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Nadifa Mohamed

Nadifa Mohamed

Köln – Liebe Leserinnen und Leser, aufgrund der Corona-Vorschriften müssen jegliche Kulturveranstaltungen im November abgesagt werden – so auch unsere traditionelle Matinee zum „Buch für die Stadt und die Region“, zu der wir in normalen Zeiten Nadifa Mohamed begrüßt hätten. Das tut uns sehr leid!

„Der Garten der verlorenen Seelen“ heißt das Buch der in Somalia geborenen, seit langem in London lebenden Schriftstellerin, das im Mittelpunkt unserer Leseaktion 2020 steht. Und diese soll auch trotz des Lockdowns stattfinden, und zwar digital. Statt einer Matinee im Kölner Schauspiel wird an ihrem Beginn ein Online-Stream stehen.

Matinee digital

Im Gespräch mit Bettina Fischer vom Literaturhaus – unserem Kooperationspartner beim „Buch für die Stadt“ – spricht Moderator Joachim Frank über Nadifa Mohameds Roman, der in den 80er Jahren zu Zeiten des somalischen Bürgerkriegs spielt und drei Frauen in den Mittelpunkt rückt. Natürlich gibt es auch eine Lesung aus dem Buch, und die Schriftstellerin kommt selbst zu Wort – im Interview, das ich den Zeiten entsprechend per Video-Konferenz mit Nadifa Mohamed geführt habe. Sie bedauert sehr, dass sie nicht nach Köln kommen kann – vor einigen Jahren hat sie die Stadt kennengelernt, als sie hier auf Einladung des Festivals „stimmen afrikas“ gelesen hat. Per Video sendet sie aus London einen Gruß an den Rhein.

Das Buch

Kawsar, Deqo, Filsan – fast wie mit fliegenden Filmschnitten lässt Nadifa Mohamed zum temporeichen Auftakt ihres Romans die drei weiblichen Hauptfiguren und damit auch drei Generationen aufeinanderprallen. Es ist eine Begegnung wie ein folgenschwerer Unfall, und auch, wenn sich im Mittelteil des Buches ihre Geschichten in ihre jeweils eigene Umlaufbahn begeben, so führt die Autorin sie zum Ende hin wieder zusammen. Jede für sich, auf schicksalhafte Weise miteinander verknüpft, so gestaltet sich dieses zugleich anonyme und intime Netz, dieses beziehungslose Beziehungsgeflecht unterm Terror.

Wer eine Ahnung davon bekommen möchte, vor was und wem die Menschen die Flucht ergreifen, die sich über gefährliche Landrouten und das Meer nach Europa retten wollen, der sollte Nadifa Mohameds „Der Garten der verlorenen Seelen“ lesen.

Die Autorin

Der Roman spielt am Ende der 80er Jahre, während der letzten Zuckungen des Regimes des Siad Barre, das 1991 endgültig gestürzt wurde. Zu dieser Zeit lebte die 1981 geborene Nadifa Mohamed bereits mit ihrer Familie in London – das Erbe Somalias wirkte vor allem in den Geschichten fort, die ihre Mutter Zahra Farah Kahin und ihr Vater Jama Guure Mohamed erzählten. Auf diese Berichte bezieht sie sich in einer Danksagung am Ende ihres Buches ausführlich, wie auf historische und zeitpolitische Schriften wie „Somalia – the Untold Story: War through the eyes of Somali women“.

Eine Frauengeschichte hat auch Nadifa Mohamed mit “Der Garten der verlorenen Seelen„ geschrieben, und auch die Tatsache, dass sie als Rohmaterial für ihren Roman Tatsachenberichte und Geschichtsbücher benutzte, schlägt sich in ihrem Schreiben nieder: Es schlägt einen ganz eigenen Ton an, in dem sich die gelegentliche Poesie verletzter Seelen mit dem harten Rhythmus der somalischen Wirklichkeit vermischt.

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In ihrem Romandebüt, „Black Mamba Boy“ (2009), verarbeitet Nadifa Mohamed die Geschichte ihres Vaters. Den historischen Hintergrund dafür bildet das von Kolonialismus und Faschismus verheerte Ostafrika bis nach Ägypten hinunter, durch das der Junge Jamal streift, auf der Suche nach seinen familiären Wurzeln. Der Norden des heutigen Somalia wurde von Großbritannien als Britisch-Somaliland, der Süden und Osten als Italienisch-Somaliland von Italien in Beschlag genommen. Am 1. Juli 1960 wurden die beiden Kolonien gemeinsam als Somalia unabhängig. Nadifa Mohamed, 1981 in Hargeisa geboren, war knapp vier Jahre alt, als sie ihre Heimat gemeinsam mit der Familie in Richtung London verließ.

Die Leseaktion

Nadifa Mohameds “Der Garten der verlorenen Seelen“ ist das “Buch für die Stadt“ 2020. Dies ist eine gemeinsame Literaturaktion von Literaturhaus Köln und “Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Jury bildeten Bettina Fischer (Literaturhaus Köln), Hildegund Laaff (Lengfeld’sche Buchhandlung), Martin Oehlen (Literaturblog “Bücher-Atlas“) und Frank Olbert (“Kölner Stadt-Anzeiger“).

Die Sonderausgabe des Romans ist im Verlag C.H. Beck erschienen. Unterstützt wird die Initiative vom Unternehmen JTI und „stimmen afrikas“.

Im Rahmen einer Aktionswoche finden normalerweise Lesungen, Diskussionen und Informationsveranstaltungen rund um „Das Buch für die Stadt“ statt – dies kann im Corona-Jahr nur in kleinerem Rahmen stattfinden. Doch es gibt diese Aktivitäten über die Sie sich auf unserer Website informieren können.

Trotz Corona: Wir lesen „Das Buch für die Stadt“ 2020. Gerade wegen Corona!

https://bfds.ksta.de/

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