Nachruf auf Frank FarianDer Meisterproduzent, der schwarze Menschen als Marionetten benutzte

Lesezeit 4 Minuten
26.04.2007, Berlin: Die ehemaligen Sängerinnen der Gruppe Boney M., Liz Mitchell (l) und Marcia Barrett, küssen den Produzenten Frank Farian auf der Premiere des Musicals «Daddy Cool». Farian sei im Alter von 82 Jahren zu Hause in Miami gestorben, teilte die Agentur Allendorf Media am 23.01.2024 unter Berufung auf seine Familie mit.

Die ehemaligen Sängerinnen der Gruppe Boney M., Liz Mitchell (l) und Marcia Barrett, küssen den Produzenten Frank Farian.

Mit Boney M. und Milli Vanilli wurde Frank Farian zu einem der erfolgreichsten Produzenten aller Zeiten. Aber es blieb ein schlechter Nachgeschmack.

Noch Jahre später sprach Frank Farian von einer Verkettung unglücklicher Umstände. Von einer reinen Studio-Spielerei, für die er nur zwei Tänzer gesucht habe. Als optische Komponente fürs Fernsehen. Tatsächlich hatte der Produzent zuerst die Stimmen des bildhübschen Duos mit den puppenhaften Cornrow-Extensions aufgenommen, allein, sie reichten einfach nicht aus.

Das Pop-Duo "Milli Vanilli" mit Rob Pilatus (r) und Fabricio Morvan bei einem Auftritt in der Musiksendung "Peter's Popshow" in Dortmund (Archivfoto vom 17.11.1989). Mit Gruppen wie Boney M. und Milli Vanilli feierte der Produzent Frank Farian weltweit Erfolge - und sorgte für Skandale.

Das Pop-Duo Milli Vanilli mit Rob Pilatus (r) und Fabricio Morvan

Also beauftragte Farian professionelle Sänger, falsettierte selbst noch ein paar „Uh Uh Uuuhs“   zum Track, den er dann als Milli Vanilli veröffentlichte, den Spitznamen seiner damaligen Freundin mit der schicken englischen Diskurspop-Band Scritti Politti kurzschließend.

„Girl You Know It's True“ kletterte in Deutschland auf die Nummer Eins und chartete bald auch in den USA. Hierzulande wusste man, dass Farians Veröffentlichungen im Grunde reine Mischpult-Projekte waren, dass zum Beispiel der Boney M.-Tänzer Bobby Farrell nur die Lippen zum Farian'schen Bassgebrumme bewegte. In den Staaten jedoch gab die Plattenfirma Arista explizit Robert Pilatus und Fabrice Morvan – die hübschen Tänzer – auf dem Cover des Albums zum Single-Hit (sieben Wochen Platz Eins in den Billboard Charts) als Sänger an.

Als die Milli-Vanilli-Blase platzte, schickte Farian die echten Sänger auf Tour

Es kam, wie es kommen musste: Die Blase platzte, auf Millionenverkäufe, Grammys und Größenwahn folgte die Schmach. Farian feuert das Duo Fab & Rob, als dieses verlangte, auf dem nächsten Album endlich selbst zu singen. Der Betrug wurde zu einem der größten Skandale der Musikgeschichte. Am Ende lag Pilatus tot in einem Hotelzimmer, der bittere Lohn des geliehenen Ruhms. Simon Verhoeven hat die tragische Geschichte gerade verfilmt, mit Matthias Schweighöfer als Frank Farian.

Der im Hunsrück-Städchen Kirn als Franz Reuther geborene Produzent aber reagierte bauernschlau: Er schickte die weniger fotogenen Originalsänger als The Real Milli Vanilli auf Welttournee. Als Jugendlicher hatte Farian Koch gelernt, „weil ich immer Hunger hatte“. Doch als er auf dem General-Patton-Fest im luxemburgischen Ettelbrück seine erste Rock'n'Roll-Band erlebte, änderte er schlagartig seinen Berufswunsch. Er gründete die Combo Frankie und die Schatten, steckte sie in silberne Anzüge und spielte bald auf den Spuren der Beatles im Hamburger Star-Club und im Münchener Circus Krone.

Die Mitglieder der Popgruppe "Boney M." ("Daddy Cool") posieren für den Fotografen im April 1981 (Archivbild). Die Disco-Klassiker von Boney M. kommen als Musical auf die Bühne. Das Stück mit dem Titel «Daddy Cool» wird vom 26. April im Londoner Vergnügungsviertel Westend zu sehen sein. Außer dem gleichnamigen ersten Nummer-1-Hit der Gruppe sind darin auch andere Klassiker aus den 70er Jahren wie «Rasputin», «Brown girl in the ring» oder «Rivers of Babylon» zu hören. Die Idee für das Boney-M.-Musical kam Produzent Frank Farian durch den Welterfolg des ABBA- Musicals «Mamma Mia».

Boney M. posieren für den Fotografen im April 1981.

Der Erfolg ließ allerdings noch Jahre auf sich warten und auch er hatte einen Preis: Für „Rocky“, der deutschen Version eines triefigen Countrysongs musste sich Farian als Schlagersänger verkleiden. Er verdiente seine erste Million und klagte, dass sein Geschmack und seine wahre Stimme fürs deutsche Popgeschäft zu schwarz seien. 

Ob das seine fragwürdige Vorliebe für musikalische Bauchredner-Nummern erklärt? Seine kaum entschuldbare Neigung, schwarze Menschen als Marionetten zu benutzen? Schon vor „Rocky“ hatte er „Baby Do You Wanna Bump“ im Alleingang eingesungen, als die Proto-Disco-Nummer in die Benelux-Hitparaden einstieg, suchte er sich per Agentur eine karibische Truppe zusammen. Und hatte Glück: die Zufallsband Boney M. harmonisierte und die Jamaikanerin Liz Mitchell, zuvor bei den Les Humphries Singers, sang, so Farian, „wie eine Göttin“.

Farian testet jede neue Single, ob „Daddy Cool“ oder „Rivers of Babylon“, auf ihre Tanztauglichkeit in seiner eigenen Diskothek in St. Ingbert aus und was in der saarländischen Provinz funktionierte, kam ebenso gut im Rest von Europa an, aber auch in Afrika, Indien und Russland. Dort war Farians Vater in Hitlers Diensten gefallen, jetzt tanzte seine Gruppe Boney M. mit „Rasputin“ auf dem Roten Platz.

Farian war kein Komponist, seine Melodien fand er auf der ganzen Welt, aber im Studio verpasste er ihnen einen unwiderstehlichen Groove und eine Stromlinienförmigkeit, baute gewissermaßen eine Autobahn vom Ausgangssignal zu jedem erreichbaren Ohr, man höre sich nur einmal seine Version von „I Can't Stand the Rain“ an, produziert für Boney M.'s Backing-Band Eruption. Bald fanden sich in Farians Studio im hessischen Rosbach vor der Höhe so unterschiedliche Künstler wie Meat Loaf oder Stevie Wonder ein. Trotzdem fühlte sich Frank Farian in seiner Heimat unverstanden und verbrachte seine letzten Jahre in Miami. Dort starb er nun im Alter von 82 Jahren.

KStA abonnieren