„Bibliomania“ in Bergisch GladbachVom Baumstamm zum Buch und wieder zurück

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Bergisch Gladbach – Zwischen zwei Buchdeckeln sitzt die Kunst meist wie in der Mausefalle, noch nicht ganz tot, aber, geplättet und aufs handliche Format geschrumpft, auch nicht gerade quicklebendig. Selbst Künstlerbücher konnten an dieser traurigen Liaison nicht viel ändern, die Liebe der Kunst zum Buch bleibt letztlich unerfüllt. Es sei denn, sie tobt sich am Buch selbst aus, an seinem papiernen Körper oder seiner Idee als Speichermedium.

In „Bibliomania“ geht es um enttäuschte Liebe und um das Buch als Rohstoff

„Bibliomania“ heißt diese enttäuschte, durch die Enttäuschung aber auch angefachte Liebe im Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch Gladbach. Sie reicht von der Zerstörungslust, mit der Oskar Holweck einen Krater in ein unbedrucktes Blindbuch reißt, bis hin zur sanften Rache, die Julius Deutschbauer gleich zu Beginn der Ausstellung inszeniert. Für seine „Bibliothek ungelesener Bücher“ sammelt er seit 1997 bei Freunden und Fremden Bücher ein, die, wie verschmähte Liebhaber, ungelesen blieben, und stellt sie mit einem entsprechenden Bibliotheksvermerk versehen in sein vor Literaturklassikern geradezu platzendes Regal. Als spöttisches Mahnmal eines kollektiven schlechten Gewissens bekommen die Staubfänger von Musil bis Arno Schmidt ein zweites Leben geschenkt.

Selbstredend kann man sich dem Buch auch ehrfurchtsvoller nähern, wie etwa Candida Höfer mit ihren technisch perfekten Aufnahmen altehrwürdiger Bibliotheken. Man ahnt die historische Tiefe der Räume, aber auch, dass diese menschenleeren Büchereien längst Museen oder Weihestätten gleichen, in denen ein unzugänglich gewordenes Wissen dem Vergessen überlassen wird. Katharina Fritsch setzt dem Ordnungssystem Buch ebenfalls ein vertracktes Denkmal, wenn sie ein Bücherregal aus Holz und roter Farbe nachbaut. Die Buchrücken stehen penibel in Reih und Glied, aber ihre monumentale Ordnung wirkt so leer wie die Buchattrappen im Möbelhaus.

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Aus der abwechslungsreichen Ausstellung schälen sich bald einzelne Grundmotive heraus, an denen die künstlerische Neugier besonders gerne ansetzt: das Buch als Rohstoff, die trügerische Ordnung des Bücherregals und die einzelne Buchseite als „Schriftbild“. In der Regel ist das Motiv dahinter die Subversion eines alten, geliebten Feinds. Wenn etwa Andreas Gursky eine Seite aus Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“ (das am häufigsten ungelesene Buch, übrigens) fotografiert, darf man getrost davon ausgehen, dass Gursky die Sätze auf seinem mannshohen C-Print heimlich neu arrangiert und verfremdet hat. Derlei Spott aufs Literarisch-Erhabene findet sich auch bei Kris Martin. In seiner Serie „End-points“ setzt er die dramatischen Schlusspunkte von Romanen im Maßstab eins zu eins auf weiße Blätter und bringt sie nahezu zum Verschwinden.

Hubertus Gojowczyk macht Bücher zu Ziegelsteinen und mauert mit ihnen eine Tür zu

Als Rohstoff wird das holzhaltige Buch bei Dietrich Helms in seinen ursprünglichen Zustand zurückverwandelt. Helms blättert und faltet ein Telefonbuch auf eine Weise auf, dass es die Anmutung eines Baumstumpfes erhält. Zu Ziegelsteinen mutieren die Bücher wiederum bei Hubertus Gojowczyk – er mauert mit ihnen eine Tür in der Villa Zanders zu und arrangiert damit den größtmöglichen Gegensatz zu den wohlgeordneten Bücherregalen und deren Illusion eines stets griffbereiten Wissens. Es ist übrigens eine Selbsttäuschung, die sich im Spiegel der Malerei, die ja selbst eine große Illusionskunst ist, leicht hintertreiben lässt. Oder versuchen Sie mal, ein Buch aus den gemalten Bücherwänden Ralph Flecks zu ziehen.

„Bibliomania – Das Buch in der Kunst“, Kunstmuseum Villa Zanders, Konrad-Adenauer-Platz, Bergisch Gladbach, bis 8. Januar 2023. Der Katalog zur Ausstellung erscheint am 23. Oktober und kostet 35 Euro.

Öffnungszeiten: Di., Fr. 14-18, Mi., Sa. 10-18, Do. 14-20, So. 11-18 Uhr

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