„Framing Britney Spears“Fans fordern Freiheit für entmündigte Sängerin

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Aktivisten der #freebritney-Bewegung bei einer Demonstration

Aktivisten der #freebritney-Bewegung bei einer Demonstration

Köln – In Zeiten sozialer Medien haben Popstars mehr als Fans. Sie haben kleine Armeen, die, rasch mobilisiert, in Schlachten und Scharmützel um die öffentliche Meinung ziehen. Im Idealfall steht hinterher ein umstrittener US-Präsident dumm da oder die Menschenrechte erscheinen etwas sicherer als am Tag zuvor. In jedem Fall sind die vielen „kleinen Monster“, von denen etwa Lady Gaga spricht, eine Macht, mit der man rechnen muss.

Vielleicht wäre auch Britney Spears’ Leben anders verlaufen, hätte sie damals bereits solche „Monster“ hinter sich gewusst. Aber vor 15 Jahren gaben nicht die Stürme und Wellenbewegungen auf Facebook, Twitter oder TikTok den Ton an, sondern die Boulevardblätter – und die waren nun wirklich asozial. Wenn man in der Amazon-Dokumentation „Framing Britney Spears“ sieht, wie erbarmungslos das erwachsen gewordene Teenieidol von Paparazzi verfolgt wurde, wünscht man sich unbedingt eine Macht herbei, die diesem Treiben Einhalt geboten hätte.

Jamie Spears, der eigene Vater, ließ die Sängerin entmündigen

Mit der Hetzjagd auf die Sängerin beginnt in Samantha Starks Dokumentarfilm der allmähliche Abstieg eines globalen Superstars zum öffentlichen „Besitz“ und schließlich zur entmündigten jungen Frau – Anfang 2008, also vor über 13 Jahren, erlangte Spears’ Vater vor einem kalifornischen Gericht die Vormundschaft über seine erwachsene Tochter zurück. Seitdem ist die vielfache Millionärin nicht mehr Herrin über das eigene Geschick und in der Perspektive vieler mit ihr gealterter Fans eine Gefangene, die mit verschlüsselten Instagram-Botschaften nach Hilfe ruft.

Seit einigen Jahren fordert eine stetig wachsende Gemeinde in den sozialen Medien die Rücknahme der für Spears’ Vater offenbar sehr einträglichen Entmündigung, und für einige Minuten scheint sich Starks Film tatsächlich wie angekündigt um die Menschen und Motive der #freebritney-Bewegung zu drehen. Allerdings wendet sich die Journalistin – der Film ist eine „New York Times“-Produktion – schon bald von den Aktivisten ab und widmet sich dem bewegten Leben von Britney Spears – dessen Stationen Disney-Kinderstar, Pop-Sensation, „gefallene“ Frau und Justizaffäre sind interessant genug, werden aber etwas einfallslos nacherzählt.

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In vielem steht Spears’ Geschichte für die Tragik des Stars an sich, für dessen Kampf, sich gegen die Gier der Öffentlichkeit nach Schlagzeilen und Schicksalen zu behaupten und die Kontrolle über das eigene Leben zu behalten – wobei Spears die eigene Freiheit auch buchstäblich verloren ging. Die entscheidende Frage, inwiefern die Entmündigung gerechtfertigt ist und zu Spears’ eigenem Schutz besteht, bleibt im Film freilich offen – muss sie vielleicht auch bleiben, solange sich weder Spears selbst noch ihre Familie dazu äußern.

An dieser zentralen Stelle rekapituliert die „New York Times“ vornehmlich die Recherchen von Podcastern und Aktivisten, und diese Arbeitsteilung zwischen klassischen und sozialen Medien ist schon höchst merkwürdig. Am seltsamsten ist jedoch, wie wenig sich Stark für die Motive derer zu interessieren scheint, die ihr neben dem Stoff auch die Argumente liefern.

„Framing Britney Spears“, USA 2021, 74 Minuten, Amazon Prime Video.

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