Frühzeitiges KonzertendeLewis Capaldi trotzt in der Lanxess-Arena Erkältung und Tourette

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Lewis Capaldi auf seiner „Broken By Desire To Be Heavenly Sent“-Tour in der Lanxess-Arena Köln.

Lewis Capaldi auf seiner „Broken By Desire To Be Heavenly Sent“-Tour in der Lanxess-Arena Köln.

14.000 Fans haben in der Köln-Arena den Auftritt des schottischen Sängers Lewis Capaldi gefeiert. Der hat auf der Bühne allerdings gleich mit mehreren Erkrankungserscheinungen zu kämpfen.

Es fällt schon bei den ersten Blicken durch die Lanxess-Arena auf. Leuchtende Herzen und Herzchen mit Ermutigungsbotschaften getragen von lächelnden jungen Menschen. Der schottische Singer/Songwriter Lewis Capaldi darf sich zu einem Kreis von jungen Stars um Harry Styles und Billie Eilish gesellen, die eine unfassbar positive und unterstützende Fangemeinde haben.

Knapp 14.000 davon kamen am Dienstag (28. Februar) nach Deutz, um ihrem Star bei einem Konzert zu helfen, das zunächst unter keinem guten Stern zu stehen schien.

Denn der 26-jährige konnte nur eine Woche zuvor sein Konzert in Frankfurt nicht wie geplant beenden, da er während seines Herzschmerz-Hits „Someone You Loved“ Tics seines Tourette-Syndroms zeigte.

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Daraufhin ging ein ergreifendes Video viral, in dem seine Fans ihm durch den Song halfen und immer lauter mitsangen. Capaldi bedankte sich anschließend auf Instagram dafür, dass seine Fans ihn für etwas bejubeln, das ihn lähme. Dass der Schotte mit der Erkrankung des Nervensystems lebt, ist seit September 2022 bekannt.

Capaldi spottet über Liebesschlösser an der Hohenzollernbrücke

Viele Fans sind daher wohl in Sorge um ihren Star nach Köln gekommen. Zunächst scheint sie jedoch unbegründet, da Capaldi mit „Forget Me“ ein energiegeladenes Intro abliefert und nach knapp zehn Minuten zum ersten Mal die Konfetti-Kanone anschmeißt. Zwischen den neuen Songs „Heavenly kind of state of mind“ und „Wish you the best“ spricht der Schotte offen, ehrlich und humorvoll frei Schnauze mit seinem Publikum.

Er spottet über die Liebesschlösser an der Hohenzollernbrücke, verachtet die anwesenden Pärchen, bemitleidet die anwesenden Singles – und gesteht ein, dass ihn eine Erkältung erwischt hat, die seiner Stimme zu schaffen macht.

Doch weder Erkältung noch Tourette halten Capaldi davon ab, im richtigen Moment den richtigen Ton mit purer Leidenschaft ins Mikrofon zu singen. In den Atempausen hat er sichtlich mit Husten und Tics zu kämpfen. Das merkt man seiner Stimme aber zunächst nicht an.

Capaldi wird für seinen Umgang mit Ängsten bejubelt

Am intimsten wird es, wenn der Schotte alleine, in weißem T-Shirt und Jogginghose gekleidet, mit Gitarre oder Klavier auf der Bühne steht. Das sind die Momente, in denen er sich wohlfühlt und am engsten mit seinen Fans in Kontakt tritt.

Zwischen dem LED-Bühnenbild, das sich hauptsächlich um die Elemente Wasser und Luft dreht, wirkt seine Stimme wie die Erde der schottischen Highlands. Einsam, aber stark und prächtig. Und dann taucht auf der LED-Leinwand immer wieder eine endlos scheinende Treppe auf. Eine Treppe, an dessen oberster Stufe Capaldi dann plötzlich knapp vier Meter über der Bühne an einem Klavier sitzt und seinen Hit „Bruises“ anspielt.

„Das ist so verdammt hoch hier oben. Ich dachte nicht, dass ich Höhenangst habe, aber jetzt ist sie da“, gesteht der Schotte ein, nachdem das Publikum den Song in einem Gänsehaut-Chor mit ihm zu Ende singt.

Doch alle bejubeln ihn dafür, dass er seine Ängste anspricht und mit dem Publikum teilt, dass sich seine Tics auch immer stärker zeigen. Es zeichnet sich langsam ab, dass Capaldi an diesem Abend wirklich nicht auf der Höhe seiner Gesundheit ist.

Vorzeitiges Ende nach 65 Minuten

Er schlägt dem Publikum also einen Deal vor: „Meine Stimme hält sich hier gerade noch so über Wasser. Wie wär es? Noch zwei Songs, dann gehe ich kurz aufs Klo und komme nochmal für einen auf die Bühne?“ Es ist diese Ehrlichkeit und Natürlichkeit, wie der Schotte sich mit seinem Publikum interagiert, die einen angenehmen Kontrast zu seiner Diskografie herstellt, die hauptsächlich aus Herzschmerz- und Trennungsballaden besteht.

In „Hold Me While You Wait“ singt Capaldi von seiner Angst, nicht gut genug zu sein. Doch auch hier legen die Fans ihm den Arm um die Schulter, indem sie ihm herzförmige Schilder mit der Botschaft „Du bist gut genug“ entgegenhalten.

Nach knapp 65 Minuten findet das Konzert dann mit Capaldis Mega-Hit „Someone You Loved“ ein eher abruptes, aber dennoch rundes und gefühlvolles Ende. Unter tosendem Applaus entschuldigt er sich dafür, dass er heute nicht auf Topniveau abliefern konnte und kündigt seine Rückkehr nach Köln an.

Vielleicht sind Viele enttäuscht, dass sie für zu hohe Ticketpreise – teils über 70 Euro – ein zu kurzes Konzert gesehen haben. Capaldis Fangemeinde applaudiert jedoch dafür, dass er trotz erheblicher gesundheitlicher Einschränkungen eine derartige Show auf die Bühne bringen und zwischenzeitlich auch echte, gefühlvolle Nähe zum Publikum schaffen konnte. Diese Momente heben sich an diesem Abend von denen hervor, in denen er zu kämpfen hat, denn in diesen Momenten merkt man, wie viel Spaß der Schotte an der Musik hat.

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