„Ein Riesenaufwand“Designierter Schauspiel-Chef Rafael Sanchez über seine Pläne für Köln und Zürich

Lesezeit 4 Minuten
09.12.2020, Köln: Schauspiel Köln Eingang Spielstätte Depot im Carlswerk in Köln Mülheim.

v.li. Regissseur Rafael Sanchez und Schauspieler Sean McDonagh.


Foto: Csaba Peter Rakoczy

Rafael Sanchez, designierter Kölner Schauspiel-Chef

Ab 2025 wird Rafael Sanchez mit Pınar Karabulut das Schauspielhaus Zürich leiten. Aber zuerst muss er mit den Kölner Bühnen an den Offenbachplatz umziehen.

Rafael Sanchez, zuerst einmal unsere Glückwünsche. Sie übernehmen zusammen mit Pınar Karabulut zur Spielzeit 2025/26 die Leitung des Schauspielhauses Zürich. Sie haben sich doch auch in Zürich kennengelernt?

Rafael Sanchez: Genau. Pınar Karabulut war Assistentin in Zürich am Theater Neumarkt, als ich dort Co-Direktor war. Wir sind dann 2013 zusammen nach Köln gekommen.

Wer von Ihnen hatte denn die Idee, sich als Team in Zürich zu bewerben?

Das hat sich irgendwie organisch ergeben, dass wir das gemeinsam machen wollen. Schon im Februar 2021 hatte ich ein Foto von uns beiden auf Instagram gepostet, mit der Bildunterschrift „Karabulut & Sanchez GmbH Inszenierungen aller Art“. Aber da gab es natürlich noch keine konkreten Pläne.

Seit wann wussten Sie, dass die Karabulut & Sanchez GmbH nun das Schauspiel Zürich übernehmen wird, um im Bild zu bleiben?

Auch erst seit ein paar Tagen. Aber wir haben ein halbes Jahr lang hart darauf hingearbeitet.

Wie lief der Bewerbungsprozess ab?

Es war ein hartes Auswahlverfahren. Einen Assessment-Test hatte ich zum Beispiel noch nie machen müssen. Aber es war auch ein sehr offenes und faires Verfahren. Wir gehörten zu einer Gruppe von 24 Einzelpersonen oder Teams, die ein erstes Konzept eingereicht hatten. Zwölf davon hat sich die Findungskommission näher angeguckt, sechs Bewerbungen zu einem ersten Gespräch eingeladen. Man hatte uns fünf Wochen Zeit gegeben, um ein erstes Programm zu gestalten. Von den sechs sind drei Bewerberteams weitergekommen. Die Findungskommission hat zwei davon dem Verwaltungsrat des Schauspielhauses vorgestellt und der hat schließlich mit allen Stimmen bei einer Enthaltung Pınar und mich gewählt.

Es war ein hartes Auswahlverfahren, aber auch ein sehr offenes und faires.
Rafael Sanchez

Was, glauben Sie, gab den Ausschlag fürs Team Karabulut-Sanchez?

Wenn sie Pınar und meine Berufsjahre zusammenrechnen, kommen sie auf 30 Jahre Bühnenerfahrung, wir haben zusammengenommen mehr als 100 Stücke inszeniert. Außerdem repräsentieren wir zwei unterschiedliche Generationen. Und während ich mich in der Schweiz sehr gut auskenne, bringt Pınar einen Außenblick mit, auch mit ihrer Art, Klassiker zu lesen. Letztlich waren es wohl unsere verschiedenen Ansätze, die den Verwaltungsrat überzeugt haben.

Um das Vorgänger-Team Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg gab es erbitterten Streit. Von einem neugewonnenen Publikum wurden sie gefeiert, aber Teile des traditionelleren Zürcher Publikums wüteten gegen zu viel Wokeness und Diversität. Wie wappnen Sie sich gegen Widerstand?

Wir sind uns bewusst, was unsere beiden Vorgänger geleistet haben, und auch, was Ulrich Khuon leistet, der für ein Jahr die Intendanz übernimmt. Darauf können und wollen wir aufbauen. Das neue Publikum wollen wir unbedingt halten. Aber ich kenne Zürich sehr gut, ich habe schon 2004 das erste Mal am Schauspielhaus inszeniert und ich glaube, dass das Theater sich trauen muss, ganz verschiedene Publikums-Segmente anzusprechen. Von der Presse vor Ort wurden wir jetzt erstmal warm empfangen. Und erst recht von der Belegschaft, da kenne ich viele noch von früher.

Nach der Freude kommt die Arbeit: Jetzt müssen Sie nicht nur die hoffentlich erste Spielzeit im sanierten Haus am Offenbachplatz vorbereiten, sondern auch noch möglichst glanzvoll in Zürich aufschlagen.

Aber es ist im Theater ja immer so, dass man nächste Spielzeit oder auch die nächsten zwei Spielzeiten vorbereitet, anderthalb Jahre Vorlauf für Zürich sind da schon Luxus. Jetzt, wo es offiziell ist, können wir sofort mit der Planung anfangen, können Leute ansprechen. In Köln mussten wir das Programm jetzt in drei Monaten erstellen.

Noch dazu mit der Unsicherheit, wann das Kölner Schauspiel denn nun endlich in die Innenstadt zurückziehen kann …

Ja, das war viel Arbeit. Die Teams, die Inszenierungen in der ersten Hälfte der Spielzeit vorbereiten, müssen doppelgleisig denken und sich sowohl auf das Haus am Offenbachplatz als auch auf das Depot 1 vorbereiten. Das ist von der Disposition ein Riesenaufwand. Noch dazu muss ich für den Offenbachplatz mehr programmieren als für das Depot. Aber grundsätzlich mache ich mir keine Sorgen, wir sind in Köln gut unterwegs.

Ich hoffe, dass wir im Frühjahr mehr wissen.
Rafael Sanchez zum Schauspiel-Umzug an den Offenbachplatz

Wann, denken Sie, wird es Gewissheit geben?

Ich hoffe, dass wir im Frühjahr mehr wissen.

In Zürich muss das Schauspielhaus seine Hauptbühne im Pfauenkomplex sanieren. Geraten Sie da von einer Baustelle in die Nächste?

Zum Glück steht die Pfauen-Sanierung nicht sofort an: Das ist wahrscheinlich erst 2029 oder 2030 so weit, aber es kann uns schon noch treffen. Aber solange nicht dieselben Firmen wie in Köln und Berlin-Brandenburg aufkreuzen, bin ich zuversichtlich, dass es klappt.

KStA abonnieren