Loriot wird 100„Du dodl di! Dö dudl dö! ist zweites Futur bei Sonnenaufgang“

Lesezeit 6 Minuten
Vicco von Bühlow auf seinem legendären roten Sofa.

Vicco von Bühlow auf seinem legendären roten Sofa.

Am 12. November wäre Loriot hundert geworden. Die ARD gratuliert mit einem großen Thementag und wir preisen seine besten Sprüche.

Loriot hat das Unmögliche geschafft: Mit seinen Sketchen ein unverwechselbares Abbild seiner Zeit zu schaffen. Und gleichzeitig zeitlos komisch zu sein. „Bei jeder Wiederholung lache ich immer wieder neu, entdecke auch immer wieder andere Nuancen und stelle fest: Es passt in jede Zeit“, sagt Hape Kerkeling im Dokumentarfilm „LORIOT100“. So gut sogar, dass heute sogar der Bundeskanzler aussehe, wie eines von Loriots legendären Knollennasen-Männchen aus dem Sketch „Herren im Bad“. Die Dokumentation steht im Zentrum eines ARD-Thementages über den Humoristen, der 2011 starb und am 12. November hundert Jahre alt geworden wäre.

Loriot fühlte sich als „unpolitisch“ missverstanden

Vicco von Bülow alias Loriot persiflierte die spießige Wohlstandsgesellschaft der BRD vor der Wende mit ihrer Bildungshuberei und ihrer gepflegten Fassade. „Er war ein subversiver Künstler, weil er seine eigene Bürgerlichkeit als Thema genommen hat“, sagt der Karikaturist Gerhard Haderer. Und so lachte Loriot auch immer stellvertretend über sich selbst. Dabei war sein Humor nie vernichtend - dazu mochte er Menschen viel zu gerne.

Das wurde bisweilen als Harmlosigkeit missverstanden. Doch den Vorwurf, nicht politisch zu sein, wies er „sehr ärgerlich und ernst zurück“. Er sah keinen Sinn darin, sich nur über Politiker lustig zu machen, wie viele seiner Kollegen. Für ihn war Satire „eine Waffe, die sich grundsätzlich gegen die Macht richtet“. Und die liegt in einer Demokratie bekanntlich beim Volk. Weswegen genau das zur Zielscheibe seines Spotts wurde.

Wer bei Loriot also nur an knuddelige Knollennasenmännchen und witzige Sketche denkt, liegt falsch: „Was ich mache ist, bestimmte Bosheiten so einzupacken, dass der Betreffende, der es fressen muss, nicht merkt, was er runtergeschluckt hat. Und es ihm später erst klar wird, wenn er es im Magen hat“, sagte er.

Er hat die breite Masse offener gemacht für das Subversive
Hape Kerkeling

Und auch Hape Kerkeling findet: „Er hat die breite Masse offener gemacht für das Subversive“ – nur eben mit Stil und stets tadellos gekleidet. Rückblickend steht fest: Es war eines der großen Missverständnisse der Vorwende-BRD, dass man die Gesellschaft nur mit Turnschuhen, Selbstgestricktem oder Irokesenschnitt verändern kann. Loriot griff die BRD nicht von außen an, er unterwanderte sie aus ihrer gutbürgerlichen Mitte heraus.

Wie groß der Einfluss Loriots bis heute ist, beweisen Gratulationen der unterschiedlichsten Humorschaffenden: Unter anderen feiern ihn in der Doku Hape Kerkeling, Helge Schneider, Olli Dittrich, Sarah Bosetti, Oliver Kalkofe, Gerhard Polt, Ariana Baborie und Torsten Sträter. Letzterer ist sich sicher: Wenn der „Multimedia-Meister“ heute Instagram hätte, würde ihm ganz Deutschland folgen.


Das sind die Loriot-Lieblingssprüche der Kulturredaktion

„Du dodl di! Dö dudl dö! ist zweites Futur bei Sonnenaufgang.“ Wachen Sie manchmal schweißgebadet auf, weil sie im Traum vor versammelter Schulklasse noch einmal Vokabeln aufsagen müssen, die Sie nicht gelernt hatten? Ganz so schlimm ist es bei mir nicht, aber die öffentliche Vorführung meiner Unwissenheit gehört zu den unangenehmsten Erinnerungen an meine Schulzeit. Für den Erwerb eines Jodeldiploms würde ich trotzdem noch einmal auf die Schulbank zurückkehren, denn die sinnlose Anhäufung nutzlosen Wissens wird nirgendwo schöner vorgeführt, als auf dem von Loriot geebneten zweiten Bildungsweg.

