Glücksfall oder Modewahn?Digitale NFT-Kunst in der Kölner Galerie Nagel Draxler

Blick in die Ausstellung bei Nagel Draxler in Köln
Copyright: Simon Vogel
Köln – Anfang März wechselte beim Auktionshaus Christie’s eine Digitalcollage des Künstlers Beeple für rund 69 Millionen Dollar den Besitzer – seitdem trägt die Liaison zwischen der Kunstszene und der Welt der Krypto-Nerds immer hysterischere Blüten. Manch ein Galerist verklärt den Hype gar zu einer Revolution, denn auch nicht mehr existierende Werke lassen sich nun in digitaler Form der NFTs („Non Fungible Token“) auf einer Blockchain, einer dezentralen Datenbank im Internet, als „Unikate“ verkaufen.
Nicht nur Investoren mit Sinn für Krypto-Spielzeuge ringen seitdem nach Luft. Selbst so altehrwürdige Institutionen wie die Uffizien in Florenz haben die Vorteile des virtuellen Handels erkannt. Sie verkaufen einige ihrer berühmtesten Kunstwerke, von Caravaggio bis Michelangelo, inzwischen als Krypto-Version, um die pandemiebedingt klammen Kassen aufzufüllen. In Köln ist nun neben Priska Pasquer auch die Galerie Nagel Draxler auf den Zug aufgesprungen, der eine Alternative zu den chronisch abgesagten Kunstmessen bietet.
Szenestar Kenny Schachter als Gastkurator
Als Kurator für die Gruppenschau „Breadcrumb“ hat man Kenny Schachter mit ins Boot geholt. Der Kunstkritiker und Digitalkünstler aus New York zählt zu den Gewinnern der Technologie. Lange konnte er seine Arbeiten nur schwer vermarkten, weil sie im Internet für jedermann abrufbar waren. Mit den NFTs auf der Blockchain kann er nun Geld verdienen, ohne auf etablierte Galerien angewiesen zu sein. Ein Glücksfall also für die Kunst, die fortan leichter zugänglich und jüngere Käuferschichten ansprechen wird? Nur bedingt, denn auch die Plattform-Anbieter kontrollieren, welche Kunst bei ihnen Aufmerksamkeit generieren darf.
„Breadcrumb“, der Titel der überwiegend mit US-Amerikanern bestückten Schau, bezieht sich auf die sogenannte Brotkrümelnavigation, eine Art Link-Pfad durch die Hierarchie einer Webseite, wie einst im Märchen „Hänsel und Gretel“, die dank ausgestreuter Brotkrümel den Weg aus dem Wald fanden. Wenn diese Art der Navigation Übersichtlichkeit schaffen soll, provoziert Schachter als Kurator mit gepflegter Unordnung. Vielleicht, weil für ihn ein Gemälde, eine Skulptur und eine Datei gleichwertig sind?
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Wer jetzt mit dem Einzug der Bitcoins und Tokens eine gänzlich neue Kunst erwartet, wird beim Betreten der Galerieräume enttäuscht. Man trifft auf eine wilde, teilweise in knalligem Rot gehaltene Installation aus Bildschirmen, Fotos, Ölgemälden, Prints digitaler Werke und Textfragmenten. Es dauert eine Weile, bis man einen Weg durch den punkigen Kunst-Wald findet. Immerhin, manch einer der versammelten Künstler bricht gänzlich mit den Erwartungen, die man an einen systemkritischen Bohemien stellt.
Kevin Abosch etwa thematisiert in seinen vor Algorithmen wimmelnden NFT-Arbeiten die Blockchain. Gleichzeitig agiert er als Investor von Apps und digitalen Kommunikationsplattformen. Sarah Friend ist Softwareentwicklerin. Als Künstlerin malt sie auf Acrylglas kryptische Zahlenkolonnen, die hippe Titel wie „Amazon Kindle Fire 1st Gen“ tragen. Rulton Fyder ist mit fortgeschrittener Op-Art-Kunst für die Digital Natives vertreten, während die Britin Rhea Myers, Hackerin und Autorin von Texten über die Vor- und Nachteile der Blockchain, einen dritten Weg zwischen Ironie und Skepsis versucht. Duchamps Ready-mades und klassische Konzeptkunst vermischen sich bei ihr mit der Daten-Ästhetik von heute – und schaffen so einen überaus reflektierten Meta-Kommentar, der manch einem allzu affirmativem NFT-Enthusiasten dringend zu empfehlen wäre.
Galerie Nagel Draxler, Elisenstraße 4–6, Köln, bis 21. August. Mi.–Fr. 11–18 Uhr. Sa. 11–16 Uhr.