Bundeskunsthalle in BonnNeue Ausstellung „State of the Arts“ vereint alle Kunstformen

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Die Bundeskunsthalle in Bonn (Symbolbild)

  • In der neuen Ausstellung „State of Arts“ soll Kunst keinesfalls passiv konsumiert werden: In 13 Gegenwarts-Kompositionen trifft bildende Kunst auf Video oder Performance.
  • Lohnt sich dieser Crossover? Wir haben die Schau vorab besucht.

Bonn – Wie kann ein Kunstmuseum maximal unkonventionell den Corona-Lockdown hinter sich lassen?

Eva Kraus, ab 1. August neue Intendantin der Bundeskunsthalle, versucht es mit einer interdisziplinären Ausstellung, die nicht nur jeder Grenzziehung zwischen den Gattungen eine Absage erteilt. Auch der Besucher ist aufgefordert, seine passive Konsumhaltung abzulegen. In 13 Gegenwarts-Kompositionen treffen klassische Formen bildender Kunst auf Video, Performance, Installation, Musik, Theater und Tanz – ohne Einschränkungen und festen Boden unter den Füßen.

Ganz neu ist dieser Ansatz zwar nicht. Die Traditionslinie reicht in die 1960er Jahre, als die Fluxus-Bewegung in der Nachfolge von Dada die Erwartungen auf den Kopf stellte und mit dem Zertrümmern von Klavieren ganze Aufführungen bestritt, aus Monitoren Skulpturen erschuf und den Mythos vom genialen Künstler durch Teamwork ersetzte, inklusive eines Publikums, das im Idealfall an der gemeinsamen Kreativität beteiligt wurde.

Auch wenn die Aura gelungener Provokation längst vergangen ist und nachfolgende Generationen, wie etwa Christoph Schlingensief, am gruppendynamischen Schnittpunkt von Panik und Klamauk agierten, erfreut sich das Rezept des Crossovers seit den Nullerjahren wieder großer Beliebtheit. Man denke nur an Marina Abramovics Performance „The artist is present“ von 2010, in der sie Besucher des Museum of Modern Art in New York dazu einlud, sich zu ihr an einen Tisch zu setzen und ihr in die Augen zu schauen.

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Kein Wunder also, dass sich die Kuratorinnen Johanna Adam und Miriam Barhoum mit der Schau „State of the Arts – Die Verschmelzung der Künste“ am Puls der Zeit wähnen. Auch wenn manch ein Beitrag auf dem Weg von New York stecken geblieben ist, das Hygienekonzept von Begüm Erciyas stimmenintensiver Arbeit „Voicing Pieces“ einen Strich durch die Rechnung gezogen hat und man die an den Stationen platzierten Desinfektionsflaschen nicht mit einer Installation verwechseln sollte, punktet das Konzept mit jeder Menge Jung-Stars. Darunter Christian Falsnaes, der in seinem Aktionsraum „Solo“ den Narzissmus des Publikums austestet – auch wenn nicht ganz freiwillig.

Eigentlich sollten in dem weiß gestrichenen Raum ursprünglich mehrere Besucher gemeinsam performen. Übrig geblieben ist wegen der Abstandsregeln nun das eigene Spiegelbild und das nicht mehr ganz so unbekannte Erlebnis der Quarantäne. Entkommen aus der Isolationsfalle bietet Hannah Weinbergers Sound- und Videoinstallation „we didn“t want to leave“. Kaum stellt man sich vor die Leinwand, vermehren sich unzählige Klone in den unendlich geweiteten Raum hinein. Verlässt man diese Bühne, stirbt das Kunstwerk einen vorläufigen Tod.

Raphaela Vogel, der 2019 das Kunsthaus Bregenz mit nur 31 Jahren eine großen Solo-Präsentation widmete, kombiniert eine beängstigende Spinnenskulptur mit an Gerüsten hängenden Puppen, flankiert von dem dramatischen Video „Tränenmeer“, das sie durch eine umkreisende Drohne aufnehmen ließ. Die Künstlerin steht im roten Kleid auf einem Felsen, die Drohnensteuerung versteckt in einem Akkordeon. Das Meer tobt um sie herum und unweigerlich muss man, selbst in die Wasserspirale wie in ein schwarzes Loch hineingezogen, an den drohenden Klimakollaps denken.

Assoziationsbereitschaft ist auch bei Rachel Monosov gefragt. Mal soll man die Hand zwischen zwei Kakteen stecken, mal an Bein und Hals fesseln lassen und einen Fingerabdruck hinterlegen. „The Blind Leader“ soll die Folgen von politischer Kontrolle spürbar machen. Wie gut, dass bei David Shrigley auch mal der Humor nicht zu kurz kommt. Nach dem Moment der Interaktion sucht man zwar vergeblich. Aber „nur“ Zuschauen lohnt trotzdem, denn der Anblick des Mal-Roboters „The Artist“ könnte nicht selbstironischer den Genie-Kult ad absurdum führen. Mit seinen Nasenloch-Filzstiften zieht er am Boden unermüdlich die immer gleichen Kreise. Ist Leerlauf etwa der Preis für eine verflogene Produktivität?

Wirklich souverän kommt man sich beim Absolvieren des Parcours jedenfalls nicht vor. Eher wie eine Billard-Kugel, die stets von fremden Kräften in Bewegung gesetzt wird. Aber in Zeiten des Corona-Stillstands ist man selbst für diese Kontaktsimulation mehr als dankbar.

„State of the Arts – Die Verschmelzung der Künste“ in der Bundeskunsthalle Bonn, bis 16. August. Di. - Mi. 10-21 Uhr, Do. - So. 10-19 Uhr.

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