Am Institut für modernes Jodeln wacht ein gewisser Dr. Vogler über die korrekte Aussprache des Erlernten: „Holleri du dödl di, diri diri dudl dö“, spricht er akribisch vor, doch schon der erste Schüler scheitert an der Aufgabe, „die bisher erarbeiteten Grundmotive des Erzherzog-Johann-Jodlers“ frei und ohne Nachhilfe vorzutragen. Wie der aufgerufene Herr Dr. Südermann nichts Böses ahnend aufschreckt, ist aus sicherer Distanz so köstlich anzusehen wie der streberhafte Herr von Lilienkron. Die unnachahmliche Frau Hoppenstedt bringt dann so lange ein verdientes Durcheinander in die Jodelordnung, bis man nur noch „Du Dödel, Du“ versteht. Irgendwie muss sich Frau Hoppenstedt durch die Abschlussprüfung geschummelt haben, denn in einem späteren Sketch derselben Sendung wird sie völlig zu Unrecht als „Jodelschnepfe“ beschimpft. (KoM)

„Auf welchem Gebiet arbeitest Du? Worauf konzentriert sich Dein Forschungsinteresse?“ ... fragt der Radio-Bremen-Reporter den jungen Klaus-Peter Kleinknecht aus Böblingen, diesjähriger Bundessieger des Wettbewerbs „Jugend forscht“, in einem der frühesten und bis heute recht unbekannt gebliebenen TV-Sketche des Meisters. Ein wichtiges Thema. Die wissenschaftliche Ausbildung des Nachwuchses entscheide schließlich darüber, heißt es gravitätisch in der Ansage, ob die Bundesrepublik in Zukunft auf der Weltbühne noch eine Rolle spielen werde oder nicht.

„Jugend forscht“, 1965 vom „Stern“-Chefredakteur Henri Nannen initiiert, war damals ein ganz neues Unterfangen, der Urknall aller MINT-Maßnahmen. Der ehemalige Kunststudent Loriot stand dem früh verordneten naturwissenschaftlichen Erkenntnisinteresse eher skeptisch gegenüber. Der kleine Klaus-Peter sitzt ausdruckslos auf einer riesigen Kiste. Auf die Fragen des Reporters antwortet er nicht, haut nur einmal kurz gegen die Kiste. Die Vorderwand klappt auf, nackte Frauen purzeln heraus. Ein Sekundengag, der jahrelange Freud-Lektüre erspart. Darauf also konzentriert sich das Forschungsinteresse der Jugend. (cbo)

Zwei nackte Männer stehen sich in einer Badewanne gegenüber.

Eine Szene aus dem Film „Loriots große Trickfilmrevue“

„Nein, mit Ihnen teilt meine Ente das Wasser nicht.“ – „Sie lassen sofort die Ente zu Wasser!“ In meiner Familie war es üblich, Loriot zu zitieren, aber kein Sketch kam so oft zur Sprache wie „Herren im Bad“. Mein Vater liebte Sätze wie „Akademiker wollen Sie sein?“ oder „Ach, Sozi sind Sie wohl auch noch?“ Mir gefiel schon als Kind die Absurdität der Situation, dass da zwei völlig Fremde in einer Wanne sitzen und das überhaupt nicht infrage stellen. Und am meisten mochte ich die Diskussion über die Badeente und die Frage, ob ein Bad denn nun mit oder ohne Wasser besser ist („Nach meiner Erfahrung ist eben ein warmes Wannenbad mit Wasser zweckmäßiger als ohne“). Die Ente wurde in unserer Familie sogar zum geflügelten Wort. Wenn man früher meine Schwester anrief und es passte bei ihr gerade nicht, sagte sie „Ich lasse gerade die Ente zu Wasser“. Da wusste man, es war besser, später noch einmal anzurufen. (amb)

„Der Hund KANN überhaupt nicht sprechen!“ Es lässt sich nicht leugnen: Der Hund kann nicht sprechen, außer mit viel Fantasie den Buchstaben „O“. Ungeachtet dessen präsentiert sein Herrchen im Fernsehen stolz die Weltsensation. Und erfindet einen Satz voller „Os“ nach dem anderen: „Herr Otto Mol fühlt sich unwohl am Pol ohne Atomstrom.“„Politische Äußerungen von Hunden sind auf dem Bildschirm unerwünscht“, protestiert der Moderator. Bis er schließlich mit großer Geste das Offensichtliche ausspricht. Was eigentlich genauso lustig ist, wie der Sprechende-Hund-Schwindel.

Richtig populär wurde Loriot im Fernsehen, was ihn nicht daran hinderte, sich immer wieder über das Medium lustig zu machen. Wichtig bei diesem Zitat ist die Betonung auf „kann“ – Loriot achtete penibel auf kleinste Nuancen. Ich benutze diesen Satz immer, wenn ich das Gefühl habe, dass jemand nur heiße Luft von sich gibt. Und das passiert ziemlich oft. (mm)


Den 100. Geburtstag von Loriot feiert die ARD mit einem crossmedialen Thementag am 6. November. Im Zentrum steht der von André Schäfer produzierte Dokumentarfilm „LORIOT100“ (ARD, 20.15 Uhr, in der Mediathek vom 4. bis 18. November). Im Anschluss an den Dokumentarfilm sendet Das Erste um 21:45 Uhr die Kinoproduktion „Pappa ante Portas“. Ab dem 4. November gibt es in der Audiothek u.a. einen Podcast mit Ariana Baborie.

https://www.daserste.de/unterhaltung/service-unterhaltung/thementag-loriot-100.html

KStA abonnieren