Torsten Sträter in der ArenaWarum der Comedian in Köln nicht so oft vor die Tür will

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Torsten Sträter trägt einen schwarzen Anzug und eine schwarze Mütze.

Ein Mikro, ein Tisch, eine Tasse Kaffee: Viel braucht Torsten Sträter nicht auf der Bühne der Lanxess-Arena

Comedian Torsten Sträter präsentiert sich in der Lanxess-Arena mit Ausdauer und wunderbar schrägen Assoziationsketten. Nur die Kölner versteht er nicht so recht.

Das Eis des Wortspiels ist dünn. Nicht umsonst gibt es Menschen, die die verunglückten Namen von Blumenläden oder Friseursalons - „Schnittstelle“ ist da übrigens eine Überschneidung - sammeln. Torsten Sträter aber, das kann man nach seinem Auftritt in der Lanxess-Arena am Mittwochabend sagen, beherrscht diese Kunst perfekt.

Und dem 56-Jährigen gelingt es sogar noch, seine wilden Assoziationsketten so erscheinen zu lassen, als wären sie ihm gerade erst in den Sinn gekommen. Die Liebe zu verrückten Gedankensprüngen und schlauen Alltagsbeobachtungen haben ihn zu einem der erfolgreichsten Comedians Deutschlands gemacht.

Er will einfach nur Quatsch machen

Aber anders als etwa sein Freund und Förderer Dieter Nuhr, Mario Barth oder Oliver Pocher ‚scheiden‘ sich an ihm nicht die Geister. Irgendwie kann man gegen Sträter nicht so richtig was haben. Und am Ende dieses dreistündigen - mit Pause - Abends weiß man auch warum.

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„Es wird schneidender, intelligenter Humor - nein, wird es nicht. Ich versuche, einen Gedanken zusammenzuhalten“, sagt er irgendwann. Hier gibt es kein politisches Kabarett, aber auch keinen „Kennste, kennste?“ -Humor eines Mario Barth, der nur vom Klischee lebt.

Der Plan ist simpel: „Ich mache, was ich immer mache: Quatsch.“ Und auch wenn er mittlerweile Profi und große Hallen gewohnt ist, nimmt man ihm die Aufregung und die ungläubige Freude darüber ab, dass so viele Menschen ausgerechnet ihm zuhören wollen. Eine Bühnenkarriere schien für den ausgebildeten Herrenschneider, der zwischendurch auch mal arbeitslos war und dann in der Spedition seiner Mutter und seines Bruders arbeitete, lange Zeit nur ein Traum zu sein. Zumal er viele Jahre an Depressionen erkrankt war, worüber er auch sehr offen spricht.

Einen Großteil seines Programms „Schnee, der auf Ceran fällt“ - der Titel sei übrigens willkürlich gewählt, von „Bonusmeilen für die Wanderhure“ habe ihm seine Agentin abgeraten - nimmt die Erklärung ein, warum er nicht das Programm spielt, das er ursprünglich geplant hat. 

Dieses schrieb er 2019, also noch vor der Pandemie. Dafür schloss er sich im Hotel Savoy in sein Zimmer ein. In Köln zu schreiben, habe den Vorteil, dass man nicht so oft vor die Tür wolle. Und überhaupt versteht er die Stadt in vielen Punkten nicht. Es müsse eigentlich jeden Tag Tausende Tote auf den Straßen geben: „Colt Seavers hat hier auf dem Fahrradweg seine Ausbildung gemacht.“

Das Konzept Kölner Karneval hat er nicht verstanden

Und Karneval? „Das Konzept habe ich nicht verstanden.“ Warum sei es Tradition, wenn sich irgendein Jürgen als Scheich verkleide? Er wolle sich auch nicht von Männern Bonbons ins Gesicht werfen lassen. Und überhaupt, schlimmer als sich in Menschenmassen mit Corona zu infizieren, sei doch eh nur die Erkenntnis: „Mich hat ein Clown gebumst.“

Aber wo waren wir? Genau, sein Programm. Darin habe er zum ersten Mal einen roten Faden gehabt. Es ging oft um seinen Vater in diesen Geschichten. „Doch dann sei ihm bewusst geworden, dass sein Vater gar kein so toller Mensch“ gewesen sei, regelmäßig habe er ihn und seine Brüder geschlagen: „Er war ein Idiot. Das ist erst besser geworden, seit er tot ist.“ Also musste der Vater wieder raus aus dem Programm. Und Sträters mittlerweile 19 Jahre alter Sohn, der auch in der Halle war, auch, obwohl der dann doch erstaunlich häufig Thema war.

Sträter spricht auch über heikle Themen wie Impfen und Gendern

Der rote Faden war also Geschichte. Das machte aber gar nichts, im Gegenteil. Stattdessen ließ der Comedian sein Publikum daran teilhaben, warum das mit dem stringenten Erzählen für ihn keine Option ist. „Wenn jemand wahlweise sagt, denke ich an einen Wal, der weder Vater noch Mutter hat und werde traurig. So funktioniert mein Gehirn, so funktioniert mein Programm.“

Sträter hat keine Agenda, außer zu unterhalten. Dabei spart er die heiklen Themen nicht mal aus. Er spricht übers Impfen, über Gendern und Homöopathie. Bei vielen anderen Gelegenheiten reicht schon die Erwähnung eines der Worte, und es gibt mindestens mal hitzige Diskussionen.

Aber dem Mann aus dem Ruhrgebiet gelingt das Kunststück, seine eigene Meinung zu haben und gleichzeitig anderen ihre zuzugestehen. Das mit der Homöopathie könne jeder gerne machen, er habe es auch schon mal bei einem Schamanen versucht, der praktiziere bei ihm um die Ecke und sei einfach günstiger. Verstehen kann er allerdings nicht, dass noch niemand seinen Werbeslogan „Globuli - Wenn Ihnen tic tac zu teuer ist“ aufgegriffen hat.

Und es dürfe auch jeder gerne selbst entscheiden, ob er sich impfen lassen wolle oder nicht. Auch wenn es ihn schon reize, auf Aussagen wie „Ich habe ein gutes Immunsystem“ mit „Ich habe auch eine schöne Wohnzimmertür, bis sie jemand eintritt“ zu reagieren. Seine einzige Bitte an die Nicht-Geimpften: „Sprecht mich nicht mehr im Zug darauf an!“

Morddrohungen erhält er dennoch manchmal. Richtig ernst nehmen kann er die nicht: „Menschen, die einen ermorden wollen, haben oft eine eklatante Rechtschreibschwäche.“ Seine Agentin halte ihn aber immer davon ab, diese korrigiert zurückzusenden.

Das Prinzip „Vom Hölzchen aufs Stöckchen“ hat Sträter perfektioniert. Da verzeiht man ihm auch, dass die Show vielleicht einen Tick zu lang war. Nur eines ist bedauerlich: Die Zugabe musste er aussparen. Darin wollte er nackt 45 Minuten Rhönrad fahren. Vielleicht ja beim nächsten Mal.

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