenk bewerten. Die Figur Selma sagt im Buch sinngemäß: Wenn jemand in die Welt hinaus zieht, wird nie gefragt, warum. Es gilt immer als positiv zu gehen. Man darf da aber nicht solche Urteile drauflegen, als ob die, die da bleiben, innerlich klein bleiben. Das ist ziemlicher Quatsch.

Es gibt nun auch ein Theaterstück zu Ihrem Roman. Wie ist das denn, wenn man das eigene Buch auf diese Art und Weise zum Leben erweckt sieht?

Es ist sehr unwirklich und seltsam, wenn man plötzlich Figuren auf der Bühne sieht, die bisher nur bei einem im Kopf lebten. Weil es ein ganz anderes Medium ist, wird es einem im besten Sinne fremd.

Und wie sieht es bei der Verfilmung aus, die gerade entsteht? Wie sind Sie da involviert?

Ich habe damit gar nichts zu tun, was ich auch richtig finde. Ich könnte nie ein Drehbuch schreiben, das ist ja ein ganz anderer Beruf. Ich habe auch keine Ahnung davon, wie man eine Geschichte in Bilder umsetzt. Der Regisseur wird das Drehbuch schreiben, und wenn er Fragen zu den Figuren hat, dann wird er mich kontaktieren. Aber eigentlich habe ich damit nichts zu tun.

Gibt es schon ein neues Buchprojekt, an dem Sie arbeiten?

Jetzt gerade noch nicht. Ich bin immer noch beschäftigt mit dem alten Buch. Bevor ich mich an etwas Neues machen kann, muss das komplett weg aus meinem Kopf und meinem Alltag sein.

Ist der Druck hoch, nach einem solchen Bestseller einen ähnlich erfolgreichen Roman schreiben zu wollen?

Das ist eine zwiespältige Sache. Einerseits hat man das Gefühl, man schreibt nicht mehr allein, plötzlich gucken einem viele Leute erwartungsvoll über die Schulter. Andererseits hat mir mal eine kluge Bekannte gesagt, dass es ja eigentlich schwieriger ist, sich an ein neues Buch zu setzen, wenn das davor nicht so gut aufgenommen wurde. Insofern ist die Befangenheit ein Luxusproblem, aber ja, sie ist da.

Sie haben also kein Geheimrezept für künftige Bestseller-Autoren?

Nein. Bestseller sind ja zum Glück rezeptfrei.

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